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Dies hier war nicht so. »Es scheint nicht so groß zu sein, wie ich erwartet hatte«, sagte er. »Ich nehme an, das liegt an der Krümmung des Landes. Es ist ein so kleiner Planet, und überhaupt… «

Wie das Lesegerät sagte: »Der Horizont ist nicht weiter entfernt als eine Seite Zygotes von der anderen.«

»Oho!« sagte Cojote und warf ihm einen Blick zu. »Laß lieber nicht den Großen Mann so etwas hören! Er würde dir dafür einen Tritt in den Hintern geben.« Und dann: »Wer ist dein Vater, Junge?«

»Ich weiß es nicht. Hiroko ist meine Mutter.«

»Hiroko treibt das Matriarchat zu weit, wenn du mich fragst«, knurrte Cojote.

»Hast du ihr das gesagt?«

»Darauf kannst du dich verlassen. Aber Hiroko hört mir nur zu, wenn ich Dinge sage, die ihr genehm sind.« Er kicherte. »So geht es jedem, nicht wahr?«

Nirgal nickte, und ein Grinsen beendete seinen Versuch gleichgültig zu sein.

»Willst du herausfinden, wer dein Vater ist?«

»Sicher.« Eigentlich war er sich nicht sicher. Der Begriff ›Vater‹ bedeutete ihm wenig; und er fürchtete, es könnte sich herausstellen, daß es Simon wäre. Peter war ihm schließlich wie ein älterer Bruder.

»In Vishniac haben sie die Geräte dafür. Wir können es versuchen, wenn du möchtest.« Cojote schüttelte den Kopf. »Hiroko ist eigenartig. Als ich sie kennenlernte, hättest du nie erwartet, daß es so weit kommen würde. Natürlich waren wir damals jung — fast so jung, wie du jetzt bist, obwohl du dir das wohl schwer vorstellen kannst.«

Was auch stimmte.

»Als ich sie kennenlernte, war sie gerade eine junge Studentin der Öko-Ingenieurwissenschaften, so geschmeidig wie eine Gerte und scharf wie eine Katze. Nichts von dem Zeug von Muttergöttin der Welt. Aber allmählich fing sie an, Bücher zu lesen, die nicht ihre technischen Lehrtexte waren; und das ging immer weiter, und als sie zum Mars kam, war sie schon verrückt. Sogar schon davor. Das war für mich ein Glücksfall, denn darum bin ich hier. Aber Hiroko — oje! Sie war überzeugt, daß die ganze menschliche Geschichte von Anfang an schiefgelaufen wäre. In der Morgenröte der Zivilisation gab es, wie sie mir ganz ernsthaft sagte, nur Kreta und Sumer. Und Kreta besaß eine friedliche Handelskultur, die von Frauen betrieben wurde und voller Kunst und Schönheit war — wirklich eine Utopie, wo die Männer Akrobaten waren, die den ganzen Tag auf den Stieren turnten und nachts auf den Frauen. Sie schwängerten die Frauen und verehrten sie, und alle waren glücklich. Das heißt mit Ausnahme der Stiere. Indessen wurde Sumer andererseits von Männern regiert, die den Krieg erfanden, alles eroberten, was in Sicht war, und alle die Sklavenreiche gründeten, die danach gekommen sind. Und niemand wußte, wie Hiroko sagte, was geschehen wäre, wenn die beiden Reiche eine Gelegenheit gehabt hätten, um die Weltherrschaft zu ringen; denn ein Vulkan zerstörte das aufkommende Königreich Kretas, und die Welt ging in die Händfe Sumers über und ist dort bis auf den heutigen Tag geblieben. Wenn dieser Vulkan nur in Sumer gewesen wäre, pflegte sie mir zu erzählen, dann wäre alles anders gekommen. Und vielleicht ist das wahr. Denn die Geschichte konnte kaum finsterer verlaufen, als es geschah.«

Nirgal war durch diese Darstellung überrascht und wandte ein: »Aber jetzt machen wir einen Neuanfang.«

