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»Was?«

»In die Luft gejagt. Sie hatten Löcher gebohrt und Ladungen angebracht als Drohung. Und beim Kampf haben sie die gezündet. Das ist alles, was sie gesagt haben.«

»O mein Gott!« Sie ging mit wild klopfendem Herzen zum nächsten Schirm. Es war drei Uhr morgens. »Gibt es eine Chance, daß Eis die Lücke verstopfen und als Damm dienen wird?«

Sax blinzelte. »Das glaube ich nicht. Hängt davon ab, wie groß die Lücke ist.«

»Können wir mit Gegensprengungen die Lücke schließen?«

»Das glaube ich nicht. Schau, hier gibt es Videos, die einige Rote südlich des Lochs vom Deich gesendet haben.« Er zeigte auf einen Schirm, der ein Infrarotbild sendete mit Schwarz zur Linken und Dunkelgrün zur Rechten und einem waldgrünen Erguß in der Mitte. »Da in der Mitte, das ist die Explosionszone, wärmer als der Regolith. Die Sprengung ist anscheinend dicht bei einem Bereich von flüssigem Wasser angesetzt worden. Oder es war eine Explosion, die so angebracht war, daß sie das Eis hinter dem Bruch verflüssigte. Jedenfalls kommt eine Menge Wasser hindurch. Und das wird die Lücke erweitern. Nein, wir haben echt ein Problem.«

»Sax!« rief sie und hielt sich an seiner Schulter fest, während sie auf den Schirm sah. »Die Leute in Burroughs, was sollen die machen? Verdammt, was könnte Ann wohl denken?«

»Vielleicht ist Ann es gar nicht gewesen.«

»Ann oder irgendeiner von den Roten!«

»Sie wurden angegriffen. Es hätte ein Unfall gewesen sein können. Oder jemand auf dem Deich muß gedacht haben, daß man sie zwingen wollte, von den Sprengstoffen wegzugehen. In diesem Fall ging es um alles oder nichts.« Er schüttelte den Kopf. »So etwas ist immer schlimm.«

»Verdammt! Verdammt! Verdammt!«Nadia schüttelte heftig den Kopf, um ihn frei zu machen. »Wir müssen etwas unternehmen.« Sie dachte scharf nach. »Sind die Gipfel der Mesas hoch genug, um über der Flut zu bleiben?«

»Für einige Zeit schon. Aber Burroughs ist ungefähr die niedrigste Stelle in dieser Depression. Darum wurde es dort angelegt. Weil die Seiten der Wanne ihm lange Horizonte bescherten. Nein. Auch die Mesagipfel werden überflutet werden. Ich bin nicht sicher, wie lange das dauern wird, weil ich nicht die genaue Strömungsstärke kenne. Aber wir wollen einmal sehen. Das zu füllende Volumen beträgt ungefähr…« Er tippte wild darauf los; aber seine Augen blieben ausdruckslos. Nadia erkannte plötzlich, daß ein anderer Teil seines Gehirns die Berechnung schneller schaffte als die KI, eine gestalthafte Visualisierung der Situation. Sax starrte in die Unendlichkeit und wackelte wie ein Blinder mit dem Kopf vorwärts und rückwärts. Ehe er mit dem Tippen fertig war, flüsterte er: »Es könnte recht schnell sein. Wenn die geschmolzene Wassermasse groß genug ist.«

»Damit müssen wir rechnen.«

Er nickte.

Da saßen sie nun nebeneinander und starrten auf Saxens Computer.

Sax sagte zögernd: »Als ich in Da Vinci arbeitete, versuchte ich, mir die möglichen Szenarien vorzustellen. Die Gestalten kommender Dinge, verstehst du? Und ich machte mir Sorgen, daß so etwas passieren könnte. Zerbrochene Kuppeln. Überschwemmte Städte. So stellte ich mir das vor. Oder Feuersbrünste.«

»Und?« fragte Nadia und sah ihn an.

»Ich dachte an ein Experiment, einen Plan.«

»Erzähle!«

Aber Sax las etwas, das wie ein aktueller Wetterbericht aussah, der gerade über den Bildern erschienen war, die über den Schirm liefen. Nadia wartete geduldig ab; und als er wieder von seinem Computer aufschaute, sagte sie: »Na und?«

»Das gibt es eine Hochdruckzelle, die von Xanthe aus durch Syrtis herunterkommt. Sie sollte heute hier sein. Oder morgen. Auf Isidis Planitia wird der Druck um dreihundertvierzig Millibar liegen, mit rund fünfundvierzig Prozent Stickstoff, vierzig Prozent Sauerstoff und fünfzehn Prozent Kohlendioxid … «

