Wie aber erschrak er, als plötzlich der Drache aus jener Höhle hervorschoß und Garben von Feuer ausstieß, laut brüllend und drohend die Pranken erhob! Siegfried griff nach dem Schwert und stemmte sich gegen den Fels. Der Drache hatte sein Opfer gewittert und züngelte gierig. Der Giftzahn stand ihm wie ein Dolch im offenen Rachen. Schon schlug Fafnir den Schuppenschwanz um den Verwegenen, da nahm Siegfried den Kampf auf, sein Schwert flammte, wie Blitz auf Blitz schlug's in den Drachen, und Schupp um Schuppe zersprang. Vom Wutgebrüll des Drachen hallten Berge und Tal. Die Erde bebte unter Fafnirs Schlaghagel, doch Siegfried wich geschickt dem Schwänze aus, und auch die Krallen schlugen in den Sand. Da stieß der Held sein Schwert dem Wurm in die Seite, das Blut schoß flammend aus der Wunde, ein Todesschrei! - Noch einmal hob sich Fafnir, schnellte in die Luft. Das Licht der Sonne verblich im Augenblick, und Schatten fielen auf das Land. Dann aber stürzte er herab und war tot. Der Drache war bezwungen. Beim Kampfe wurden Siegfrieds Arme von des Drachen Blut befleckt, und wo das Blut die Haut berührte, da wurde sie hart wie Horn. Da dachte Siegfried, solche Hörnung könnte nützlich sein. Er fuhr aus seinem Wams und badete im kochendheißen Blut, so daß sein Leib vom Kopf bis zu den Füßen hörnern wurde. Er jubelte: ›Kein Schwert, kein Speer kann künftig mich verwunden, gehörnt bin ich, mich schützt die beste Brünne, die es gibt‹ Ein Lindenblatt jedoch, vom Feuer, das der Drache ausstieß, aufgewirbelt, fiel zwischen Siegfrieds Schultern auf den Rücken, und wo das Blättchen lag, da blieb er ungehörnt.
Was aber wimmelte dort drüben an dem Rand der Heide? Die aufgeschreckten Zwerge waren es. Schilbung und Nibelung, die beiden Zwergenkönige, traten näher und sahen ihren Drachen tot hingestreckt und Siegfrieds Fuß auf Fafnirs Nacken. ›Fafnir ist tot - wer wird nun unseren Hort beschützen?‹ fragte König Schilbung. ›Den Hort, um den wir bitter streiten, auf dem der Fluch des Zwerges ruht?‹, so klagte König Nibelung. ›Hier steht der starke Held, der unsern Streit beenden kann durch Teilung unseres Schatzes - ›So sei es!‹ stimmte Schilbung zu. Da baten sie den Helden, den Hort der Drachenhöhle zwischen ihnen gerecht zu teilen, und boten Siegfried zur Belohnung Balmung an, das beste aller Schwerter auf dem Erdenrund.
›Um solchen Preis‹, rief Siegfried freudig, ›will ich gerne Schiedsrichter sein. Bringt mir Balmung, das Schwert, schafft nur den Hort herbei !‹ Aus allen Winkeln kroch das Zwergenvolk und trug den Hort der Nibelungen vor den Richter. Gold, Silber, Edelsteine lagen hoch gehäuft vor ihm, nicht hundert Wagen hätten von hier es fortgeschafft. Und Nibelung gab dem Helden Balmung, das Schwert, das zu tragen nur der erste Held würdig ist Siegfried verteilte nach gerechtem Maß den Schatz, jedoch die Könige gerieten wieder in Streit, und keiner gönnt dem anderen sein Teil, wenn Neid das Blut vergällt.
