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Dank Ihnen geht die Disziplin der Assistenzärzte zusehends den Bach runter“, fuhr O’Mara ein klein wenig leiser fort. „Es gilt jetzt schon als normal, Fehler zu machen! Praktisch jede Oberschwester verlangt mittlerweile in kreischendem Ton von mir — von mir! — , dieses. dieses Etwas endlich loszuwerden. Alles, was Sie bisher zustande gebracht haben, ist, dieses unsichtbare, nicht ausfindig zu machende, immaterielle Monster zu erfinden! Aber anscheinend fällt es allein in den Zuständigkeitsbereich des Chefpsychologen, dieses Etwas wieder loszuwerden!“

O’Mara machte eine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, und als er weitersprach, war sein Ton ruhig und fast freundlich geworden. „Und glauben Sie ja nicht, daß Sie irgend jemanden an der Nase herumführen können. Um es auf die einfachste Formel zu bringen: Sie hoffen, daß die Fehler Ihres Freunds relativ unbemerkt bleiben, wenn nur genügend andere Mitarbeiter Fehler begehen. Und hören Sie endlich damit auf, ständig Ihren Mund auf- und zuzumachen! Sie kommen schon noch dran! Einer der Aspekte, der mich an dieser ganzen Angelegenheit wirklich stört, ist der, daß ich selbst für diesen ganzen Mist mitverantwortlich bin, weil ich Sie mal wieder vor ein unlösbares Problem gestellt hab. Ich hatte einfach gehofft, Sie würden die ganze Geschichte vielleicht von einem anderen Standpunkt her in Angriff nehmen, von einem Standpunkt, der womöglich wenigstens eine Teillösung des Problems ergeben hätte, um Ihren Freund herauszupauken. Doch statt dessen haben Sie ein neues und vielleicht noch größeres Problem geschaffen.

Nun, ich hab die Dinge aus verständlichem Ärger vielleicht ein wenig übertrieben dargestellt, Doktor“, fuhr O’Mara jetzt noch ruhiger fort, „aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Sie wegen dieser Angelegenheit womöglich in ernste Schwierigkeiten geraten. Ich glaube nicht, daß die Schwestern und Pfleger absichtlich Fehler begehen werden — zumindest nicht so schwerwiegende, daß sie ihre Patienten damit gefährden würden. Doch jede Senkung des Standards ist natürlich gefährlich. Begreifen Sie allmählich, was Sie eigentlich damit angerichtet haben, Doktor?“

„Ja, Sir“, antwortete Conway kleinlaut und mit betroffener Miene.

„Gut, das kann man Ihnen sogar ansehen“, entgegnete O’Mara in für ihn untypischer Milde. „Und jetzt würde ich gerne wissen, warum sie all das getan haben. Also, Doktor?“

Conway nahm sich mit der Antwort Zeit. Zwar würde er das Büro des Chefpsychologen nicht zum erstenmal mit angekratztem Selbstbewußtsein verlassen, aber dieses Mal schien es ernst zu sein. Es herrschte die allgemeine Ansicht, O’Mara könne sich nur dann wirklich entspannen und sich ganz als der schlechtgelaunte, unausstehliche Chefpsychologe geben, wenn er sich keine übermäßigen Sorgen über jemanden machte oder wenn er den Betreffenden wirklich mochte. Wurde der Chefpsychologe jedoch ruhig, freundlich und alles andere als sarkastisch — behandelte er mit anderen Worten eine Person eher wie einen Patienten und nicht wie einen Kollegen —, dann steckte diese bis zum Hals in Schwierigkeiten.

Schließlich berichtete Conway: „Zunächst war es einfach nur eine vorgeschobene Geschichte, die erklären sollte, warum ich so neugierig bin, Sir. Schwestern und Pfleger plaudern zwar gerne übereinander, schwärzen sich gegenseitig aber nicht an, und es hat vielleicht so ausgesehen, als ob ich gewollt hätte, daß sie das tun. Da Doktor Mannon in jeder Hinsicht gesund ist, hab ich lediglich darauf hingewiesen, daß äußere Ursachen wie Bakterien oder Parasiten oder etwas Ähnliches wegen der Gründlichkeit unserer aseptischen Verfahren auszuschließen sind. Sie, Sir, hatten uns ja bereits hinsichtlich seines Geisteszustands beruhigen können. Ich hab deshalb eine. eine äußere, immaterielle Ursache vorausgesetzt, die vielleicht bewußt gesteuert ist oder auch nicht.

