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Sie verständigte sich mit knappen Gesten mit Skudder und begann mit kräftigen Kraulbewegungen auf das Ufer loszuschwimmen.

Der Weg war weiter, als sie im ersten Moment geglaubt hatte. Es waren nur einige hundert Meter, aber sie war völlig erschöpft, und in ihrem gemarterten Körper waren einfach keine Kraftreserven mehr, die sie noch anzapfen konnte. Vielleicht hätte sie es gar nicht geschafft, wäre nicht plötzlich (was sonst?) Leßter neben ihr erschienen und hätte sie gestützt. Trotzdem war sie so erschöpft, daß sie sich am Rande einer Bewußtlosigkeit bewegte, als sie endlich das Ufer erreichten und unter ihren Füßen wieder fester Boden war. Keuchend richtete sie sich auf, watete die letzten Meter durch das Wasser und fiel zu Boden, noch ehe sie das Ufer völlig erreicht hatte. Leßter griff unter ihre Schultern und zerrte sie ganz auf die gemauerte Uferbefestigung hinauf, und sie registrierte nur noch wie durch einen immer dichter werdenden grauen Nebel, wie Skudder dicht neben ihnen auf Händen und Knien ans Ufer kroch und dann ebenfalls zusammenbrach.

Aber sie konnten sich keine Bewußtlosigkeit leisten; nicht einmal die allerkleinste Atempause.

»Wir müssen weg hier«, sagte Leßter. Seine Stimme klang gehetzt, und zum allerersten Mal glaube Charity so etwas wie Angst darin zu hören. »Sie haben uns gesehen. Sie werden garantiert nach uns suchen!«

Mühsam wälzte sie sich herum und versuchte, sich in die Höhe zu stemmen, aber ihre Kräfte reichten nicht mehr. Sie fiel zurück und schlug sich abermals das Gesicht auf.

Eine Hand berührte sie an der Schulter, und plötzlich spürte sie wieder jenen Strom prickelnder, unsichtbarer Energie, der ihren Körper durchflutete und ihr neue Kraft gab. Er war längst nicht mehr so mächtig wie vorhin in der Zentrale des Läufers, aber immer noch stark genug, die Wand der Bewußtlosigkeit zu durchbrechen und ihr die Energie zu geben, sich in die Höhe zu stemmen und aus eigener Kraft stehenzubleiben.

Als sie sich zu Leßter herumdrehte, sah sie, wie er sich zu Skudder herabbeugte und dasselbe mit ihm tat. Aber er zitterte, und sein Gesicht war grau vor Erschöpfung.

Es war absurd - aber der Gedanke, daß sich selbst die Kräfte dieses unheimlichen Mannes allmählich dem Ende zuneigten, erleichterte sie in diesem Moment beinahe. Und plötzlich wußte sie auch, woran Leßter sie erinnerte - oder glaubte zumindest, es zu wissen. Aber der Gedanke war einfach zu absurd, um ihn weiterzuverfolgen. Sie schob ihn von sich, sah sich sichernd nach allen Seiten um und wandte sich nach Süden, um zu dem Läufer hinüberzusehen.

Der Anblick ließ sie schaudern. Die riesige Maschine brannte. Aus Dutzenden von großen, ausgezackten Löchern schlugen Flammen oder ergossen sich Ströme von geschmolzenem Metall wie Lava. Schwarze, fettige Qualmwolken stiegen aus seinem offenstehenden Rückenpanzer, und eine Spur brennender, rotglühender Trümmerstücke markierte den Weg, den er gekommen war. Eines seiner riesigen Beine war abgebrochen, so daß sein Gehen zu einem torkelnden Hin und Her geworden war, und noch immer überschütteten die Gleiter und die Bodenfahrzeuge die gigantische Maschine mit Lasersalven und ganzen Schwärmen kleiner Raketengeschosse, die beim Aufprall explodierten und weitere Löcher in seine Panzerhaut rissen.

Aber er marschierte weiter. Jeder Schritt brachte ihn hundert Meter weiter an den Hudson River heran, jede taumelnde Bewegung der Stadt und ihren verwundbaren Wolkenkratzer näher. Charity fragte sich entsetzt, was geschehen würde, wenn dieser Maschinenkoloß in die Häuserfront hineinrannte.

