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»Hören Sie zu, Leßter«, begann sie unsicher. »Wir ... können nicht hierbleiben. Aber es ist möglich, daß wir...« Sie stockte. Es fiel ihr ungeheuer schwer, weiterzusprechen. Sie kam sich vor, als hätte sie plötzlich eine Waffe in der Hand, um Leßter damit zu töten. Und in gewissem Sinne war es ja auch so. »Es kann sein, daß wir Sie nicht mitnehmen können«, stieß sie schließlich hervor.

»Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Captain Laird«, antwortete Leßter. »Ich ... komme schon in Ordnung. Ich brauche nur noch einige Minuten Ruhe.«

Charity blickte auf das so harmlos aussehende, kleine Loch in seiner Brust hinab und schwieg. Die Verletzung kam ihr jetzt viel kleiner und ungefährlicher vor als noch vorhin, aber das mußte eine Täuschung sein. Leßter würde nirgendwo mehr hingehen, und er mußte das so gut wissen wie sie. Vermutlich versuchte er nur, es ihr leichter zu machen.

»Hören Sie zu, Leßter«, begann sie von neuem. »Wir...«

»Wir können keinen sterbenden Mann mitnehmen dorthin, wo wir hingehen«, unterbrach Skudder sie hart. »Es tut mir leid, aber Sie kannten das Risiko. Es hätte jeden von uns erwischen können.«

Charity wandte mit einem Ruck den Kopf und starrte Skudder so böse an, daß er betroffen zusammenfuhr und ihrem Blick auswich, aber Leßter lachte nur und sagte noch einmaclass="underline" »Ich komme schon wieder auf die Beine. Geben Sie mir nur ein paar Minuten.«

Charity schwieg. Plötzlich ertappte sie sich bei dem Gedanken, daß sie sich beinahe wünschte, Leßter würde sterben, hier und sofort, um ihr damit die entsetzliche Entscheidung zu ersparen, ihn zurückzulassen - oder einen sterbenden Mann mitzunehmen und damit vielleicht ihr aller Ende zu riskieren. Sie verdrängte den Gedanken, drehte sich wieder im Sitz herum und sah, wie auf dem verwirrenden Durcheinander von Instrumenten auf dem Pult vor Gurk eine gelbe Lampe zu blinken begann. Der Zwerg sagte nichts, beugte sich aber vor und startete mit einem Knopfdruck die Motoren des Fahrzeuges.

20

Stone hatte die beiden Sprengsätze so plaziert, daß er selbst Mühe hatte, sie zwischen den bizarr geformten Kanten und Linien des Speicherblocks wiederzufinden. Seine Hände zitterten leicht vor Aufregung, und er zögerte einen unmerklichen Moment, ehe er sich herumdrehte und mit gemessenen Schritten auf die Tür zuging. Aber er wußte, daß er sich gut genug in der Gewalt hatte, um nicht aufzufallen. Einem menschlichen Beobachter wäre vielleicht seine unnatürliche Blässe ebensowenig entgangen wie das Zittern seiner Hände und der wilde Blick seiner Augen, aber die Inspektoren waren keine menschlichen Beobachter, und was immer sie auch sein mochten - sie waren miserable Menschenkenner. Die Mimik eines Menschen zu deuten war für sie ebenso unmöglich wie umgekehrt für Stone, den Ausdruck auf den starren Horngesichtern dieser bizarren Wesen zu interpretieren.

In Gedanken ging er noch einmal alle Punkte seines Vorgehens durch, fand aber keinen Fehler mehr. Die beiden Sprengsätze würden im Bruchteil einer Sekunde, nachdem der Zwerg und seine Begleiter durch den Transmitter gegangen waren, explodieren und nicht nur diesen Raum, sondern die gesamte Etage und wahrscheinlich noch eines oder mehrere der darüberliegenden Stockwerke in Schutt und Asche legen. Bei allem Schaden, den Charity Laird und ihre Möchtegern-Revolutionäre bisher angerichtet hatten, würde es ihm leichtfallen, ihnen auch die Schuld an dieser Explosion zuzuschieben. Außerdem war es logisch, daß sie den Transmitter hinter sich sprengten, um eventuelle Verfolger aufzuhalten.

Trotzdem war es riskant.

Aber er hatte keine Wahl mehr. Die Geschichte, die er den Inspektoren erzählt hatte, ging so dicht an der Wahrheit vorbei, wie es gerade noch möglich gewesen war. Wenn Charity Laird und die anderen in dieses Gebäude eindrangen, dann würden sie von einer ganzen Hundertschaft ausgesuchter Elitekrieger erwartet werden. Stone hoffte inständig, daß es ihnen trotzdem gelang, den Transmitter zu erreichen und zu fliegen - aber er war sehr sicher, daß weder Gurk noch Captain Laird jemals vorgehabt hatten, in diesem Computerraum einzudringen und ihren Teil der Abmachung einzuhalten.