Sie schalten Siegfried einen ungerechten Richter und drangen zornig auf ihn ein. Und alles Volk der Zwerge und der Riesen geriet in Aufregung. Siegfried aber schwang Bahnung, das Schwert, und erschlug zwölf starke Riesen, die im Dienst der Zwergenkönige standen, und vielhundert Recken; auch Nibelung und Schilbung fielen im Kampf. Alberich jedoch, der mächtige Zwergenfürst, der König der Schwarzalben und Herrscher über Schwarzalfenheim, begehrte, die Könige des Zwergengeschlechts zu rächen. Er holte eine Kappe - wer sie trug, der war vor Hieb und Stich bewahrt, denn unsichtbar machte sie. Und Alberich zog seine Kappe über und brachte Siegfried bald in arge Not. Bis endlich Siegfried nach der Nebelkappe griff und sie mit List vom Haupt des Zwergenfürsten riß. Da stand nun Alberich als kleiner Wicht, und jammernd bat er um sein Leben. ›Verschone mich! Ich wollte als Vasall den Tod des Königs rächen. Die Tarnkappe hast du, ich bin nun wehrlos ganz in deiner Hand.‹ Der Held ließ Balmung sinken und verschonte Alberich. Er sprach! ›Treue trieb dich, den Tod deiner Könige zu rächen. Nun aber, da ich König bin im Reich der Nibelungen, schwöre mir die Treue! Sei du mein Kämmerer und Hüter dieses Hortes !‹ Und Alberich schwur Treue und das ganze Albenvolk mit ihm.
Der Hort der Zwerge wurde in die Berge zurückgebracht. Siegfried hing nicht an goldenen Schätzen. Nur einen Ring nahm er von dem Horte, dessen Schein ihm seltsam in die Augen stach. Der Zwergenfürst sah das bestürzt und warnte: ›Nimm nicht den Ring, mein König, diesen einen hier nimm nicht. Es ist Andwaranaut, der Ring des Nibelungs. Ein Fluch ruht auf ihm, Unheil bringt er jedem, der ihn trägt‹ Siegfried jedoch schlug die Warnung in den Wind und behielt den Ring. Der Held verließ das Nibelungenreich, und Alberich, der Zwerg, mit ihm, um ihm zu dienen, wie er zuvor den Nibelungen treu ergeben war.« Volker hielt inne, griff nach dem Weinbecher und befeuchtete seine trockenen Lippen. Sein Blick ging zu Hagen.
»Und?« fragte Kriemhild ungeduldig. »Hat er ihm Unglück gebracht?« »Der Ring der Nibelungen? - Nein. Andwaranaut war nicht irgendein Ring. Er war Hüter und Fluch des Schatzes in einem. Es hieß, Odin selbst habe ihn geschaffen und denen gegeben, die einst den Hort bewachten. Siegfried brachte ihn zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurück.« »Aber das ist eine andere Geschichte«, warf Hagen ein. »Heb sie dir auf für ein andermal.«
»Warum?« fragte Kriemhild enttäuscht. »Es ist noch früh.« Hagen sah, daß ihre Wangen glühten. »Erzähle, Volker«, bat sie. »Erzähle vom Ring und wie Siegfried ihn zurück ins kalte Island brachte.« Volker wollte fortfahren, doch Hagen kam ihm zuvor. »Es ist genug«, sagte er bestimmt. »Mehr als genug für einen Tag.« Er wandte sich an Kriemhild. »Das sind Märchen, nichts als dummes Geschwätz, gut genug für alte Weiber und für Kinder. Nicht für dich.« Kriemhild sah ihn trotzig an. »Ihr seid ungerecht, Ohm Hagen«, sagte sie. »Nur, weil Ihr Siegfried nicht mögt...«
»Wer sagt, daß ich Siegfried nicht mag? Ich glaube die Geschichte vom Drachen und den Zwergen nicht und« - er zögerte einen Moment, ehe er weitersprach, wohl wissend, daß er mit seinen Worten vielleicht das Gegenteil dessen erreichte, was er erreichen wollte - »ich glaube auch nicht, daß er der rechtmäßige Erbe des Nibelungenhortes ist« »Er ist der Sohn eines Königs, Ohm Hagen«, sagte Kriemhild. »Ihr nennt ihn einen Dieb?«
Hagen lächelte dünn. »Der Sohn eines Königs? Ich habe es anders gehört. Interessiert dich das?«
»Nein«, antwortete Kriemhild zornig. »Ich will es nicht wissen, und ich will auch die andere Geschichte nicht mehr hören.« Sie stand auf und ging wütend zum Fenster. »Ihr habt mir den Spaß verdorben«, schmollte sie.
Hagen erhob sich, setzte dazu an, etwas zu sagen, aber in diesem Moment drang das Geräusch von Schritten in die Stille des hohen Saales, und alle Blicke wandten sich zur Tür.