»Sax, das Wetter interessiert mich nicht!«

»Es ist atembar«, sagte er und sah mit jener reptilienhaften Miene aus wie eine Eidechse oder ein Drache oder eine kalte nachmenschliche Kreatur, die im Vakuum leben kann. »Fast atembar. Wenn man das CO2 ausfiltert. Und das können wir machen. Wir haben in Da Vinci Gesichtsmasken hergestellt. Die sind aus einer Zirkoniumlegierung angefertigt. Das ist einfach. Moleküle von Kohlendioxid sind größer als die von Sauerstoff oder Stickstoff. Darum haben wir Molekülsiebfilter gemacht. Das ist auch ein aktives Filter mit einer piezoelektrischen Schicht, bei der eine elektrische Ladung entsteht, wenn das Material beim Ein- und Ausatmen gebogen wird, wodurch ein aktiver Sauerstoffaustausch durch das Filter mit Energie versorgt wird.«

»Wie ist es mit Staub?« fragte Nadia.

»Es handelt sich um einen nach Größe gestaffelten Filtersatz. Erst hält er Staub fest, dann Grus, dann CO2.« Er sah zu Nadia auf. »Ich dachte, es könnten Leute, die eine Stadt verlassen müssen… Darum haben wir eine halbe Million davon hergestellt. Die Maske wird angeschnallt. Die Ränder sind aus klebrigern Polymer und haften auf der Haut. Dann atmet man die freie Luft. Ganz einfach.«

»Also evakuieren wir Burroughs.«

»Ich sehe keine Alternative. Wir können nicht so viele Menschen mit der Bahn oder auf dem Luftweg schnell genug hinausschaffen. Aber sie können gehen.«

»Aber wohin gehen?«

»Zum Libya-Bahnhof.«

»Sax, das sind von Burroughs aus etwa siebzig Kilometer, nicht wahr?«

»Dreiundsiebzig Kilometer.«

»Das ist zu Fuß ein höllisch weiter Weg!«

»Ich denke, die meisten Leute könnten es schaffen, wenn sie es müßten«, sagte er ruhig. »Und die, welche nicht von Rovern oder Luftschiffen aufgenommen werden können. Wenn die Leute dann den Bahnhof von Libya erreicht haben, können sie mit dem Zug weiterkommen. Oder mit Luftschiffen. Und der Bahnhof faßt vielleicht zwanzigtausend auf einmal. Wenn man sie hineinstopft.«

Nadia dachte darüber nach und sah auf Saxens ausdrucksloses Gesicht. »Wo sind diese Masken?«

»Sie sind noch in Da Vinci. Aber sie sind schon in schnellen Flugzeugen verstaut. Wir könnten sie in ein paar Stunden hier haben.«

»Bist du sicher, daß sie funktionieren?«

Sax nickte. »Wir haben sie ausprobiert. Und ich habe ein paar mitgebracht. Ich kann sie dir zeigen.« Er stand auf und holte aus seiner Reisetasche einen Stapel weißer Gesichtsmasken. Eine gab er Nadia. Das war eine Maske für Mund und Nase und sah einer üblichen Staubmaske, wie sie bei Bauarbeiten benutzt werden, sehr ähnlich. Sie war nur dicker und hatte einen Rand, der sich klebrig anfühlte.

Nadia sah sie sich an, legte sie sich über den Kopf und zog das Kinnband fest. Sie konnte dadurch so leicht atmen wie durch eine Staubmaske. Überhaupt kein Gefühl von Behinderung. Die Dichtung schien gut zu sein.

Sie sagte: »Ich werde sie draußen ausprobieren.«

Zuerst gab Sax nach Da Vinci Anweisung, die Masken herzuschicken, und dann gingen sie zur Fluchtschleuse hinunter. Der Plan und der Versuch hatten sich schnell herumgesprochen, und alle Masken, die Sax mitgebracht hatte, waren schnell vergriffen. Zusammen mit Nadia und Sax gingen ungefähr zehn andere Personen nach draußen, einschließlich Zeyk und Nazik und Spencer Jackson, der etwa eine Stunde vorher von Du Martheray angekommen war.

Sie alle trugen Schutzanzüge für die Oberfläche der jetzt gebräuchlichen Art. Das waren Einteiler aus mehrschichtigem isoliertem Stoff mit Heizfäden, aber ganz ohne das frühere zusammendrückende Material, das man in den Jahren geringen Drucks gebraucht hatte. Nadia sagte zu den anderen: »Versucht, die Heizung eurer Anzüge abzustellen! Auf diese Weise können wir sehen, wie sich die Kälte anfühlt, wenn man nur Stadtkleidung trägt.«