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Und das war es auch nicht.

Sie gingen bis zum Ende des Korridors, bogen nach rechts ab - und Charity riß erschrocken ihre Waffe in die Höhe, als sie sah, daß der Gang vor ihnen voller Krieger war. Sie führte die Bewegung nicht zu Ende. Es war aussichtslos. Vor ihnen standen gut dreißig oder vierzig Insektenkrieger, und die meisten von ihnen zielten mit gleich zwei oder drei Waffen auf sie und die anderen. Und noch bevor sie herumfuhr, wußte sie, welcher Anblick sie erwarten würde - hinter ihnen hatten sich lautlos die Türen rechts und links des Korridors geöffnet, und eine zweite, ebenso große Anzahl von Ameisen rührten sich nicht, aber Charitys Bewegung schien eine jener Geste von universeller Bedeutung zu sein, denn sie eröffneten auch nicht das Feuer. Statt dessen teilte sich die stumm dastehende Reihe nach einigen Sekunden und gab den Weg zu einer Tür am anderen Ende des Korridors frei. Auch die Bedeutung dieser Bewegung war eindeutig.

Charitys Gedanken drehten sich wild im Kreis. Trotz allem weigerte sich etwas in ihr zu glauben, daß Gurk recht hatte. Es ergab einfach keinen Sinn, sie so weit kommen - und so viel Schaden anrichten! - zu lassen, nur um eines billiges Triumphes wegen. Hätte Stone ihnen eine Falle stellen wollen, hätte er das auf dem Weg hierher zehnmal bequemer und ungefährdeter tun können.

Die Tür am Ende des Korridors öffnete sich, und sie traten hindurch, begleitet von vier schweigenden Insektenkriegern, deren Waffen drohend auf ihre Rücken gerichtet waren.

Der Raum war sehr groß und vollkommen leer bis auf einen drei Meter durchmessenden, silberfarbenen Metallring, der schwerelos einen halben Meter über dem Boden schwebte. Und Daniel Stone und drei weitere Moroni.

Eines der Insektenwesen war eine ganz normale Ameise, wie sie sie alle kannten, die beiden anderen unterschieden sich sowohl in Größe als auch in ihrer Farbe von diesen. Sie wirkten schlanker, irgendwie zerbrechlich, und sie waren ein gutes Stück größer als die normalen Krieger und Arbeiterinnen. Ihr Hornpanzer war noch strahlend weißer, beinahe leuchtender Farbe, und in den Augen der beiden Albinoriesen glomm eine beunruhigende Intelligenz.

Charity trat mit noch immer erhobenen Händen auf Stone zu und blieb stehen, als der Moroni neben ihm eine drohende Handbewegung machte. Sie versuchte vergeblich, Zorn zu empfinden. Alles, was sie spürte, war ein Gefühl tiefer Niedergeschlagenheit; das Wissen, endgültig verloren zu haben. Es tat weh, aber sie fühlte keinen Zorn.

»Schade, Stone«, sagte sie traurig. »Und ich hatte gerade angefangen, Ihnen zu trauen.«

Stone sah sie und die anderen auf eine schwer zu deutende Art an. Sein Gesicht war starr, fast verkrampft, und sie suchte vergebens nach Triumph oder Befriedigung in seinem Blick. Ganz im Gegenteil sah er aus wie ein Mann, der Angst hatte.

»Sie haben Ihr Wort gebrochen, Captain Laird«, sagte er leise. »Wir hatten eine Abmachung.«

»Hatten Sie jemals vor, sie zu halten?« fragte Charity.

»Das hatte ich«, antwortete Stone leise und sehr traurig. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.«

Eines der beiden riesigen Albinowesen neben ihm stieß einen mißtönenden Pfiff aus, und eine Sekunde später hörten sie eine monotone Computerstimme, die die Laute in für Menschen verständliche Worte übersetzte: »Schweigen Sie, Governor Stone.«

Stone fuhr wie unter einem Hieb zusammen und warf der Ameise einen nervösen Blick zu, sagte aber nichts mehr, und das Albinowesen wandte sich an Charity.

»Sie haben uns großen Schaden zugefügt, Captain Laird.«

»Leider nicht genug, wie ich sehe«, sagte Charity, aber der Moroni ignorierte ihre Worte.

»Sie und Ihre Begleiter werden sich dafür verantworten müssen«, fuhr er ungerührt fort.

Charity blickte ihn fast haßerfüllt an und wandte sich dann wieder an Stone, und erneut fiel ihr seine Nervosität auf, und die verkrampfte Haltung, in der er dastand. Der Mann, der vor ihnen stand, war kein Sieger.

