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Es war nicht der große Transmitter, aus dem sie herausgetreten waren, sondern eines von zahllosen kleineren Geräten, die im Laufe der letzten Jahrzehnte dazugekommen waren - aber es war das Sternenschiff. Sie befanden sich am Nordpol. Im Inneren des riesigen Raumschiffes, das vor einem halben Jahrhundert hier gelandet war und das Tor zu den Sternen aufstieß, aus dem sich soviel Schrecken und Leid über die Erde ergießen sollte.

Sie waren nicht allein. Ein sechs- oder siebenfach gestaffelter, dichter Ring aus Kriegern umgab die meterhohe Plattform, über der der Empfangstransmitter schwebte, und etwas Großes, Formloses bewegte sich aus der Dunkelheit heraus auf sie zu, schien dabei aber auf sonderbare Weise keine Substanz zu gewinnen, sondern blieb ein verschwommener Schatten mit vage erkennbaren, unangenehmen Umrissen.

»Was ist das?« flüsterte Charity.

»Sie«, antwortete Stone. Seine Stimme zitterte. »Die Herren der Schwarzen Festung.«

Charity hatte Angst. Wie oft hatte sie sich gefragt, wie sie aussehen mochten, welche Wesen wirklich hinter diesem Angriff aus dem Weltall steckten, wer sie waren und warum sie taten, was sie taten. Aber plötzlich wollte sie es nicht mehr wissen. Plötzlich hatte sie nur noch Angst, Angst wie niemals zuvor in ihrem Leben, und sie wurde stärker mit jedem Meter, den das körperlose, graue Etwas näher glitt.

Sie begriff plötzlich einen weiteren grundlegenden Irrtum, der ihr und wahrscheinlich allen anderen Menschen auch unterlaufen war: das Unbehagen, das sie und ihre Begleiter damals beim ersten Mal, als sie dieses Schiff betraten, empfunden hatten, das Gefühl eigentlich nicht zu begründender Nervosität, das jeden Bewohner dieses Planeten in der Nähe eines Moroni oder ihrer Technik überkam, es hatte nichts mit den Ameisen zu tun. Die Wesen, die sich selbst Moroni nannten und doch in Wahrheit auch nichts anderes als Sklaven jener gesichtslosen Macht aus den dunklen Regionen des Kosmos waren, waren trotz allem Geschöpfe wie sie; Kinder der gleichen, vielleicht das gesamte Universum umspannenden Evolution, fremd, aber trotzdem lebendig.

Dieser zitternde Schatten war es nicht. Charity und auch alle anderen spürten plötzlich, daß dieses formlose Etwas aus einem anderen Universum kam. Nicht von einem anderen Planeten. Nicht aus dem Licht einer anderen Sonne. Nicht einmal aus einer anderen Milchstraße - seine Heimat waren die Dimensionen des Wahnsinns, ein Kosmos aus Schrecken und Furcht, der nichts, aber auch rein gar nichts mit dem Universum zu tun hatte, wie sie alle es kannten. Es war eine ungeheuerliche, unsagbar fremde Macht, und plötzlich begriff Charity auch, wie sinnlos es war, nach dem Warum seines Handelns zu fragen. Es gab keinen Grund. Dieses Wesen war dazu geschaffen, zu erobern, zu herrschen und zu zerstören, zu nichts anderem sonst.

Instinktiv wich sie einen Schritt zurück und blieb wieder stehen, als eine der beiden Albinoameisen drohend den Arm hob. Sie registrierte die Bewegung nur aus den Augenwinkeln. Es war ihr unmöglich, den Blick von diesem kriechenden, dunklen Etwas loszureißen, das sich dem Ring der Krieger näherte, größer und drohender wurde, aber noch immer keine wirkliche Substanz zu haben schien. Charity fragte sich, ob es etwas wie das absolut Böse an sich gab, und ob man es sehen konnte. Wenn die Antwort auf diese beiden Fragen ja lautete, dann war es das, was sich auf sie zubewegte. Etwas in ihr krümmte sich wie ein getretener Wurm, durch die bloße Nähe dieses finsteren Dinges.

Die Reihen der Krieger teilten sich, das körperlose Etwas kam näher - und hielt plötzlich an.

