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Nirgal richtete seine Augen mit leerem Blick fest auf die seiner Mutter. Er wußte noch genau, wann Jackie ihre Beine zusammengepreßt hatte, er hatte die kleine Veränderung der Temperatur im Wasser gespürt, wenn sie zwischen ihnen herumwirbelte. Und ihm schien, daß seine Mutter nicht recht hatte mit einigem von dem, was sie gesagt hatte. Obwohl er Jackies Körper so gut kannte, war sie ihm in vielfacher Hinsicht so fern wie jeder feurige Stern, strahlend und herrschsüchtig am Himmel. Sie war die Königin ihrer kleinen Gruppe und konnte ihn mit einem Blick vernichten, wenn sie wollte. Und das tat sie recht oft, obwohl er ihre Launen sein ganzes Leben lang studiert hatte. Darin lag mehr Fremdheit, als er bewältigen konnte. Und er liebte sie. Das wußte er genau. Aber sie erwiderte diese Liebe nicht, jedenfalls nicht auf die gleiche Art. Ebensowenig liebte sie Harmakhis auf diese Weise, dachte er, zumindest nicht mehr. Das war ein schwacher Trost. Es war Peter, den sie in der Weise beobachtete wie er sie. Aber Peter war die meiste Zeit nicht da. Also liebte sie niemanden in Zygote so, wie Nirgal sie liebte. Vielleicht war es für sie schon so, wie Hiroko gesagt hatte; und Harmakhis und der Rest waren einfach zu gut bekannt. Ihre Brüder und Schwestern, ganz gleich, welche Gene dabei beteiligt waren.

Dann stürzte eines Tages der Himmel wirklich ein. Der ganze höchste Teil der Eisschicht brach von dem CO2 weg, brach durch das Netz in den Teich und über den Strand und die ihn umgebenden Dünen. Zum Glück geschah das am frühen Morgen, als niemand da unten war. Aber die ersten Schläge und Geräusche von Zerreißen waren explosiv laut. Alle rannten an ihre Fenster und sahen den größten Teil des Falls: Die gigantischen weißen Eisbrocken fielen wie Bomben oder wirbelten herab wie hüpfende Teller. Dann explodierte die ganze Fläche des Teichs und schwappte über die Dünen.

Menschen stürmten aus ihren Zimmern; und in dem Lärm und der Panik scheuchten Hiroko und Maya die Kinder in die Schule, die ein eigenes Luftsystem besaß. Als einige Minuten vergangen waren und es schien, als ob die Kuppel halten würde, rannten Peter, Michel und Nadia durch den Schutt los. Sie vermieden und sprangen über weiße Platten um den Teich herum zum Rickover-Reaktor, um sich zu vergewissern, ob noch alles in Ordnung war. Falls nicht, würde es für sie drei ein tödliches Unternehmen sein und Lebensgefahr für jeden anderen. Nirgal konnte das Gegengestade des Teichs erkennen, das von Eisbergen übersät war. In der Luft schwirrten laut kreischende Möwen. Die drei Gestalten zwängten sich durch den schmalen, hohen Weg direkt unter dem Rande der Kuppel und verschwanden im Rickover. Jackie knabberte vor Angst an ihren Knöcheln. Bald gaben sie telefonisch einen Bericht durch. Das Eis über dem Reaktor wurde von einem besonders engmaschigen Rahmen getragen und hatte gehalten.

Also waren sie für den Moment sicher. Aber nach einigen im Dorf in einem unangenehmen Zustand von Spannung und Mißmut verbrachten Nächten offenbarte eine Untersuchung der Ursache des Einsturzes, daß die ganze Masse des Trockeneises über ihnen nur wenig eingesunken war und die von ihm zerbrochene Schicht aus Wasser-Eis durch das Netz hatte fallen lassen. Die Sublimation auf der Oberfläche der Kappe beschleunigte sich offenbar beträchtlich, seit die Luft dichter und die Welt wärmer wurde.

Während der nächsten Wochen schmolzen die Eisberge im Teich langsam; aber Eisschollen über den Dünen schmolzen auch langsam und waren noch da. Den Kindern wurde nicht mehr gestattet, an den Strand zu gehen. Man wußte noch nicht, wie groß die restliche Eisschicht war.

In der zehnten Nacht nach dem Einsturz hielten sie im Speisesaal eine Vollversammlung ab, alle zweihundert Personen. Nirgal sah sich rundum seinen kleinen Stamm an. Die Sansei wirkten erschrocken, die Nisei trotzig und die Issei erstaunt. Die Alten hatten in Zygote seit vierzehn Marsjahren gelebt, und es fiel ihnen schwer, sich an irgendein anderes Leben zu erinnern. Für die Kinder, die nie etwas anderes gekannt hatten, war es einfach unmöglich.

