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Er würde sterben. Es waren nicht die Spinnen, die ihn umbringen würden. Es war auch nicht die angeblich tödliche Luft dieser Welt, es war sein eigener Körper. Sein Herz schlug nur noch sehr langsam, und seine Lungen hatten immer mehr Mühe, sich mit Sauerstoff zu füllen. Es war, als läge er unter einer Zentnerlast begraben, die allmählich, aber unerbittlich wuchs.

Er hatte sich diesen letzten Pfeil aufgespart, um seinem Leben selbst ein Ende zu bereiten. Er hatte Angst davor, jetzt, absurderweise jetzt, wo er wußte, daß das Versprechen von einem zweiten, besseren Leben wahr war, mehr Angst als jemals zuvor, und vielleicht war es nicht die Angst vor dem Tod, die er spürte, sondern die Angst vor dem Sterben. Dem Schmerz. Und dem Ungewissen, das ihm folgen mochte.

Aber noch größer war seine Angst davor, hier zu liegen und vielleicht zu schwach zu sein, die Waffe noch einmal zu heben und den Abzug zu drücken. Schon jetzt schien die Harpunenwaffe Zentner zu wiegen; es verlangte das letzte bißchen Energie von ihm, sie zu heben und so herumzudrehen, daß die Spitze des Pfeiles auf seine Brust deutete.

Er fragte sich, ob es weh tun würde. Er hoffte es nicht. Er versuchte sich einzureden, daß es nicht so war. Die Spannung der Stahlfeder war hoch genug, den Pfeil selbst den Knochenpanzer einer Spinne durchschlagen zu lassen. Sein eigener, verwundbarer Körper würde ihm kaum Widerstand entgegensetzen.

Und trotzdem hatte er Angst. Solche Angst, daß er die Hand noch einmal zurückzog und mit dem letzten bißchen Kraft den Kopf hob, um zu dem riesigen Silberring hinüberzublicken, der auf der anderen Seite der Halle über dem Boden schwebte.

Seine Sinne begannen sich zu verwirren. Die Umrisse des Ringes verschwammen vor seinen Augen, und er sah die dunkle Bewußtlosigkeit, die seine Gedanken zu verschlingen begann, wie ein schwarzes Wogen und Zittern im Zentrum des silberfarbenen Kreises.

Es wurde Zeit. In wenigen Augenblicken würde er das Bewußtsein verlieren, und vielleicht würden sie ihn dann finden und noch einmal zum Leben erwecken und Dinge mit ihm tun, die schlimmer waren als der flüchtige Schmerz des Pfeiles, der sein Herz durchbohrte.

Er hob die Hand, faßte nach dem Abzug der Waffe und blickte noch einmal zu dem riesigen, schwebenden Reif aus Metall empor.

Und begriff, daß das schwarze Wogen und Wallen darin Wirklichkeit war.

*

In der zweiten Hälfte der Bewegung, mit der sie in den Transmitter im Herzen der Schwarzen Festung am Nordpol gestürzt war, taumelte Charity aus dem Empfangsgerät heraus und fiel bei dem vergeblichen Versuch, ihren Sturz aufzufangen, gegen Leßter und Stone, die noch immer verbissen miteinander rangen. Der Anprall ließ sie alle drei vollends das Gleichgewicht vexieren. Aneinandergeklammert rollten Leßter und Stone das halbe Dutzend Stufen hinab, das zu der Plattform mit dem Transmitterring heraufführte, und Charity stürzte mit haltlos rudernden Armen und Beinen hinterher. Die riesige Halle, in der sie herausgekommen waren, schien einen Salto vor ihren Augen aufzuführen, aber sie erkannte trotzdem, daß sie voller bizarrer Maschinen und Strängen eines grauen, klebrigen Gespinstes war, das Wände und Decke überzog, wie das Gewebe einer gigantischen Spinne. Und Kriegern. Dutzenden von Kriegern, wenn nicht Hunderten.

Ein schrilles, fast erschrocken klingendes Pfeifen marterte ihr Gehör. Sie warf sich herum, kam, den Schwung ihres eigenen Sturzes nutzend, auf die Füße und zog instinktiv ihre Waffe, als sie sich plötzlich einer riesigen, strahlendweißen Insektengestalt gegenübersah.

Sie bewegte sich so schnell wie vielleicht niemals zuvor im Leben, und trotzdem kam ihre Reaktion zu spät. Charity hatte die Waffe noch nicht halb gehoben, als sie ein fürchterlicher Schlag eines der dünnen, so täuschend zerbrechlich aussehenden Gliedmaßen der Ameise traf und meterweit zurückschleuderte. Sie stürzte wieder, sah, wie Skudder und Gurk über ihr aus dem schwarzen Nichts des Transmitters herausstolperten, und mußte plötzlich all ihre Kraft aufwenden, um wenigstens ihre Waffe nicht fallenzulassen. Einige Meter von ihr entfernt befreite sich Stone aus Leßters Griff, sprang auf die Füße und begann heftig gestikulierend auf die Albinoameise einzureden.