Irgend etwas geschah. Charity wußte nicht was oder weshalb, aber sie spürte es deutlich. Es war wie ein Erbeben in der Wirklichkeit. Und plötzlich sah sie etwas - sie sah es nicht wirklich. Es war, als balle sich die Dunkelheit zu einem zitternden Etwas zusammen, zu einem schwarzen, peitschenden Schlauch, mit zahllosen Mündern und Augen und gräßlichen Auswüchsen übersät, der sich wie unter Schmerzen wand und den sie mit Sinnen wahrzunehmen schien, von denen sie bisher nicht einmal gewußt hatte, daß sie über sie verfügte. Das Etwas bäumte sich auf wie unter Schmerzen, und ein lautloser, gellender Schrei hallte zwischen Charitys Schläfen wider.

Und plötzlich ging alles unglaublich schnell. Die Armee aus Insektenkriegern, die die Plattform bisher reglos bewacht hatte, schien zu explodieren. Dutzende der schwarzen Kreaturen hetzten gleichzeitig und mit gewaltigen Sprüngen auf sie zu, und Charity sah aus den Augenwinkeln, wie die beiden Albinoameisen in einer synchronen Bewegung herumfuhren und sich auf Leßter warfen.

Den Bruchteil einer Sekunde später waren sie tot, getroffen von Hieben, die so schnell waren, daß Charity sie nicht einmal sah, und die ihre schimmernden weißen Panzer zertrümmerten. Und Leßter bewegte sich weiter mit dieser unfaßbaren Schnelligkeit. Seine Hand fuhr herum, berührte die winzige Schalttafel des Transmitterringes und wurde zu einem rasenden Schemen. Das körperlose Etwas unter ihnen tobte noch immer. Die ersten Krieger erreichten die Plattform und sprangen mit gewaltigen Sätzen hinauf, und dürre, messerscharfe Klauen aus Horn streckten sich nach Charity und den anderen aus. Doch im gleichen Augenblick füllte sich der Kreis hinter ihnen wieder mit kochender Schwärze, und plötzlich fühlte sich Charity von einer unvorstellbaren Kraft gepackt und zurückgerissen.

Diesmal war es anders. Es war das gleiche Gefühl, zerstört und neu geschaffen zu werden, aber es geschah zweimal hintereinander; für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Charity, die gigantische Halle plötzlich aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, fühlte sie Eisen unter ihren Stiefeln, das nicht das der Plattform war, auf der sie gestanden hatten, und sah einen anderen, viel größeren Ring aus schimmerndem Stahl, in dem sich die Schwärze des Nichts zu unbeschreiblichen Formen zusammenballte und sie aufsog. Für einen winzigen Moment glaubte sie, die Gestalten der anderen zu sehen. Skudder, der entsetzt die Arme in die Höhe gerissen hatte. Gurk, auf dessen Gesicht der gleiche Schrecken wie auf denen der anderen zu lesen war, aber auch etwas wie ein wilder Triumph. Und Leßter, der eine vierte menschliche Gestalt gepackt hatte und mit sich zerrte. Aber der Augenblick verging zu schnell, als daß sie sicher sein konnte, und wieder wurden sie und die anderen in das Nichts zwischen den Wirklichkeiten hinausgeschleudert.

22

French hatte nicht geschossen. Seine Harpunenwaffe war geladen, die Feder gespannt und der letzte der halbmeterlangen, rasiermesserscharfen Stahlpfeile auf die Schiene aufgelegt. Aber er hatte ihn nicht auf die Spinne abgeschossen, obwohl sie mehrmals so dicht an seinem Versteck vorübergegangen war, daß er sie gar nicht hätte verfehlen können. Es gab ein besseres Ziel für seinen letzten Pfeil.

Er war sehr müde. Seit Stunden hockte er in der winzigen Nische zwischen den beiden Maschinen, und Durst und später Hunger hatten begonnen, ihn zu plagen. Am schlimmsten aber war die Schwäche. Das Gewicht seines eigenen Körpers, das in dieser furchtbaren Welt aus unverständlichen Maschinen und alptraumhaften Ungeheuern zum zehnfachen des normalen angewachsen war, zerrte ihn zu Boden und zehrte an seinen Kräften. Zwei- oder dreimal im Verlauf der letzten Stunden hatte er das Bewußtsein verloren, und das letzte Mal hatte er an einem schlechten Geschmack in seinem Mund und dem Gefühl verklebter Augenwimpern und pelziger Trockenheit auf den Lippen gemerkt, daß er sehr lange ohnmächtig dagelegen hatte.