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Gunther nickte sorgenvoll. »Ja, aber sie gefällt mir nicht. Wir werden kämpfen. Aber ich kämpfe nicht gerne einen Kampf, der von vornherein aussichtslos ist. Burgunds Schwerter sind scharf und gut, doch der feindlichen Übermacht können sie nicht standhalten.« »Dann laßt mich mit Euch und für Euch kämpfen«, sagte Siegfried. Gunther antwortete nicht sofort. »Euer Angebot ehrt Euch, Siegfried«, sagte er schließlich, »aber es ist Burgund, das gefordert wird. Ich kann nicht erwarten, daß Ihr unseren Krieg ausfechtet« »Ich war ein Jahr lang Euer Gast, Gunther«, erwiderte Siegfried. »Ich habe unter Eurem Dach geschlafen, Euer Brot gegessen und Euren Wein getrunken. Jetzt laßt mich bezahlen, was ich Euch schulde.« »Ihr schuldet mir nichts«, entgegnete Gunther. »Wir...« »Warum schlagt Ihr seine Hand aus, mein König?« unterbrach Hagen. In Gunthers Augen blitzte es zornig auf, aber Hagen übersah die Warnung und fuhr fort: »Ich glaube nicht, daß wir Siegfrieds Angebot ablehnen sollten, ehe wir es überhaupt gehört haben.«

Ohne Gunthers Antwort abzuwarten, fragte Siegfried: »Wie viele Krieger habt Ihr, König Gunther?«

»Nicht mehr als tausend Berittene«, antwortete Gunther ohne langes Nachdenken. »Dazu fünfhundert Mann Fußtruppen und vielleicht noch einmal die gleiche Zahl, die ich zu den Waffen rufen kann, wenn uns Zeit genug bleibt.«

»Tausend vollwertige Krieger aus Burgund also«, sagte Siegfried, »gegen achttausend Sachsen und Dänen. Es könnte schlimmer sein.« »Ist das Euer Ernst?« fragte Hagen und fügte spöttisch hinzu: »Wollt Ihr etwa ins Nibelungenreich senden und zehntausend von Euren Reitern kommen lassen, um die Sachsen und Dänen hinwegzufegen?« Siegfried blieb ernst. »Der Weg wäre zu weit«, sagte er. »Es ist ein langer Ritt ins Nibelungenland und ein noch längerer zurück für ein Heer. Burgund könnte verwüstet sein und Worms in Trümmern liegen, ehe es eintrifft. - Nein«, sagte er bestimmt, »tausend Reiter sind genug. Die burgundischen Krieger sind besser als die der Dänen und Sachsen, und wenn wir angreifen, bevor die anderen ihre Heere vereinigen können, und wir den Vorteil der Überraschung auf unserer Seite haben, können wir sie schlagen. Welches der beiden Heere ist uns näher?« »Die Dänen«, antwortete Hagen. »Ein Reiter mit einem schnellen Pferd kann sie in einer Woche erreichen.«

»Dann braucht ein Heer zehn Tage«, sagte Siegfried. »Sie werden vor Schreck davonlaufen, wenn sie unsere Fahnen über den Hügeln auftauchen sehen. Wie schnell könnt Ihr die tausend Reiter bereitstellen?« Gunther überlegte. »Schnell«, sagte er dann. »Aber eine Entscheidung wie diese will gut überlegt sein. Begehe ich einen Fehler, kostet sie vielen tapferen Männern das Leben.«

»Es wäre ein Fehler, auch nur einen Tag länger zu warten!« widersprach Siegfried. »Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, ist ein überraschender Schlag gegen den schwächeren Teil ihres Heeres. Wir können die Dänen schlagen und Lüdegast gefangensetzen. Mit ihm als Geisel haben wir ein Mittel, das Lüdegers Übermut ein wenig kühlen dürfte.« Gunther blickte unentschlossen. Hagen schwieg. Siegfrieds Plan war nicht so wahnwitzig, wie er sich im ersten Moment anhörte. Vielleicht war dies wirklich die einzige Möglichkeit, die ihnen blieb. »Haltet die Boten fest, bis Euer Heer bereit ist«, fuhr Siegfried fort. »Tragt Sorge, daß sie nichts bemerken. Danach schickt sie zurück mit der Antwort, daß Ihr die Herausforderung annehmt und Euch binnen zwölf Wochen zum Kampf stellen werdet. Wir folgen ihnen noch am gleichen Tag.«

»Warum sie dann überhaupt zurückschicken?« fragte Giselher. Siegfried lächelte verzeihend. »Solange sie nicht zurück sind, werden die Dänen auf der Hut sein und mit einem Angriff rechnen. Kehren ihre Boten aber wohlbehalten zurück, läßt ihre Aufmerksamkeit vielleicht ein wenig nach.«

»Der Plan erscheint mir gut«, meldete sich schließlich Hagen wieder zu Wort. Siegfried, der von seiner Seite am wenigsten mit Unterstützung gerechnet hatte, drehte sich überrascht zu ihm um. »Tolldreist, aber gut«, fuhr Hagen fort. »Die Zahlen sprechen gegen uns, aber gerade deshalb werden Lüdeger und Lüdegast kaum mit einem Angriff von unserer Seite rechnen.«»Was Ihr tolldreist nennt, erscheint mir eher als ein Akt der Verzweiflung«, warf Ortwein ein.