»Sie haben recht, Captain Laird«, sagte Stone bitter, als er ihren Blick auffing. »Sie sind nicht die einzige, die verloren hat.«

»Ist das wieder eins deiner Spielchen?« fragte Gurk böse.

Stones Lächeln wurde noch bitterer und geriet fast zur Grimasse. »Ich wollte, es wäre so«, sagte er. »Aber das Spiel vom betrogenen Betrüger klappt leider nicht immer. Sie haben es gemerkt.«

»Pech für dich«, sagte Gurk. »Aber ich werde nicht behaupten, daß es mir leid tut. Ich mag einen alten Freund nicht belügen, weißt du?«

»Schweigen Sie!« befahl die Albinoameise wieder. Dann drehte sie sich herum, hob den Arm und berührte eine winzige Schalttafel, die auf halber Höhe in das silberne Metall des Transmitterringes eingelassen war. Das Bild der Rückwand des Zimmers, das bisher durch das Innere des metallenen Kreises sichtbar gewesen war, begann zu verschwimmen und machte dem wesenlosen Wallen und Wogen des zeitlosen Weges durch das Nichts Platz.

»Wohin bringen Sie uns?« fragte Charity.

»An einen Ort, den normalerweise kein lebender Mensch betritt«, sagte Stone. »Sie wollten doch immer wissen, wer die wirklichen Herren Morons sind, nicht wahr, Captain Laird?« Er lachte hart und ohne die mindeste Spur von Humor und deutete auf den Transmitter. »Sie werden sie kennenlernen.«

Neben so vielen anderen Irrtümern hatte Charity auch diesen längst eingesehen: daß nämlich der Weg durch das Nichts keineswegs zeitlos war. Der Bruchteil eines Atemzuges, in dem sie in New York in den Transmitter hinein und Tausende von Meilen entfernt am Nordpol aus einem gleichartigen Gerät wieder heraustrat, war vollkommen identisch, und doch verging dazwischen Zeit; genug Zeit, sie ihre Umgebung fühlen, sie begreifen zu lassen, daß sie sich in einem völlig anderen Kosmos aufhielt, einem Universum, in dem die Naturgesetze ihrer Schöpfung aufgehoben und vielleicht auf den Kopf gestellt waren, Zeit, die nach Gesetzen ablief, die die Grenzen ihres menschlichen Begreifens sprengten. Wie beim ersten Mal, als sie diese unheimliche Art des Reisens erlebt hatte, fühlte sie, wie etwas mit ihr geschah, ihr Körper vernichtet, bis hinab auf eine subatomare Ebene aufgelöst und zu bloßer Information gemacht wurde, keine Materie, sondern nur noch Wissen, aus dem die gleiche unbegreifliche Kraft, die ihn zerstört hatte, etwas Neues, Identisches erschuf. Es war, als wären sie und die anderen für einen unendlich kurzen und doch endlosen Augenblick Teil eines gewaltigen, die gesamte Schöpfung umspannenden Etwas, der Urkraft des Seins, die jedem noch so winzigen Partikel des Universums innewohnte und jedes einzelne Teil so bedeutungslos und gleichzeitig wichtig machte wie die Gesamtheit seiner Summen. Dann spürte sie, wie ihr Körper wieder materialisierte und...

... stolperte ungeschickt einen halben Schritt aus dem Transmitterring heraus, ehe unmenschlich starke Arme sie packten und auffingen. Hinter ihr wankten Skudder, Gurk, Leßter und schließlich Stone und auch die beiden Albinowesen aus dem Empfangsgerät, und die Blässe auf ihren Gesichtern verriet Charity, daß sie das gleiche erschütternde Erlebnis gehabt hatten wie sie selbst.

Selbst Stone, der wahrscheinlich schon Tausende solcher Sprünge hinter sich hatte, wirkte verunsichert und ängstlich. Vielleicht war der Schritt durch das Nichts etwas, woran man sich nicht gewöhnen konnte, ganz egal, wie oft man es tat.

Charity löste ihren Blick von Stone und sah sich in der gewaltigen, von grauem Halbdunkel erfüllten Halle um, in der sie angekommen waren.

Sie erkannte sie sofort wieder, obwohl sich vieles hier verändert hatte. Aber das Grundmuster war gleichgeblieben: ein riesiger, kuppelartig gewölbter Dom aus porösem grauem Eisen, der zum allergrößten Teil nichts anderes als Leere enthielt. Weit entfernt, in dem unheimlichen, düsteren Licht nichts anderes als formlose graue Schatten, die Maschinen sein konnten, ebensosehr aber auch lauernde Ungeheuer, die sprungbereit dahockten und sie anstarrten, erkannte sie Umrisse wieder, die sie vor mehr als einem halben Jahrhundert das letzte Mal gesehen hatte.