Es brauchte nicht gesagt zu werden, daß sie sich nicht der Oberflächenwelt ergeben würden. Und dennoch wurde die Kuppel unhaltbar, und sie waren eine zu große Gruppe, um sich einem der anderen versteckten Asyle aufzudrängen. Eine Aufteilung würde das Problem lösen. Aber das war kein erfreulicher Ausweg.

Es erforderte eine Stunde an Reden, um all dies klarzulegen. Michel sagte: »Wir könnten es mit Vishniac versuchen. Das ist groß, und die würden uns willkommen heißen.«

Aber es war das Heim der Bogdanovisten und nicht ihres. Das besagten die Gesichter der Alten. Plötzlich schien es Nirgal, daß sie von allen die größte Angst hatten.

»Ihr könntet euch weiter unter das Eis zurückziehen«, sagte er.

Alle sahen ihn an.

»Du meinst, wir sollten eine neue Kuppel schmelzen?« fragte Hiroko.

Nirgal zuckte die Achseln. Nachdem er die Idee ausgesprochen hatte, mißfiel sie ihm.

»Dort ist die Kappe dicker«, erklärte Nadia. »Es wird lange dauern, bis sie so weit sublimiert, daß wir Schwierigkeiten bekommen. Bis dahin wird sich alles geändert haben.«

Es herrschte Schweigen, und dann sagte Hiroko: »Das ist eine gute Idee. Wir können hier ausharren, bis eine neue Kuppel ausgeschmolzen ist, und dann die Sachen hinüberschaffen, soweit Raum verfügbar wird. Es sollte nur ein paar Monate dauern.«

»Shikata ga nai«, sagte Maya zynisch. Es gibt keine andere Wahl. Natürlich gab es andere Möglichkeiten. Aber ein großes neues Projekt schien ihr zu gefallen, ebenso wie Nadia. Und der Rest von ihnen sah erleichtert aus, weil sie eine Chance hatten, beisammen und verborgen zu bleiben. Die Issei hatten, wie Nirgal plötzlich sah, große Angst, exponiert zu sein. Er lehnte sich zurück und wunderte sich darüber. Er dachte an die offenen Städte, die er mit Cojote besucht hatte.

Sie benutzten Dampfschläuche, die vom Rickover Energie erhielten, um einen neuen Tunnel zum Hangar zu schmelzen, und dann einen langen Tunnel unter der Kappe, bis das Eis darüber dreihundert Meter dick war. Dort hinten fingen sie an, eine neue runde Kaverne mit Kuppel zu sublimieren und ein seichtes Bett für einen neuen Teich. Das meiste CC›2-Gas wurde eingefangen, auf Außentemperatur abgekühlt und freigesetzt. Der Rest wurde in Sauerstoff und Kohlenstoff zerlegt und für den Gebrauch aufgehoben.

Während die Aushöhlung lief, gruben sie die flachen Seitenwurzeln der großen Schneebambusse aus, hebelten sie aus dem Boden und schleppten sie auf ihrem größten Lastwagen durch den Tunnel in die neue Höhle, wobei unterwegs Blätter abgerissen wurden. Sie demontierten die Gebäude des Dorfes und bauten sie wieder auf. Die robotischen Bulldozer und Laster waren Tag und Nacht rund um die Uhr in Betrieb. Sie schöpften den abgenutzten Sand von den alten Dünen und fuhren ihn in die neue Höhle. Er enthielt zu viel Biomasse (einschließlich Simon), als daß man ihn zurücklassen könnte. Sie nahmen praktisch alles in der Schale mit. Als sie fertig waren, war die alte Höhle nur noch eine leere Blase auf dem Boden der Polkappe. Sandiges Eis oben, eisiger Sand unten. Die Luft darin war nur die Marsatmosphäre der Umgebung, 170 Millibar von zumeist Kohlendioxidgas bei 240 Kelvin. Ein dünnes Gift.

Eines Tages ging Nirgal mit Peter zurück, um einen Blick auf die alte Stelle zu werfen. Es war schockierend, das einzige Heim, das er jemals hatte, zu einer solchen Hülse reduziert zu sehen. Das ganze Eis oben zerbrochen, der ganze Sand zerwühlt, die kahlen Wurzellöcher des Dorfes wie schlimme Wunden gähnend, der Teichboden sogar von seinen Algen entblößt. Es sah klein und klapperig aus wie der Bau eines verzweifelten Tieres. Maulwürfe in einem Loch, die sich vor den Geiern verstecken, hatte Cojote gesagt. »Laß uns von hier weggehen!« sagte Peter traurig; und sie gingen zusammen durch den langen, kahlen und kaum erleuchteten Tunnel zum neuen Heim. Sie marschierten auf der Betonstraße, die Nadia gebaut hatte, und die jetzt von Fahrspuren zerpflügt war.