»Der Mut der Verzweiflung hat schon manchen Mann befähigt, Dinge zu vollbringen, die ihm sonst nicht gelungen wären«, entgegnete Hagen. »Ich bin dafür, Siegfrieds Vorschlag zu folgen. Wenn wir den Krieg wählen, dann so.«

Damit war die Entscheidung gefallen. Wie Gunther der König und Volker die Stimme des Reiches war, war Hagen das Schwert Burgunds, und alle beugten sich seinem Entschluß.

»So sei es«, sagte Gunther feierlich. »In drei Tagen, vom heutigen Tag an gerechnet, reitet ihr.«

11

Nachdem die Lähmung gewichen war, die dem ersten Schrecken gefolgt war, ergriff fieberhafte Betriebsamkeit von Burg und Stadt Besitz. Reiter wurden in alle Richtungen gesandt, um die Getreuen Burgunds zusammenzurufen. In den Schmieden dröhnten Tag und Nacht die Hammerschläge, und wenn die Sonne sank, loderten in sämtlichen Räumen und Gängen der Festung die Fackeln auf und vertrieben die Dunkelheit. Alle Wagen und Gespanne, die in der Stadt und der Festung aufzutreiben waren, wurden ausgeschickt, um herbeizuschaffen, was im Umkreis von anderthalb Tagen an Vorräten, Waffen und Männern zu finden war. Erst am dritten Tag kehrte ein wenig Ruhe ein, wenn auch eine trügerische.

Am Nachmittag des dritten Tages ließ Gunther die beiden Boten rufen. Hagen selbst hatte es übernommen, in die Stadt hinunterzugehen und sie zu holen. Die Erschöpfung war aus ihren Gesichtern gewichen und hatte der Furcht Platz gemacht. Hagen wartete darauf, daß einer der beiden den Mund aufmachte und irgend etwas sagte, aber sie schwiegen verbissen, bis sie den Thronsaal erreichten und die Wachen vor der Tür respektvoll beiseite traten.

Der Saal war vom Schein zahlloser Fackeln erhellt, obgleich die Sonne noch hoch am Himmel stand. Fast der ganze Hofstaat war versammelt, um Gunthers Gespräch mit den beiden Boten beizuwohnen. Zu Hagens Erstaunen war auch Ute anwesend, ein Stück abseits zwar und züchtig verschleiert, wie es sich geziemte, aber ganz das, was sie noch immer war: die Königin von Worms. Auch Siegfried war da, nicht sitzend, sondern in lässiger Haltung hinter Gunthers Thron stehend, einen Arm auf die Rücklehne gestützt, und für einen Augenblick glaubte Hagen in einem Winkel einen huschenden Schatten zu sehen mit einem häßlichen Gnomengesicht, er war sich aber nicht sicher.

Hagen geleitete die Boten vor Gunthers Thron, trat zurück und verbeugte sich leicht.

»Mein König«, sagte er, »die Boten König Lüdegasts von Dänemark und Lüdegers, des Königs der Sachsen.«

Der Sachse blickte unsicher von Gunther zu Siegfried. Der Xantener hatte sich nicht bewegt, dennoch ging eine spürbare Drohung von ihm aus, viel gefährlicher als der Zorn Gunthers. »Hört, zu welcher Entscheidung wir gekommen sind«, begann Gunther, ohne einen der beiden direkt anzusehen. »Übermittelt Euren Herren und Königen folgende Botschaft...« Er richtete sich gerade auf und fuhr mit erhobener Stimme fort: »Wir, König Gunther von Burgund, erwidern die Ehrenbezeigungen König Lüdegers und König Lüdegasts und entbieten ihnen Unseren königlichen Gruß. Wir haben ihre Forderung erwogen, und es erfüllt Unser Herz mit Trauer, daß es ihre Absicht ist, den Krieg über die Grenzen Unseres Landes zu tragen. Burgund ist ein friedliches Reich, das in gutem Einvernehmen mit seinen Nachbarn lebt.« Seine Stimme wurde schärfer. »Doch Wir sind keineswegs wehrlos, und Wir beugen uns keiner Erpressung. Sagt Euren Herren, daß Wir das schändliche Angebot, Unsere Freiheit zu erkaufen, zurückweisen und sie warnen: Wenn sie nicht von ihrem Plan ablassen, werden Wir ihnen entgegentreten, wo immer sie es wünschen. Doch raten Wir ihnen, ihre Entscheidung gut zu überlegen. Ihre Häuser werden erfüllt sein vom Wehklagen der Mütter, Witwen und Waisen, und es werden Tote sein, die ihren Weg säumen, nicht Siege. Schmerz und Tränen werden sie heimbringen, keine Beute.« Seine Stimme wurde noch eine Spur schärfer. »Sagt ihnen dies: Bleibt, wo Ihr seid, und nehmt unsere Achtung und Freundschaft entgegen. Oder kommt als Eroberer und nehmt den Tod aus unserer Hand.«