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Als sie fertig waren, krabbelten sie hoch, um über den Kamm der Düne zu blicken und sich zu vergewissern, daß niemand auf sie zukam. Dann kehrten sie in ihr Nest zurück und zogen sich wieder an wegen der Wärme. Sie kuschelten sich aneinander und küßten sich gierig ohne Eile. Und Jackie stieß ihn mit einem Finger an die Brust und sagte: »Jetzt gehören wir einander.«

Nirgal konnte nur glücklich nicken und küßte ihren Hals, das Gesicht in ihrem schwarzen Haar vergraben. »Jetzt gehörst du mir«, sagte sie.

Er hoffte aufrichtig, daß das wahr wäre. Es war so, wie er es sich gewünscht hatte, so weit er sich zurückerinnern konnte.

Aber an diesem Abend planschte Jackie im Badehaus durch das Becken, holte Harmakhis ein und drückte ihn fest an sich. Dann rückte sie etwas ab und starrte Nirgal mit einer leeren Miene an. Ihre dunklen Augen waren in ihrem Gesicht wie Löcher. Nirgal saß erstarrt im seichten Wasser und führte, wie sich sein Körper versteifte wie in Erwartung eines Schlages. Seine Hoden waren noch wund davon, daß er sich in sie ergossen hatte; und da stand sie an Harmakhis geschmiegt wie seit Monaten nicht und starrte ihn an wie ein Basilisk.

Ihn überkam eine ganz erstaunliche Regung. Er erkannte, daß dies ein Augenblick war, an den er sich sein ganzes Leben lang erinnern würde, ein entscheidender Wendepunkt, direkt hier in dem dampfenden behaglichen Bad unter dem Adlerblick der statuenhaften Maya, gegen welche Jackie einen feinen Haß hegte und die jetzt die drei scharf beobachtete, da sie etwas argwöhnte. So war das nun also. Jackie und Nirgal könnten einander gehören, und er gehörte sicher zu ihr — aber ihr Begriff von Zugehören war nicht der seine. Der Schock davon benahm ihm den Atem. Es war, als ob das Dach seines Verständnisses der Dinge zusammengebrochen wäre. Er sah sie an, verblüfft, verletzt, allmählich wütend. Sie schmuste mit Harmakhis nur um so mehr. Und er begriff. Sie hatte alle beide einkassiert! Ja, das ergab Sinn, es war sicher. Und Reull und Steve und Frantz waren ihr alle gleichermaßen ergeben. Vielleicht war das nur ein Überbleibsel ihrer Herrschaft über die kleine Gruppe, vielleicht auch nicht. Vielleicht hatte sie alle vereinnahmt. Und da Nirgal jetzt für sie ein Außenseiter war, fühlte sie sich mit Harmakhis wohler. Also war er ein Verbannter in seinem eigenen Heim und im Herzen seiner Liebe. Falls sie ein Herz hätte!

Er wußte nicht, ob irgendwelche dieser Eindrücke richtig waren, und wußte nicht, wie er das herausfinden könnte. Er war sich auch nicht sicher, ob er es überhaupt herausfinden wollte. Er stieg aus dem Bad und ging in die Herrentoilette mit dem Gefühl, daß Jackies Blick sich ihm in den Rücken bohrte und der von Maya auch.

In der Toilette erblickte er in einem Spiegel ein unvertrautes Gesicht. Er hielt an und erkannte es als sein eigenes, verzerrt durch Kummer.

Er näherte sich langsam dem Spiegel und empfand wieder die seltsame Erregung, daß sich etwas momentan durch ihn hinzog. Er starrte in das Gesicht im Spiegel und erkannte, daß er nicht das Zentrum des Universums war oder dessen einziges Bewußtsein, sondern eine Person wie alle anderen, die von anderen von außen gesehen werden, so wie er andere sah, wenn er sie anschaute. Und dieser fremdartige Nirgal im Spiegel war ein eindrucksvoller schwarzhaariger Junge mit braunen Augen, stark und unwiderstehlich, fast ein Zwilling von Jackie, mit starken schwarzen Augenbrauen und einem… einem Blick! Er wollte von alledem nichts wissen. Aber er fühlte die Kraft in seinen Fingerspitzen brennen und merkte, wie die Menschen ihn ansahen. Er begriff, daß er für Jackie eine gefährliche Macht der gleichen Art darstellen könnte, wie sie für ihn. Das würde ihre Verbindung mit Harmakhis als einen Versuch erklären, ihn fernzuhalten, ein Gleichgewicht zu wahren, ihre Macht zu bestätigen — zu zeigen, daß sie ein verbundenes Paar waren — und Rivalen. Und ganz plötzlich verließ die Spannung seine Brust, und er erbebte. Dann grinste er schief. Sie gehörten wirklich einander. Aber er war immer noch er selbst.