Er an ihrer Stelle hätte es jedenfalls nicht getan. Es war das alte Spiel des betrogenen Betrügers, und Stone amüsierte sich eine Weile bei dem Gedanken, daß er die Schraube nun um eine Drehung weiter angezogen hatte. Ganz egal, ob Charity Laird zu ihrem Wort stand oder nicht, die Speicherbänke mit den verräterischen Daten, die zwar überhaupt nichts mit der Koordination einer nicht vorhandenen Raumflotte zu tun hatten, wohl aber mit der nicht unwesentlichen Frage, ob er weiter lebte und Governor dieses Planeten blieb oder einen höchstwahrscheinlich weder besonders schnellen noch besonders angenehmen Tod starb, würden zerstört werden.

Stone hatte die Tür halb erreicht, als er noch einmal stehenblieb und sich herumdrehte.

Sein Blick glitt über die schimmernden Fronten der Speicherbank, blieb einen Moment auf den mit verwirrenden, fremdartigen Symbolen beschrifteten Kontrollinstrumenten haften. Es war ein unheimliches Gefühl. Dieser Computer war mehr als eine Datenbank. Es war mehr als ein Rechner, in dem Informationen gespeichert waren. Für ihn - und für wie viele sonst noch? - war es etwas wie ein Grab. Ein Teil seiner Persönlichkeit war dort drinnen, digitalisiert und eingesperrt in elektronische Gefängnisse, und er fühlte sich nackt und verwundbar bei dem Gedanken, daß jeder, der diese Maschine zu bedienen imstande war, sie abrufen und die geheimsten Geheimnisse seines Lebens lesen konnte.

Fast gegen seinen eigenen Willen ging er zu den Computern zurück und streckte die Hand aus. Er zögerte noch einmal. Eine lautlose Stimme flüsterte ihm zu, daß es besser war, wenn er es nicht tat. Aber die Verlockung war zu groß. Er mußte wissen, was in diesem Rechner gespeichert war. Er mußte wissen, was sie über ihn wußten - und er mußte wissen, wer er selbst war. Vielleicht würde er nach einem Blick in die Geheimnisse dieses Computers der einzige Mensch auf diesem Planeten sein, der sich selbst wirklich kannte.

Es war ein prickelndes, erregendes Gefühl. Seine eigenen Gedanken zu lesen. Dinge zu sehen, die sein eigenes Bewußtsein vor ihm selbst bisher geheimgehalten hatte, sein ganzes Leben von der ersten Sekunde an wie ein aufgeschlagenes Buch vor sich zu haben...

Stone schaltete den Computer ein, wartete, bis auf dem Monitor die grünen Leuchtbuchstaben aufglommen, und tippte mit zitternden Fingern seinen eigenen Namen in die Tastatur.

Er war sehr überrascht, als etwas wie ein kompliziertes, aber durchschaubares Schaltbild auf dem Monitor erschien. Er hatte damit gerechnet, daß die Daten verschlüsselt waren, zumindest gesichert, so daß nicht jeder sie abrufen konnte - aber nichts davon war der Fall.

Er konzentrierte sich einen Moment lang auf das Schema auf dem Bildschirm, bis er es begriffen hatte, dann begannen seine Finger wieder über die Tasten zu huschen, und der Monitor füllte sich mit Zahlen und Buchstaben.

Fast fünf Minuten lang stand Stone reglos da und blickte mit immer größer werdender Verwirrung auf was, was sich vor ihm auf dem Monitor darbot. Es war eine Unmenge an Informationen - sein Name, sein Rang, Alter, Größe, eine akribische Beschreibung seines Körper, seine Art zu gehen, sich zu bewegen, zu sprechen und zu reagieren. Es war sicherlich die umfangreichste und detaillierteste Akte über einen Menschen, die Stone jemals gesehen hatte.

Aber mehr auch nicht.

Wo waren all die verborgenen Geheimnisse seines Lebens? Wo waren all seine Erinnerungen, die Summe von Informationen, die erst den wirklichen Menschen ausmachte? Was in diesem Computer gespeichert war, das war die detaillierteste Personalakte, die jemals angelegt worden war, aber da war nichts von seinen verborgenen Wünschen und Gedanken, nichts von seinen Geheimnissen - und nichts von dem Verrat, den er begangen hatte.