Neben der Dichtung hielten zwei Angehörige des Monitorkorps und ein melfanischer Arzt Wache. Sie schienen aufgeregt zu sein, aber im Tunnel schwammen so viele Leukozyten herum, daß Conway den Grund dafür nicht sehen konnte. Seine Bildschirme zeigten die Einschnittlinie, die diesen Rachentunnel kreuzte. Zwischen der Dichtung und dem Einschnitt flossen viele hundert Liter Wasser ab — wenn man die Größe des Patienten bedachte, war das allerdings kaum mehr als ein Tropfen. Die Pulsator- und Traktorstrahlen drangen weiter vor, verlängerten und vertieften den Schnitt, während die unsichtbaren Pressorstrahlen, die immateriellen Pfähle, die das gewaltige Gewicht der Kreuzer trugen, die Ränder auseinanderdrückten, bis sich der Einschnitt in eine immer breiter und tiefer werdende Schlucht verwandelte. Eine kleine Ladung von chemischen Sprengstoffen brachte den geräumten Tunnelabschnitt zum Einsturz und verstärkte dadurch die Kunststoffdichtung. Alles schien genauso zu laufen wie geplant, bis auf Conways Pult die Signallampe zu blinken begann, die sofortige Aufmerksamkeit verlangte, und Major Edwards’ Gesicht auf dem Bildschirm erschien.
„Conway“, sagte der Major eindringlich. „Die Dichtung in Tunnel dreiundvierzig wird von den Werkzeugen angegriffen.“
„Aber das ist doch unmöglich“, entgegnete Murchison in einem fast empörten Ton, der an jemanden erinnerte, der seinen Freund beim Falschspielen erwischte. „Der Patient hat doch noch nie unsere Innenoperationen gestört. Es gibt hier keine Augenpflanzen, die unsere Position verraten könnten, und auch kein nennenswertes Licht, und die Dichtung ist nicht einmal aus Metall. Auf der Oberfläche haben die Werkzeuge noch nie Kunststoff angegriffen, immer nur Lebewesen und Maschinen.“
„Und Lebewesen greifen sie nur deshalb an, weil wir unsere Anwesenheit verraten, indem wir versuchen, die geistige Kontrolle über sie zu erlangen“, fügte Conway schnell hinzu. Dann sagte er an Edwards gewandt: „Lassen Sie die an der Dichtung postierten Leute sofort in den Versorgungsschacht gehen, Major, schnell! Ich kann nicht direkt mit den dreien sprechen. Und sagen Sie ihnen, sie sollen versuchen, auf keinen Fall an die.“
Er brach ab, als die Dichtung vor ihm in einer gedämpften Explosion aus weißen Blasen verschwand, die durch das Tunnelgewölbe auf sie zuschössen. Außerhalb des Raupenbohrers konnte er überhaupt nichts mehr sehen und im Innern nur Edwards’ Gesicht und Bilder von Schiffen, die sich in einer Linie formiert hatten.
„Doktor, die Dichtung ist geplatzt!“ schrie der Major, während seine Augen zur Seite huschten. „Der Schutt hinter der Dichtung wird weggespült. Harrison, graben Sie sich ein!“
Aber der Lieutenant konnte das Fahrzeug nicht eingraben, weil es die vorbeitosenden Blasen unmöglich machten, etwas zu sehen. Er schaltete die Raupenketten schnell in die entgegengesetzte Richtung, doch die Strömung, die an ihnen entlangrauschte, war so stark, daß der Raupenbohrer kaum noch Kontakt mit dem Boden hatte. Edwards löschte die Scheinwerfer, weil sie durch das vom Schaum außerhalb der Kanzel reflektierte Licht geblendet wurden. Aber vor ihnen war immer noch ein Lichtfleck, der ständig größer wurde.
„Edwards, stellen Sie sofort die Pulsatorstrahlen ab….“
Ein paar Sekunden später wurden sie als Teil eines Wasserfalls aus dem Tunnel herausgespült, der über eine organische Klippe in eine Schlucht hinunterstürzte, die keinen Boden zu haben schien. Das Fahrzeug flog aber nicht in seine Einzelteile auseinander, und sie endeten auch nicht als Erdbeermarmelade — also war klar, daß Major Edwards in der Lage gewesen war, die Pulsatorprojektoren rechtzeitig abzuschalten. Als sie eine subjektive Ewigkeit später krachend zum Stillstand kamen, verabschiedeten sich zwei der Repeaterschirme mit spektakulären Implosionen, und der Wasserfall, der ihren Sturz auf dem Weg nach unten abgedämpft hatte, donnerte jetzt gegen die Fahrzeugseite und schob und rollte den Raupenbohrer über den Boden des Einschnitts.
