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»Ich glaube, ich... verstehe Euch nicht, Siegfried«, sagte Gunther zögernd. Sein Blick tastete über Siegfrieds breitschultrige Gestalt, die mächtige Klinge in seinen Händen, ehe er sich hilfesuchend Hagen zuwandte. »Dann will ich es Euch noch deutlicher sagen, Gunther«, antwortete Siegfried. »Mich erreichte die Kunde von Eurer Stärke und von der Pracht Burgunds. Ich bin ein Recke wie Ihr und fordere die Krone von Euch. Aber ich bin kein Dieb. Ich fordere Euch - oder einen Recken Eurer Wahl - zum ritterlichen Zweikampf. Streitet mit mir, oder bestimmt einen von Euren Rittern, an Eurer Statt mit mir zu streiten.« Bei diesen Worten wandte er den Kopf und sah Hagen mit seinen klaren, hellblauen Augen herausfordernd an. »Ich setze meine Krone gegen die Krone Burgunds, mein Reich gegen dieses.«

Hagen hielt seinem Blick mit eiserner Miene stand. Siegfrieds Worte überraschten ihn nicht; im Gegenteil. Er wäre erstaunt gewesen, wenn Siegfried aus einem anderen Grund als zu streiten gekommen wäre. Es dauerte eine Weile, bis die anderen sich von ihrer Überraschung erholten. Manch einer mochte im ersten Moment geglaubt haben, daß der Xantener sich einen rauhen Scherz erlaubte; aber ein Blick in die Gesichter von Siegfrieds Begleitern überzeugte auch den letzten davon, daß es dem blonden Riesen mit seiner Forderung ernst war. Jede Spur von Freundlichkeit war aus ihren Zügen verschwunden; sie blickten grimmig und entschlossen, und ihre Hände lagen jetzt offen auf den Waffen oder hatten sie gar bereits gezogen.

In die friedlichen Burgunder, in die neugierige, gaffende Menge kam plötzlich Bewegung. Hastig strebten sie auseinander, wichen zurück, hinweg aus dem Hof und von der Treppe, damit Siegfrieds Reiter sie nicht etwa in einem überraschenden Angriff über den Haufen ritten. Die Knechte zogen sich eilig zurück, und auf den Mauern wurden Rufe laut; Wachen eilten hin und her, Bogenschützen gingen in Stellung, und hinter den Zinnen blitzten Speerspitzen und Schwerter auf. Das Lachen und Raunen der Stimmen wich dem Klirren von Waffen. Ortwein rief einen scharfen Befehl; das Fallgatter sauste herunter und schlug dumpf auf den Boden auf. Die einzigen auf der Seite der Burgunder, die sich nicht von der Stelle rührten, waren Gunther und Hagen.

Siegfried sah alles mit unbewegtem Gesicht Er schien sich vollkommen sicher zu sein, daß die Krieger, die jetzt aus dem Haupthaus, aus Nebengebäuden und Stallungen drängten und plötzlich den Hof mit Waffen und Schilden füllten, keine ernsthafte Bedrohung für ihn und seine Männer bedeuteten. Gunther selbst war es, den er zum Zweikampf gefordert hatte, und seine Ritterehre würde es verbieten, die Herausforderung mit einem kriegerischen Angriff zu beantworten.

Gunther hielt dem Blick des Xanteners stand. »Ihr setzt mich in Erstaunen, Siegfried von Xanten«, sagte er gefaßt »Nach allem, was ich über den Herrn der Nibelungen gehört habe, hielt ich Euch nicht nur für einen tapferen, sondern auch für einen klugen Mann. Diese Burg und dieses Land sind das Erbe unserer Väter. Viele tapfere Männer haben für Burgund ihr Leben gelassen. Diese Erde ist mit Blut getränkt, mit dem Blut der Tapferkeit und Treue. - Und Ihr glaubt im Ernst, ich würde all dies aufs Spiel setzen, um einer... einer Laune willen?« »Es ist keine Laune, Gunther«, antwortete Siegfried gereizt »Ich fordere Euch, Gunther von Burgund. Euch oder einen der Euren.« Mit einer weit ausholenden Gebärde, die alle seine Begleiter umfaßte, sagte er: »Ihr habt die Wahclass="underline" Eure Recken gegen die meinen, oder einer allein gegen mich. Entscheidet Euch!«

Gunther setzte zu einer Entgegnung an, aber Hagen war schneller. Mit einem raschen Schritt trat er vor Siegfried, zog sein Schwert aus dem Gürtel und stieß nach der Brust des Xanteners. Der Angriff war nicht ernst gemeint, sondern nur eine herausfordernde Geste. Siegfried wich blitzschnell zur Seite, drehte gewandt den Oberkörper weg und schlug Hagens Klinge mit dem Balmung zur Seite. Ein betäubender Schmerz schoß durch Hagens Arm bis in die Schulter hinauf: Er spürte die Härte des sagenumwobenen Schwertes und die Kraft, die in dem nur angedeuteten Hieb steckte. Eine Kraft, die, voll eingesetzt, imstande war, mit einem Streich Schwert, Panzerhemd und Schild des Gegners zu zerbrechen.

