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»Ich weiß nicht, warum«, fuhr Charity fort. Sie war ein wenig enttäuscht, daß Gurk sich weiterhin in Schweigen hüllte, denn sie spürte genau, daß der Gnom etwas wußte. Etwas von großer Wichtigkeit. Sie lachte bitter. »Es wäre fast komisch, wenn es nicht so grausam wäre - wir waren nahe daran, aufzugeben.«

»Du und aufgeben?« Gurk grinste. »Entschuldige, aber diese beiden Worte passen irgendwie nicht zueinander.«

»Man sollte keinen Kampf kämpfen, den man nicht gewinnen kann«, antwortete Charity ernst. »Waren das nicht deine eigenen Worte? Ich bin nicht sicher, ob wir sie schlagen können, aber wir haben zumindest eine gute Chance, es zu versuchen. Aber wozu, wenn alles, was wir damit erreichen können, die Vernichtung dieses ganzen Sonnensystems ist?«

»Hat er dir das gesagt?« fragte Gurk lauernd.

»Das hast du mir gesagt«, sagte Charity betont. »Es sei denn, du hättest gelogen, als du mir die Geschichte deines Volkes erzählt hast.«

»Das habe ich nicht«, antwortete Gurk. »Aber es gab ein paar Dinge, die ich damals noch nicht wußte.«

»Es gibt diese Bombe«, fuhr Charity fort. »Und es gibt die eiserne Regel Morons, das, was es nicht haben kann, zu zerstören. Aber Stone hat uns gesagt, wie wir sie entschärfen können.«

»Und gleichzeitig den Transmitter am Nordpol ausschalten, so daß sie keinen Nachschub mehr bekommen«, vermutete Gurk.

»Ja. Das ist das kleinste Problem. In Hartmanns Basis liegen noch ein paar Spielzeuge aus unserer großen Vergangenheit herum, weißt du?« fügte sie sarkastisch hinzu.

»Nicht sehr viel, verglichen mit dem, was es einmal war, aber mehr als genug, um dieses Sternenschiff mitsamt dem Transmitter zurück in die Galaxis zu sprengen.«

»Das klingt beinahe zu einfach«, sagte Gurk.

»Genau dasselbe habe ich auch gedacht«, antwortete Charity. »Aber manchmal sind gerade die großen Dinge einfach. Davon abgesehen - es war nicht besonders leicht, hierher zu kommen.«

»Und wir sind noch nicht am Ziel«, fügte Skudder hinzu. »Ich bin auch nicht sehr sicher, daß wir es jemals erreichen.«

»Ich kann mich ja täuschen«, sagte Gurk, »aber ich finde, daß das hier nicht der richtige Weg zum Nordpol ist. Und auch nicht zur Sonne.«

»Es ist der Weg, den Stone mir beschrieben hat«, antwortete Charity. Sie deutete auf die beiden goldschimmernden Türme des World Trade Centers, die die Dächer der gegenüberliegenden Häuser überragten wie künstlich gemauerte Berge. »Dort drinnen befindet sich das Rechenzentrum der Moroni. Sozusagen ihr elektronisches Gehirn. Und ein Transmitter, der uns zum Satelliten bringt.«

»Humbug!« antwortete Gurk überzeugt. »Es gibt nur einen einzigen Transmitter, dessen Reichweite groß genug ist - und der steht in der Schwarzen Festung am Nordpol.«

»Stone hat versprochen, die Geräte so zu programmieren, daß wir direkt zu unserem Ziel gelangen«, antwortete Charity. »Du glaubst, er hätte uns belogen?«

Gurk druckste einige Sekunden lang herum. »Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Wie ich Stone kenne, würde ich eigentlich automatisch ja sagen. Aber wenn ich daran denke, wieviel Porzellan ihr auf dem Weg hierher zerschlagen habt, dann ergibt das keinen Sinn. Um euch in eine Falle zu locken, gäbe es einfachere Wege.«

»Vielleicht macht es ihm Spaß?« vermutete Skudder.

Gurk warf ihm einen schrägen Blick zu. »Was? Zuzusehen, wie ihr die halbe Stadt in Schutt und Asche legt, und seinen eigenen Hals zu riskieren, indem er mir zur Flucht verhilft?« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Er hat euch belogen, aber nur in einem Punkt.«

»Welchem?«

»Über den Grund eures Hierseins«, sagte Gurk. »Er hat nämlich nicht ganz plötzlich sein Gewissen entdeckt. Ich glaube nicht, daß er so etwas hat. Er hat schlicht und einfach Angst. Und mit Grund.«

Sowohl Charity als auch Skudder sahen den Zwerg plötzlich alarmiert an. Und Gurk konnte der Versuchung nicht widerstehen, eine übertrieben lange, dramatische Pause einzulegen und mit leicht erhobener Stimme fortzufahren.

