Und trotzdem blieb die Tatsache, daß er nicht einmal versucht hatte ihnen zu helfen. Er hatte Angst gehabt. Angst um ein Leben, das ohnehin verwirkt war.
Und er hatte auch jetzt noch Angst. Als der Kampf vorüber gewesen war, hatte sich French zitternd enger in die Schatten seines Verstecks geduckt und an nichts anderes denken können als daran, daß die Reihe nun wahrscheinlich an ihm war, daß sie hierher kommen und ihn entdecken mußten, um ihn mit ihren furchtbaren Lichtwaffen ebenso zu töten wie diese fünf anderen.
Aber es schien, als wäre sein Vorrat an Glück immer noch nicht aufgebraucht. Tatsächlich war eine der Spinnen seinem Versteck so nahe gekommen, daß French sie mühelos hätte berühren können, hätte er nur die Hand gehoben, aber die Aufmerksamkeit der sechsgliedrigen Geschöpfe konzentrierte sich ganz auf die Leichen der fünf Gestalten, die aus dem Ring gekommen waren. Sie hatten sie nicht fortgeschafft, wohl aber sehr sorgfältig untersucht, wahrscheinlich um sicherzugehen, daß sie auch wirklich tot waren. Diese Vorsicht verwirrte French, denn er hatte die entsetzliche Wirkung der Lichtwaffen gesehen, und jede der fünf Gestalten war mehrmals getroffen worden. Trotzdem untersuchten die Spinnen die reglosen Körper sehr sorgfältig.
Sie machten auch keine Anstalten, die Toten fortzuschaffen, doch dafür geschah etwas anderes - wieder verdunkelte sich das Innere des Silberringes, und wieder ballte sich die Schwärze darin zu einem Körper zusammen; diesmal jedoch nicht dem eines Menschen, sondern der schlanken, sechsgliedrigen Gestalt einer weiteren, strahlend weißen Spinne, die der glich, die die Frau getötet hatte. Sie hielt eine klobige Waffe in zwei ihrer vier Arme und bewegte sich rasend schnell und ruckhaft, als rechne sie damit, angegriffen zu werden, kaum daß sie aus dem Ring getreten war. Doch dann sah sie die reglos daliegenden, verbrannten Körper und blieb abrupt stehen. Sekundenlang rührte sie sich nicht, dann hob sie einen ihrer beiden noch freien Arme und begann in ein winziges Gerät zu sprechen, das sie in der Hand trug. Das Wogen und Zittern im Inneren des Ringes verstärkte sich abermals, und ein halbes Dutzend weiterer Spinnen, mit den gleichen, beunruhigend aussehenden Waffen ausgerüstet, trat heraus und nahm zu beiden Seiten der weißen Kreatur Aufstellung.
Einige der anderen Spinnen kamen herbei, und für Minuten war der Saal vom pfeifenden, klickenden Zischeln ihrer Stimmen erfüllt. Offensichtlich ließ sich die neu angekommene Albinokreatur berichten, was hier vorgefallen war. Dann begann sie - begleitet von ihren Kriegern, die sich nicht von denen in der Halle unterschieden, sich aber trotzdem knapper, präziser bewegten - die Metallstufen der Treppe hinunterzugehen.
Als sie an der Leiche des Mannes mit dem dunklen Haar und dem schmalen Oberlippenbart vorbeigingen, begann sich diese zu bewegen.
French riß ungläubig die Augen auf. Es war völlig unmöglich - er hatte gesehen, wie der Mann von mehreren Schüssen gleichzeitig getroffen und bei lebendigem Leib verbrannt worden war. Aber er bewegte sich. Sacht zuerst, kaum wahrnehmbar, nur ein Zittern verkohlter Finger, ein kaum wahrnehmbare Flattern der Lider in einem zerstörten Gesicht, das flüchtige aufblitzen eines Blickes. Der Mann ... lebte!
Frenchs Herz begann schneller zu schlagen. Obwohl er nicht einmal zu ahnen vermochte, was hier vorging, spürte er doch, daß er Zeuge von etwas Großem, ungeheuer Wichtigem wurde. Für einen Moment vergaß er sogar seine eigene Furcht und schob sich ein Stück weit aus seinem Versteck heraus, um zu den Spinnen hinüberzublicken.
Sie waren an dem vermeintlichen Toten vorbeigegangen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und auch die anderen Kreaturen schienen nichts von dem unheimlichen Geschehen bemerkt zu haben.