Siegfried lächelte. »Nun, Hagen von Tronje?« fragte er, während er das Schwert spielerisch sinken ließ. »Wie ich sehe, seid Ihr bereit, für die Ehre Eures Königs zu kämpfen.« Hagen sah ihn mit unbewegtem Gesicht an.

»Nun denn«, sagte Siegfried, zu Gunther gewandt, aber ohne Hagen dabei aus den Augen zu lassen, »es gilt Eure Krone gegen die meine! Euer Land gegen das meine!«

Sein Schwert und das des Tronjers kamen gleichzeitig hoch; Hagens etwas schneller, das des Xanteners dafür mit um so mehr Kraft geführt. Aber sie kamen nicht dazu, die Klingen zu kreuzen. Eine schlanke, dunkelhaarige Gestalt sprang zwischen sie, das Schwert in der einen, den Schild in der anderen Hand. Die Bewegung des Jünglings kam sowohl derjenigen Siegfrieds als auch der Hagens zuvor: Sein Schwert traf den Balmung dicht über dem Heft und prellte dem Xantener die Waffe aus der Hand; gleichzeitig traf der gebogene Schild Hagens Waffenarm und ließ ihn zurücktaumeln. Die Wucht der beiden Hiebe war so gewaltig, daß der Jüngling mit einem Schmerzenslaut in die Knie sank. Siegfried sprang mit einem Wutschrei zurück, hob sein Schwert auf und schwang es hoch über den Kopf, führte den Hieb aber nicht, als er das königliche Wappen erkannte. Es war Gunthers Bruder Gernot, der vor ihm kniete.

»Haltet ein, Siegfried!« flehte Gernot »Es ist nicht recht, daß Könige im Streit ihr Blut vergießen. Das soll und darf nicht sein.« Er sprach schnell, trotzdem war seine Stimme klar und weithin zu vernehmen. »Es brächte wenig Ruhm, wenn sich tapfere Männer erschlagen, nur um einander Krone und Reich zu entreißen. Wir haben ein gutes und reiches Land, und es ist unser Land, erkauft mit dem Blut unserer Väter. Die Menschen in seinen Grenzen sind ihrem König treu ergeben, Siegfried. Sie brauchen keinen anderen Herrn, und sie wollen ihn auch nicht Hebt Eure Kräfte auf, um Unrecht und Not zu bekämpfen, denn die Welt ist voll davon.«

Siegfried zögerte; die Waffe in seiner Hand war noch immer zum Schlag erhoben. Wenn er den hilflos vor ihm knienden Gernot erschlug, wäre das nichts anderes als gemeiner Mord. Gernot hatte das einzig Mögliche getan, um das drohende Blutvergießen zwischen Gunthers und Siegfrieds Männern zu verhindern. Siegfried hatte sich jedes Wort, jede Geste genau überlegt, bevor er hierhergekommen war, jede mögliche Antwort auf jedes denkbare Wort Gunthers. Aber Gernots überraschendes Eingreifen hatte ihn aus der Fassung gebracht.

»Du verschwendest deinen Atem, Gernot«, mischte sich Ortwein von Metz ein. Herausfordernd trat er zwischen den Bruder des Königs und den Xantener. Seine Stimme zitterte vor Zorn. »Ihr habt unsere Tore offen gefunden zum freundlichen Empfang, Siegfried von Xanten. Aber Ihr habt die Hand, die Euch unser König entgegenstreckte, zurückgewiesen, und Ihr habt das Schwert gegen seinen Waffenmeister und seinen Bruder erhoben. Wenn Ihr kämpfen wollt, so kämpft; ob allein oder mit Euren Mannen - gleichviel.« In Ortweins Blick lag wilde Entschlossenheit. Er bot ein beeindruckendes Bild, wie er so vor dem Xantener stand: fast so groß und breitschultrig wie Siegfried selbst, von der gleichen Unbeugsamkeit und von dem gleichen Stolz erfüllt, aber besonnener. In Siegfrieds Augen blitzte es auf. Doch zu Hagens Verwunderung nahm er die Herausforderung nicht an, sondern senkte sein Schwert und sah Ortwein von Metz nur voll Verachtung in die Augen. »Ich habe Euren König - oder einen Recken seiner Wahl - gefordert«, sagte er kalt. »Nicht Euch. Wenn Ihr Euch messen wollt, so tut es mit einem meiner Männer. Ein jeder von ihnen ist als Gegner allemal gut genug für Euch.« Ortwein von Metz erbleichte unter dieser Beleidigung. Einen Herzschlag lang stand er wie erstarrt, dann hob er mit einem krächzenden Schrei sein Schwert und trat auf den Xantener zu. Siegfried hob mit einem spöttischen Lächeln den Balmung.