Die Moroni fragten sich offensichtlich dasselbe, denn sie konzentrierten ihr Feuer jetzt ganz auf die riesigen Stahlbeine des Läufers. Ein zweites Bein glühte auf und zerbrach unter dem Gewicht von hunderttausend Tonnen Stahl, und eine weitere Folge schwerer Explosionen erschütterte die wandernde Fabrik. Flammen und Rauch hüllten den Koloß ein, und rotglühendes Metall lief wie brennendes Blut an seinem Leib herab. Aber er stampfte weiter, wie eine bizarre Karikatur eines Apokalyptischen Reiters, selbst schon tot, aber unentwegt Tod und Vernichtung verbreitend und unaufhaltsam. Noch zwei oder drei Schritte, und er mußte die Brücke und den Fluß erreicht haben, der für ihn kein nennenswertes Hindernis darstellte.

Eine Berührung an der Schulter riß Charity in die Wirklichkeit zurück. Es war Leßter. Er deutete heftig gestikulierend auf einen Punkt hinter ihr. »Sie kommen!« rief er.

Charity fuhr herum und gewahrte tatsächlich eine Anzahl schwarzer, spinnengliedriger Gestalten, die mit abgehackten, eckigen Bewegungen auf sie zurannten. Sie wollte nach ihrer Waffe greifen, aber Leßter schüttelte den Kopf und versetzte ihr einen sanften Stoß, der sie vorwärtstaumeln ließ.

Hinter ihnen erscholl ein schriller Pfiff, dann stieß ein Lichtblitz in ihre Richtung, verfehlte sie aber und explodierte harmlos weit entfernt am Boden. Ein zweiter Energiestrahl verfehlte sie noch weiter, und bevor die Moroni Gelegenheit fanden, sich einzuschießen, hatten sie eines der heruntergekommenen Gebäude am Flußufer erreicht und waren für Sekunden in Sicherheit.

Charity sah sich wild um. Sie befanden sich in einer alten Lagerhalle, deren Dach zum Teil eingestürzt war, so daß das rostige Metallgerippe und darüber der strahlendblaue Sommerhimmel sichtbar wurden. Die linke Seite der Halle war leer und nur von einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckt, in der rechten stapelten sich seit fünfzig Jahren vergessene Kisten und Ballen. Es roch nach Fäulnis und Alter.

Instinktiv wollte sie auf diesen Teil der Halle zulaufen, um in dem Durcheinander aus Kisten und Packstücken Deckung zu suchen, aber wieder riß sie Leßter herum und lief mit weit ausgreifenden Schritten auf die gegenüberliegende Wand zu.

Als sie sie erreichten, stürmten die ersten Moroni durch das Tor und eröffneten das Feuer, und eine halbe Sekunde später war Charity sehr froh, nicht ihrem ersten Impuls gefolgt zu sein, denn die uralten Holzkisten fingen mit einem einzigen gewaltigen Schlag Feuer; binnen weniger Sekunden verwandelte sich die rechte Seite der riesigen Halle in einen lodernden Scheiterhaufen, als die Flammen rasend schnell um sich griffen.

Sie rannten durch eine kleine Tür an der Rückseite des Gebäudes, waren für einen Moment wieder unter freiem Himmel und stürmten dann in eine weitere Lagerhalle hinein. Auch sie war alt und zum Teil zerstört, aber völlig ausgeräumt.

Offensichtlich hatten die Waren, die sie enthielt, das Interesse der Invasoren gefunden.

Hinter ihnen erscholl ein Chor schriller Pfiffe und Klicklaute, und plötzlich glühte ein Teil der Wand hinter Skudder dunkelrot auf, und eine intensive Hitzewelle streifte ihre Gesichter, als die Ameisen das Feuer auf das Gebäude eröffneten.

Sie liefen weiter, und sie fanden auch eine weitere Tür, durch die sie die Halle wieder verlassen konnten, aber die Moroni konnten einfach schneller laufen als ein Mensch. Die ersten Ameisenkrieger stürmten in die Halle, als sie noch zwanzig oder dreißig Schritte von der Tür entfernt waren, und plötzlich schössen rechts und links von ihnen weiß-glühende Geysire aus geschmolzenem Beton in die Höhe, als die Moroni das Feuer auf sie eröffneten.

Charity warf sich in einer verzweifelten Bewegung nach links, rollte über die Schulter ab und schoß, ohne lange zu zielen. Der Laserstrahl verfehlte die Ameise, auf die sie angelegt hatte, aber er traf die Tür hinter ihr, und die Insektenkreatur ging mit einem Schmerzlaut zu Boden, als ein Hagel geschmolzener Metalltropfen sie überschüttete. Auch Skudder und Leßter erwiderten das Feuer der Angreifer, und zumindest einer von ihnen schoß mit der Präzision einer Maschine - die grellen Lichtblitze zuckten genau im Abstand einer halben Sekunde nacheinander auf, und jeder einzelne traf sein Ziel. Von dem halben Dutzend Ameisen, das ihnen gefolgt war, überlebte keine einzige.