»Ich hab' eine Menge gelernt in den letzten drei Monaten. Ich habe viel mit Stone gesprochen, und ich habe das eine oder andere aufgeschnappt. Was ich euch über das Schicksal meiner Heimatwelt erzählt habe, ist wahr. Aber in einem Punkt habe ich mich getäuscht - die Moroni installieren diese Sonnenbomben nicht, weil sie Angst vor Rebellen und Aufständen haben. Jedenfalls nicht so, wie ich bisher dachte.«

»Was soll das heißen?« fragte Skudder ungeduldig. »Mach es nicht so spannend!«

»Tu ich ja gar nicht«, antwortete Gurk beleidigt. »Du unterbrichst mich doch dauernd, oder?«

Skudder beugte sich vor und schüttelte drohend eine Faust vor Gurks Gesicht, die nicht sehr viel kleiner als dessen Kopf war. Gurk hob abwehrend die Hände und rutschte ein Stück weit tiefer in seinen Sitz hinein. »Schon gut, schon gut«, sagte er. »Dann eben die Kurzfassung. Sie haben Angst vor einem Aufstand, aber es sind ihre eigenen Kinder, die sie fürchten. Nicht Ihr.«

Skudders Gesichtsausdruck nach zu schließen, verstand er nun überhaupt nichts mehr. Aber Charity warf einen langen, nachdenklichen Blick auf den reglosen Leßter auf der Rückbank, und plötzlich mußte sie wieder an das denken, was sie in den Ruinen Kölns erlebt hatten. Da war etwas, ein Gefühl, fast schon so etwas wie Wissen, das die ganze Zeit über in ihr gewesen war, das sie aber noch nicht richtig greifen konnte.

»Die Armee Morons geht immer gleich vor«, begann Gurk. »Sie überrennen den Widerstand eines Planeten, indem sie einfach mehr und mehr Truppen heranschaffen, ganz egal, wie hoch ihre Verluste sind. Sie scheinen es sich leisten zu können - wenn Stone nicht schamlos übertrieben hat, dann müssen sie mittlerweile Zehntausende von Welten unterworfen haben. Was geschieht, ist immer dasselbe - dasselbe, was auch hier geschehen ist. Sie unterwerfen einen Planeten und versklaven die Überlebenden ihres Angriffs. Aber ich war bisher der Meinung, sie täten es nur aus bloßer Habgier. Um die eroberten Welten auszubeuten.«

»Und das ist nicht so?« fragte Skudder.

Gurk machte eine Bewegung, die wie eine komplizierte Mischung aus einem Nicken, einem Kopf schütteln und einem Achselzucken war. »Ja und nein«, antwortete er. »Einerseits natürlich schon. Sie beuten die Planeten aus, bis absolut nichts mehr zu holen ist. Moron hat einen ungeheuren Bedarf an Rohstoffen, Erz, Mineralien, spaltbarem Material, Edelmetallen ... Aber das ist nicht alles. Wahrscheinlich könnten sie das bequemer und vor allem mit sehr viel weniger Aufwand haben, wenn sie unbewohnte Planeten suchen und ausbeuten würden. Was sie brauchen, ist Lebensraum.«

Seine Worte überraschten Charity nicht besonders. Sie alle hatten gesehen, was die Invasoren mit der City des ehemaligen Paris getan hatten. Sie hatten nicht nur sich selbst und ihre Krieger und Waffen, sondern einen Teil ihrer gesamten Ökologie herbeigeschafft und begonnen, aus der Erde einen fremden, für Menschen fast unbewohnbaren Planeten zu machen. Und dies geschah nicht nur in Paris, sondern an Hunderten, vielleicht Tausenden von Orten überall auf der Welt. Es war ein mühsamer, langwieriger Prozeß, der sicher noch Jahrhunderte währen mochte, aber die Moroni waren ein Volk, das nicht in Meilen, sondern in Lichtjahren rechnete, nicht in Jahren, sondern in Jahrtausenden.

»Sie besiedeln die Planeten, die sie erobert haben«, fuhr Gurk fort. »Das Nest in Paris und das in Köln sind nicht die einzigen. Überall sind Ameisen-Königinnen dabei, die Kolonien zu vergrößern. Sie sind ein ungeheuer fruchtbares Volk. Und sie können nicht aufhören, sich zu vermehren. Das ist der wahre Grund für ihren Eroberungsfeldzug. Sie brauchen Lebensraum.«

»Das ist alles nicht besonders neu«, sagte Skudder, obwohl sein Gesichtsausdruck verriet, daß ihn das Gehörte bis ins Innerste erschütterte.

»Ich weiß«, antwortete Gurk. »Aber manchmal kommt es zu einer kleinen Panne. Manchmal gehen die Königinnen mit den Ureinwohnern einer eroberten Welt eine Art Symbiose ein. Meistens sind diese Verbindungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aber es kommt vor, daß sie doch funktionieren, und dann entsteht eine völlig neue Spezies.«