»Das ist richtig, Junge! Wir sind die Primitiven einer unbekannten Zivilisation. Wir leben in unserer eigenen techno-minoischen Matriarchie. Ha! Ich persönlich finde das prima. Mir scheint bereits, daß die Macht, die unsere Frauen übernommen haben, nie so interessant gewesen ist. Macht ist nur die Hälfte des Jochs. Erinnerst du dich daran aus dem Zeug, das ich euch Kinder habe lesen lassen? Herr und Sklave tragen das Joch gemeinsam. Anarchie ist die einzige wahre Freiheit. Aber was auch immer die Frauen tun, scheint sich gegen sie zu richten. Wenn sie Kühe der Männer sind, arbeiten sie bis zum Umfallen. Wenn sie aber unsere Königinnen und Göttinnen sind, dann arbeiten sie nur um so härter, weil sie immer noch die Arbeit der Kühe verrichten müssen und dann auch noch den Papierkram. Da gibt es keinen anderen Weg. Sei nur dankbar, daß du ein Mann bist und so frei wie der Himmel!«

Es war Ls 4, 22. Zweitmärz im Marsjahr 32, und die Tage im Süden wurden kürzer. Cojote fuhr die ganze Nacht angestrengt dahin, über schwierige und unsichtbare Wege durch ein Gelände, das immer rauher wurde, je weiter sie sich von der Polkappe entfernten. Sie hielten an, um bei Tag zu ruhen, und fuhren die ganze übrige Zeit. Nirgal bemühte sich, wach zu bleiben, verschlief aber unweigerlich jedesmal einen Teil der Fahrt und auch noch einen Teil des Aufenthaltes am Tage, bis er mit Zeit und Raum völlig durcheinander war.

Aber wenn er wach war, schaute er fast immer aus dem Fenster auf die sich ständig verändernde Oberfläche des Mars. Er konnte nicht genug davon bekommen. In dem geschichteten Terrain gab es unendliche Strukturen. Die abgeflachten Sandhügel wurden vom Wind verweht, bis jede Düne wie ein Vogelfügel eingeschnitten war. Wenn das Gelände schließlich auf freies Urgestein auslief, wurden die geschichteten Dünen zu einzelnen Sandinseln, verstreut über ein wirres Gebiet von freiliegendem Regolith und Steinhaufen. Wohin er auch blickte, gab es rotes Gestein in der Größe von Kieseln bis zu immensen Felsblöcken, die wie Gebäude auf dem Sand standen. Die Sandinseln waren in dieser steinigen Gegend in jede Senke und Höhlung geduckt und drängten sich auch um die Füße großer Blöcke und an die Leeseiten niedriger Grate und in das Innere von Kratern.

Und Krater gab es überall. Sie erschienen erst wie zwei Buckel am Horizont, die sich schnell als zusammenhängende Punkte einer niedrigen Leiste herausstellen. Sie kamen an Dutzenden dieser Hügel mit flachem Gipfel vorbei — manche steil und scharf, andere niedrig und fast begraben, noch andere mit Rändern, die durch kleinere spätere Einstürze zerbrochen waren, so daß man direkt den Flugsand sehen konnte, der sie ausfüllte.

Eines Nachts kurz vor dem Morgengrauen hielt Cojote an.

»Fehlt etwas?«

»Nein. Wir haben Ray’s Lookout erreicht, und ich möchte, daß du ihn siehst. In einer Stunde wird die Sonne da sein.«

So saßen sie in den Fahrersesseln und erwarteten die Dämmerung.

»Junge, wie alt bist du?«

»Sieben.«

»Was heißt das? Dreizehn Erdenjahre? Vierzehn?«

»So nehme ich an.«

»Oho! Du bist schon größer als ich.«

»Na und?« Nirgal verzichtete darauf hinzuweisen, daß das keine besondere Größe bedeutete. »Und wie alt bist du?«

»Einhundertundneun. Ah ah ha! Mach lieber die Augen zu, sonst fallen sie dir aus dem Kopf! Sieh mich nicht so an! Ich war alt am Tage meiner Geburt und werde jung sein, wenn ich sterbe.«

Sie dösten dahin, während der Himmel am östlichen Horizont allmählich eine tief purpurblaue Farbe annahm. Cojote summte ein Liedchen vor sich hin, als ob er eine Tablette Omegendorph eingenommen hätte, wie er es oft abends in Zygote tat. Allmählich wurde klar, daß der Horizont weit entfernt war und sich um sie zu runden schien, eine schwarze krumme Wand, die unendlich weit entfernt war auf einer schwarzen steinigen Ebene. »He, Cojote!« rief Nirgal. »Was ist das?«