Die Gestalt bewegte sich stärker. Vorsichtig drehte sie den Kopf, hob die Lider um eine Winzigkeit und sah sich um, so gut sie es konnte. Eine Hand bewegte sich, erstarrte wieder, und glitt weiter über den Boden, wobei sie eine Spur von Blut und verkohlten Hautfetzen auf dem schimmernden Metall zurückließ.
Als die riesige weiße Spinne mit ihren Begleitern den Ausgang des Raumes fast erreicht hatte, sprang der Mann auf die Füße, fuhr herum und rannte mit gewaltigen Sätzen auf den Metallring zu.
Ein erstauntes Pfeifen erscholl. Eine Spinne versuchte sich dem Mann in den Weg zu stellen und wurde einfach beiseite geschleudert, und ein greller Lichtblitz stach nach ihm, verfehlte ihn aber und hinterließ einen rotglühenden Fleck auf der Wand hinter ihm.
Die Albinokreatur fuhr herum und deutete mit allen vier Armen gleichzeitig auf den rennenden Mann, und einige ihrer Begleiter rissen ihre Waffen hoch und begannen auf ihn zu schießen. Mindestens zwei, vielleicht auch mehr der dünnen weißen Lichtblitze trafen die Gestalt und ließen ihre verkohlten Kleider und das Haar aufflammen, aber der Mann taumelte trotzdem weiter, überwand den letzten Meter mit einem Satz und klammerte sich an dem dünnen Metallring fest. Wieder wurde er getroffen. Sein Körper brannte lichterloh und war nur noch als schwarzer, zuckender Schatten hinter orangeroten Flammen zu erkennen, und trotzdem sah French, wie er eine verbrannte Hand hob und nach einer bestimmten Stelle in dem schwebenden Silberring griff. Dann hatten ihn zwei der Spinnen erreicht, packten die hell lodernde Gestalt und schleuderten sie in die Halle zurück.
Sie stürzte die Treppe hinab und blieb brennend und reglos an ihrem Fuß liegen.
Im gleichen Moment verdunkelte sich das Innere des eisernen Ringes erneut, und wieder begannen Schatten und gestaltlose Dinge darin zu Körpern zusammenzufließen.
Und diesmal schrie French gellend auf, als er sah, was aus dem brodelnden Nichts heraustrat.
*
In der zweiten Hälfte der Bewegung, mit der sie in den Transmitter im Herzen der Schwarzen Festung am Nordpol gestürzt war, taumelte Charity aus dem Empfangsgerät heraus und fiel bei dem vergeblichen Versuch, ihren Sturz aufzufangen, gegen Leßter und Stone, die noch immer verbissen miteinander rangen. Der Anprall ließ sie alle drei vollends das Gleichgewicht verlieren. Aneinandergeklammert rollten Leßter und Stone das halbe Dutzend Stufen hinab, das zu der Plattform mit dem Transmitterring heraufführte, und Charity stürzte mit haltlos rudernden Armen und Beinen hinterher. Die riesige Halle, in der sie herausgekommen waren, schien einen Salto vor ihren Augen aufzuführen, aber sie erkannte trotzdem, daß sie voller bizarrer Maschinen und Strängen eines grauen, klebrigen Gespinstes war, das Wände und Decke überzog wie das Gewebe einer gigantischen Spinne. Irgendwo brannte etwas. Greller Feuerschein erfüllte die Luft mit zitternden Pfeilen aus Rot und Orange, und der beißende Gestank verschmorten Fleisches und heißen Metalls schlug ihr entgegen. Sie hörte einen schrillen, eindeutig überraschten Pfiff und sah etwas Weißes aus den Augenwinkeln aufblitzen.
Sie warf sich herum, kam, den Schwung ihres eigenen Sturzes ausnutzend, auf die Füße und zog ihre Waffe. Fast beiläufig registrierte sie, wie Stone sich unter Leßters Körper hervorzuarbeiten versuchte, der plötzlich schlaff und wie tot über ihm lag, aber ihre ganze Aufmerksamkeit galt in diesem Moment der weißen Albinoameise, die ein Dutzend Schritte von ihr entfernt stand und sie starr vor Schrecken anstarrte.
Und erst jetzt registrierte sie, daß dieser Moroni keineswegs der einzige war. Die Halle wimmelte von Kriegern, Dutzende, wenn nicht Hunderte bewaffneter Ameisen, und an den Wänden glühten rote Flecke zwischen den charakteristischen Brandspuren von Laserschüssen. Wie es schien, waren sie mitten in eine Schlacht hineingeplatzt.