„Jemand verletzt?“ fragte Conway.
Murchison lockerte die Sicherheitsgurte und zuckte zusammen. „Ich bin überall grün und blau und. und hab am ganzen Körper Dellen.“
„Die würde ich mir zu gerne ansehen“, bemerkte Harrison in einem Ton, der darauf schließen ließ, daß er sich nicht verletzt hatte.
Erleichtert und gereizt zugleich entgegnete Conway: „Zuerst sollten wir uns doch wohl lieber den Patienten ansehen.“
Der einzig noch funktionierende Bildschirm übertrug ein von einem über dem Einschnitt postierten Hubschrauber aufgenommenes Bild. Die schweren Kreuzer hatten sich ein kurzes Stück zurückgezogen, um das Operationsfeld für Rettungs- und Beobachtungshubschrauber freizumachen, die wie große Metallfliegen über der Wunde brummten und hinabtauchten. Pro Minute strömten Tausende von Litern Wasser — die unzählige Leukozyten und Farmerfische, unvollständig verdaute Nahrung und Klumpen von lebenswichtigen inneren Pflanzen mit sich führten — aus dem durchtrennten Rachentunnel in die Schlucht hinab und darin entlang. Conway gab Edwards ein Zeichen.
„Wir sind zwar in Sicherheit“, sagte er, bevor der Major sprechen konnte, „aber das hier ist ein schöner Schlamassel. Wenn wir diesen Flüssigkeitsverlust nicht stoppen können, wird das Verdauungssystem zusammenbrechen, und dann haben wir unseren Patienten getötet, anstatt ihn zu heilen. Verdammt, warum hat er nicht irgendein Verfahren, sich selbst gegen grobe körperliche Verletzungen zu schützen? Von mir aus eine Rückschlagventilvorrichtung oder sonst was! Ich hab überhaupt nicht damit gerechnet, daß so etwas passieren kann.“
Conway riß sich zusammen, weil er merkte, daß er anfing, zu jammern und nach Ausreden zu suchen, statt Anweisungen zu erteilen. In forschem Ton fuhr er fort: „Ich brauche den Rat von Fachleuten. Haben Sie einen Spezialisten für Kurzstreckenwaffen mit geringer Explosionsstärke dabei?“
„Kein Problem“, entgegnete Edwards, und ein paar Sekunden später meldete sich eine neue Stimme: „Hier technischer Ordonnanzoffizier der Vespasian, Major Holroyd. Kann ich Ihnen helfen, Doktor?“
Das will ich doch stark hoffen, dachte Conway, während er laut fortfuhr, das Problem zu umreißen.
Sie waren mit der Notsituation eines auf dem Operationstisch verblutenden Patienten konfrontiert. Ob das betroffene Lebewesen nun groß oder klein, ob seine Körperflüssigkeit nun terrestrisches Blut, überhitztes flüssiges Metall wie bei den TLTUs vom Planeten Threcald fünf oder das ein wenig unreine Wasser war, das Nährstoffe und spezialisierte innere Organismen zu den weit auseinanderliegenden Extremitäten des Körpers der drambonischen Schichtkreatur transportierte, alles würde auf das gleiche hinauslaufen — stetig absinkender Blutdruck, immer größer werdender Schock, sich ausbreitende Muskellähmung und schließlich der Tod.
Die normale Verfahrensweise wäre unter diesen Umständen, die Blutung zu stillen, indem man das beschädigte Blutgefäß abband und die Wunde nähte. Doch dieses bestimmte Gefäß war ein Tunnel mit Wänden, die nicht stabiler oder elastischer waren als die sie umgebende Körpersubstanz, weshalb sie nicht abgebunden und noch nicht einmal abgeklemmt werden konnten. So, wie Conway es sah, war die einzige verbleibende Möglichkeit, das aufgebrochene Gefäß zu verstopfen, indem man die Tunneldecke zum Einsturz brachte.
„Die TR-7-Torpedos für den Nahbereich“, sagte der technische Offizier wie aus der Pistole geschossen. „Die haben eine gute Aerodynamik, deshalb wird es kein Problem sein, sie in die Strömung zu schießen. Und vorausgesetzt, es gibt in der Nähe der Tunnelöffnung keine scharfen Kurven, dann kann man sie bis zu jeder gewünschten Tiefe eindringen lassen, indem man.“