Der Moroni tötete ihn. Einer seiner Arme machte eine blitzartige, schnappende Bewegung, und plötzlich färbten sich Stones Kehle und die Brust seiner Jacke hellrot. Stone taumelte zurück, schlug beide Hände gegen den Hals, fiel auf die Knie herab und erstickte an seinem eigenen Blut.

Mehrere Moroni eröffneten gleichzeitig das Feuer auf sie. Ihr Auftauchen schien die Insektenkrieger ebenso überrascht zu haben wie deren Anblick umgekehrt Charity und die anderen, aber sie reagierten mit der Schnelligkeit und Präzision von Geschöpfen, die zum Kämpfen geschaffen waren und kaum dachten, sondern nur reagierten. Die erste Salve war kaum gezielt, doch einer der dünnen, gleißenden Lichtblitze traf Skudder in die Schulter und ließ ihn mit einem Schmerzensschrei rückwärts gegen den Transmitterring taumeln. Charity spürte einen kurzen, aber grausamen Schmerz im Bein, als ein zweiter Laserstrahl ihren Oberschenkel durchbohrte. Trotzdem stemmte sie sich in die Höhe, riß ihre Waffe empor und gab kurz hintereinander zwei Schüsse ab. Beide trafen das riesige weiße Geschöpf, das Stone getötet hatte.

Die Ameise brach mit einem schrillen Kreischen zusammen, und fast im gleichen Sekundenbruchteil wurde auch Charity wieder getroffen.

Diesmal tat es nicht einmal wirklich weh. Sie spürte einen harten Schlag gegen die Brust, und plötzlich wich jedes bißchen Gefühl und Kraft aus der rechten Hälfte ihres Körpers. Sie sank auf ein Knie herab, brachte irgendwie das Kunststück fertig, noch eine Sekunde wankend, aber aufrecht in dieser Stellung zu verharren, und sah, wie Leßter auf sie zustürmte und auf halbem Wege von drei oder vier Strahlenschüssen gleichzeitig getroffen und zu Boden geschleudert wurde. Über ihr schrie Skudder auf, als ein grellweißer Blitz seine Brust durchbohrte, und kippte mit weit aufgerissenen, starren Augen und ausgestreckten Armen nach vorn, und das letzte, was Charity bewußt wahrnahm, war Gurk, der mit einem verzweifelten Satz einem Laserschuß auswich und in einen anderen hineinlief, der ihn auf der Stelle tötete.

Dann trafen sie fünf oder sechs Strahlenschüsse aus den Waffen der Moroni gleichzeitig, durchbohrten sie und entluden dabei ihre gesamte Energie schlagartig in jede einzelne Zelle ihres Körpers. Sie spürte einen kurzen, unerträglichen Schmerz. Dann nichts mehr.

*

French hatte den Kampf mit angehaltenem Atem aus seinem Versteck heraus verfolgt. Als sich das schwarze Wogen im Inneren des Eisenringes zu Körpern zusammenballte, da hatte er sofort erkannt, daß es sich dabei um Menschen wie ihn und die anderen handelte, und er hatte die erschrockene Reaktion der Spinnen vielleicht sogar rascher gedeutet als sie, denn noch während die Frau und die drei Männer und die fünfte Gestalt - es mußte ein Kind sein oder ein Krüppel - aus dem Ring heraustaumelten, hatte er seine Waffe gehoben und aus seinem Versteck heraus auf die gewaltige weiße Gestalt dicht vor sich angelegt, die er zweifelsfrei als den Anführer der Spinnenarmee identifiziert hatte.

Aber er hatte nicht abgedrückt. Hinterher versuchte er vergeblich sich einzureden, daß alles viel zu schnell gegangen war und daß er sowieso nichts hatte tun können. Aber die Wahrheit war, daß er einfach erstarrt vor Schrecken gewesen war, es nicht gewagt hatte, in den Kampf einzugreifen, weil dies seinen eigenen Tod bedeutet hätte.

Und es war schnell gegangen. French revidierte sein vielleicht etwas vorschnell gefaßtes Urteil über die Spinnen, als er sah, wie entsetzlich schnell und präzise die scheinbar so plumpen Wesen sich plötzlich bewegten und reagierten. Die Frau hatte den Anführer der Bestien und noch eine oder zwei weitere Ungeheuer niedergeschossen, mit einer Waffe, die kleine weiße Blitze spie. Aber danach war sie selbst getötet worden, wie auch alle anderen. Es war so schnell gegangen, daß French nichts mehr hätte tun können. Von dem Augenblick an, in dem die Gestalten aus dem Nichts erschienen und die Treppe hinunterstürzten, bis zum Tod der jungen Frau, vergingen allerhöchstens fünf Sekunden.