Als also Cojote aufkreuzte und Nirgal bat, ihn auf einer neuen Fahrt zu begleiten, stimmte er sofort zu, sehr dankbar für diese Gelegenheit. Der Anflug von Ärger auf Jackies Gesicht, als sie die Nachricht hörte, war schmerzlich zu sehen. Aber ein anderer Teil von ihm jubelte über sein Anderssein, über seine Fähigkeit, ihr zu entrinnen oder zumindest einige Distanz zu bekommen. Rivalen oder nicht — er brauchte das.

Ein paar Abende später fuhren er und Cojote mit Peter und Michel von der riesigen Masse der Polkappe fort in das zerwühlte Land, schwarz unter seiner Decke von Sternen.

Nirgal blickte zurück auf die helle weiße Klippe mit einer wilden Mischung aus Gefühlen. Aber Erleichterung dominierte. Da hinten würden sie immer tiefer unter das Eis bohren, bis sie in einer Kuppel unter dem Südpol lebten. Indessen wirbelte die rote Welt wild durch den Kosmos, unter den Sternen. Plötzlich verstand er, daß er nie wieder unter der Kuppel leben würde und nie zurückkehren, außer für kurze Besuche. Das war keine Sache der Wahl, sondern einfach die Art, wie es geschehen würde. Sein Schicksal oder seine Bestimmung. Er fühlte es wie einen roten Stein in der Hand. Von nun an würde er heimatlos sein, sofern nicht eines Tages der ganze Planet sein Heim werden würde. Jeder Krater und jede Schlucht ihm vertraut, jede Pflanze, jeder Stein, jede Person — alles in der grünen Welt und in der weißen. Aber das (eingedenk des Sturms, den er vom Rande der Promethei Rupes gesehen hatte) war ein Unterfangen, das viele Leben beschäftigen würde. Er mußte anfangen zu lernen.

ZWEITER TEIL

Der Gesandte

Asteroiden mit elliptischen Bahnen, die die Marsbahn kreuzen, rechnet man der Amor-Gruppe zu. Kommen sie der Sonne gar näher als die Erde, spricht man von einer ApolloGruppe. Im Jahre 2088 kreuzte der als 2034 B bekannte Asteroid die Marsbahn etwa achtzehn Millionen Kilometer hinter dem Planeten; und bald danach dockte eine Gruppe robotischer Landevehikel vom Erdmond Luna kommend auf ihm an. 2034 B war eine rohe Kugel von etwa fünf Kilometern Durchmesser mit einer Masse von ungefähr fünfzehn Milliarden Tonnen. Als die Raketen dort landeten, wurde er New Clarke genannt.

Schnell wurde eine Veränderung deutlich. Einige Vehikel senkten sich auf die staubige Oberfläche des Asteroiden und fingen an zu bohren, auszuheben, zu stampfen, zu sortieren und zu befördern. Ein Kernkraftwerk kam hinzu, Brennstäbe wurden in Stellung gebracht. An einer anderen Stelle wurden Öfen angeheizt und robotische Heizer zum Schaufeln eingeschaltet. Auf anderen Landern öffneten sich Frachtbuchten, aus denen Roboter auf die Oberfläche stelzten und sich an den unregelmäßigen Steinflächen verankerten. Tunnelbohrer drangen ein. Staub flog um den Asteroiden herum in den Weltraum, fiel zurück oder entwich für immer. Lander steckten Rohre zusammen. Das Gestein des Asteroiden war kohlenstoffhaltiger Chondrit, mit einem guten Anteil an Wasser-Eis in Adern und Blasen durchsetzt. Bald begann die kombinierte Kette von Fabriken in den Landern mannigfache Materialien auf Kohlenstoffbasis und etliche Verbindungen zu produzieren. Schweres Wasser, das zu einem Sechstausendstel im Wasser-Eis des Asteroiden enthalten war, wurde ausgesondert. Aus ihm wurde Deuterium hergestellt. Aus den Karbonverbindungen wurden Teile angefertigt; und andere Teile, die mit einem anderen Frachter herbeigeschafft worden waren, wurden mit den neu in den Fabriken hergestellten zusammengefügt. Es erschienen neue Roboter, die größtenteils aus dem Material von Clarke angefertigt worden waren. Und so wuchs die Anzahl der Maschinen, während Computer in den Landern die Schaffung eines ganzen Industriekomplexes leiteten.