Allerdings hab ich allen gegenüber ausdrücklich betont, noch nichts in der Hand zu haben, was meine Theorie untermauern würde“, fuhr Conway schnell fort, „und genausowenig hab ich irgend jemandem gegenüber eine körperlose Intelligenz erwähnt. Aber in diesem OP ist tatsächlich etwas Merkwürdiges passiert, und das nicht nur während der Zeit, als Mannon operiert hat.“

Er beschrieb den Echoeffekt, den Prilicla während der Überwachung von Mannons emotionaler Strahlung wahrgenommen hatte, und den ähnlichen Effekt, als Naydrad das Mißgeschick mit dem Messer passiert war. Später ereignete sich auch noch ein weiterer Zwischenfall mit einem melfanischen Assistenzarzt, dessen Sprühdose nicht sprühen wollte. Auf die Mundgliedmaßen der Melfaner passen nämlich keine Operationshandschuhe, weshalb sie diese vor einer Operation mit schnelltrocknendem Plastik besprühen. Als der melfanische Assistenzarzt versuchte, die Sprühdose zu benutzen, quoll eine Masse heraus, die der Melfaner mir gegenüber als metallischen Brei bezeichnete. Und später war die fragliche Sprühdose verschwunden. Vielleicht hatte sie nie existiert. Es gab noch weitere seltsame Zwischenfälle, Schnitzer, die mir ein wenig zu einfach erschienen, als daß sie geschultem Personal unterlaufen würden, wie Fehler beim Zählen der Instrumente und dem Fallenlassen von Gegenständen. Und bei all diesen Vorkommnissen schien ein gewisses Maß an geistiger Verwirrung und vielleicht sogar regelrechter Halluzination mit im Spiel gewesen zu sein.

„Bis jetzt liegt zwar noch nicht genug Material für eine statistisch bedeutungsvolle Auswertung vor“, fuhr Conway fort, „aber es hat gereicht, um mich neugierig zu machen. Ich würde Ihnen gern die Namen der Betroffenen geben, wenn ich nicht hätte versprechen müssen, sie für mich zu behalten — denn ich glaube, es würde Sie bestimmt interessieren, wie die betreffenden Personen einige dieser Zwischenfälle selbst sehen.“

„Möglicherweise, Doktor“, entgegnete O’Mara kühl. „Auf der anderen Seite liegt es mir fern, einem Ihrer Hirngespinste meine fachliche Unterstützung zuteil werden zu lassen, indem ich solch triviale Horrorgeschichten auch noch überprüfe. Was die Beinaheunfälle mit Skalpellen und all die anderen Mißgeschicke betrifft, so bin ich der Meinung, einige Leute haben eben Glück, und andere stellen sich manchmal ein bißchen dumm an, während die dritten ihre Mitwesen gerne hin und wieder auf den Arm nehmen. Oder was meinen Sie, Doktor?“

Conway umklammerte die Armlehnen seines Stuhls fester und antwortete beharrlich: „Das heruntergefallene Skalpell gehörte zum hudlarischen Typ sechs, ein sehr schweres, klingenlastiges Instrument. Und selbst wenn es mit dem Griff zuerst aufgetroffen wäre, hätte es sich normalerweise noch ein paar Zentimeter unterhalb des Aufprallpunkts in Naydrads Seite bohren und eine tiefe und schwere Wunde verursachen müssen — wenn dieses Messer überhaupt eine reale physikalische Existenz besaß! Das beginne ich nämlich allmählich zu bezweifeln, und deshalb bin ich der Meinung, wir sollten den Umfang dieser Untersuchung unbedingt ausweiten. Bekomme ich die Erlaubnis, mich mit Colonel Skempton zu treffen und wenn nötig Kontakt mit dem Beobachtungsstab des Monitorkorps aufzunehmen, um die Herkunft der Neuankömmlinge zu überprüfen?“

Der erwartete Wutausbruch blieb aus. Statt dessen klang O’Maras Stimme fast wohlwollend, als er antwortete: „Ich kann mich nicht entscheiden, ob Sie wirklich aufrichtig davon überzeugt sind, irgend etwas auf der Spur zu sein, oder ob Sie einfach nur glauben, zu weit gegangen zu sein, um jetzt noch nachzugeben, ohne lächerlich zu wirken. Was mich betrifft, könnten Sie sich im Moment überhaupt nicht mehr lächerlicher machen. Sie sollten sich nicht scheuen, Ihren Irrtum einzugestehen, Doktor, und endlich damit anfangen, einiges von dem Schaden wiedergutzumachen, der durch Ihre Verantwortungslosigkeit an der Disziplin im Hospital angerichtet wurde.“