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Nach dem Essen saßen wir auf einem kleinen Sofa in der Hotelhalle nebeneinander und tranken unseren Mokka.

«Natürlich brauchen wir jetzt, wo wir Nicky haben, nicht über Nacht hierzubleiben«, meinte sie.

«Möchtest du nach Hause fahren?«fragte ich.

«Etwa genausogern wie du.«

«Wer verführt hier eigentlich wen?«sagte ich.

«Mm«, meinte sie lächelnd.»Das kommt alles so unerwartet.«

Sie blickte ruhig auf meine linke Hand hinab, die zwischen uns auf dem Sofa lag. Ich wußte nicht, was sie dachte, aber einer plötzlichen Eingebung folgend sagte ich:»Berühr sie.«

Sie sah schnell auf.»Was?«

«Berühr sie. Faß sie an.«

Sie bewegte die rechte Hand zaghaft darauf zu, bis ihre Finger die harte, leblose Plastikhaut berührten. Sie zog sie nicht wieder zurück, in ihrem Gesicht zuckte kein Ekel auf.

«Innen ist sie aus Metall«, sagte ich.»Zahnrädchen, Gestänge, Stromkreise. Drück stärker drauf, dann kannst du es fühlen.«

Sie tat es, und ich sah ihre Überraschung, als sie die Form der inneren Realitäten erkundete.

«Da ist auch ein Schalter drin«, erklärte ich weiter.»Man kann ihn von außen nicht sehen, er sitzt unmittelbar unterhalb des Daumens. Man kann damit die Hand abschalten, wenn man will.«

«Und warum sollte man das wollen?«

«Sehr nützlich, wenn man Sachen tragen muß. Zum Beispiel eine Aktentasche. Man schließt die Finger um den Griff und stellt dann den Strom ab, und die Hand bleibt geschlossen, ohne daß man selbst dauernd dafür sorgen muß.«

Ich griff mit der rechten Hand hinüber und betätigte den Schalter, um ihr zu zeigen, wie es gemacht wurde.

«Ist wie ein Druckschalter bei einer Tischlampe«, sagte ich.

«Fühl mal. Drück ihn.«

Sie fummelte ein Weilchen herum, denn der Schalter war wirklich nicht ganz leicht zu finden, wenn man die Stelle nicht genau kannte, aber schließlich hatte sie ihn, stellte den Strom ab und wieder an. Ihr Gesicht zeigte nur Konzentration, sonst nichts.

Sie spürte, daß eine gewisse Anspannung in mir nachließ, und sah vorwurfsvoll auf.

«Du wolltest mich nur auf die Probe stellen, was?«sagte sie.

Ich lächelte.»Ja, wahrscheinlich.«

«Du bist gemein.«

Mich ritt unversehens der Teufel.»Ich kann sogar«, sagte ich, die Linke mit der Rechten haltend,»die Hand, wenn ich sie ein paarmal so herumdrehe, hier am Gelenk ganz abschrauben.«

«Tu’s nicht«, sagte sie entsetzt.

Ich lachte vor Freude. Ich hätte nie gedacht, daß ich jemals in der Lage sein würde, so mit meiner Hand umzugehen.

«Warum kann man sie da abschrauben?«fragte sie.

«Ach… Wartung, Reparatur, solche Sachen.«

«Du siehst so verändert aus«, sagte sie.

Ich nickte. Sie hatte recht.»Komm, laß uns ins Bett gehen.«

«Was für eine Riesenüberraschung«, sagte sie eine ganze Weile später.»Ich hätte nie und nimmer gedacht, daß du als Liebhaber so sanft bist.«

«Zu sanft?«

«Nein, ich fand’s sehr schön.«

Wir lagen schläfrig im Dunkeln. Sie selbst war empfänglich und großzügig gewesen und hatte mir die Sonne reinsten Entzückens scheinen lassen. Es war schade, dachte ich verschwommen, daß Sex so verdorben war durch Tabus und Techniken und Therapeuten und Schuldgefühle und Voyeurismus und das ganze kommerzielle Tamtam. Wenn zwei Menschen, wie von der Natur vorgesehen, zusammenkamen, sollten sie sich selbst überlassen bleiben — wenn man nicht zuviel erwartete, käme man viel besser zurecht. Man war so, wie man war. Selbst wenn ein Mädchen es gewollt hätte, hätte ich nie den aggressiven, sexuellen Draufgänger mimen können, denn ich hätte, dachte ich ironisch, sicher mittendrin angefangen, über mich selbst zu lachen. Und es war so, wie es gewesen war, sehr schön gewesen.

«Louise«, sagte ich.

Keine Antwort.

Ich drehte mich ein wenig, um noch bequemer zu liegen, und glitt wie sie in den Schlaf.

Ich wurde wie üblich früh wach und sah einige Zeit später zu, wie das Tageslicht auf ihrem schlafenden Gesicht immer heller wurde. Das blonde Haar lag so wirr um ihren

Kopf wie an dem Tag, an dem ich sie kennengelernt hatte, und ihre Haut sah weich und frisch aus. Als sie wach wurde, lächelte sie schon, bevor sie noch die Augen aufgeschlagen hatte.

«Guten Morgen«, sagte ich.

«Morgen.«

Sie schob sich in dem großen Bett, dessen sich oben am Betthimmel kräuselnder Musselinbesatz uns wie ein Rahmen umgab, näher zu mir.

«Als wenn man auf Wolken schliefe«, sagte sie.

Sie stieß gegen die harte Schale meines linken Armes, und es zuckte kurz in ihren Augen, als ihr wieder einfiel, was es war.

«Du schläfst doch nicht damit, wenn du allein bist, oder?«sagte sie.

«Nein.«

«Dann nimm sie ab.«

Ich sagte lächelnd:»Nein.«

Sie sah mich lange und nachdenklich an.

«Jenny hat schon recht, wenn sie meint, du wärst härter als Stahl«, sagte sie dann.

«Nein, das bin ich nicht.«

«Sie hat mir erzählt, daß du dir in dem Augenblick, als dir der Kerl den Arm zerschmetterte, in aller Ruhe zurechtgelegt hättest, wie du ihn schlagen könntest.«

Ich verzog das Gesicht.

«Stimmt das?«wollte sie wissen.

«In gewisser Weise ja.«

«Jenny hat gesagt…«

«Um ehrlich zu sein«, unterbrach ich sie,»ich würde lieber über dich sprechen.«»Ich bin nicht interessant.«

«Das nenne ich die richtige Anmache«, sagte ich.

«Worauf wartest du dann!«

«Ich mag dein verschämtes, jungmädchenhaftes Erröten so gern.«

Ganz leicht nur berührte ich ihre Brust, und das schien bei ihr die gleiche Wirkung zu haben wie bei mir. Unverzügliche Erregung, zu gegenseitiger Freude.

«Wolken«, sagte sie glücklich.»Woran denkst du dabei?«

«Beim Sex?«

Sie nickte.

«Ich fühle. Das ist kein Denken.«

«Manchmal sehe ich Rosen… an einem Spalier… scharlachrot und rosa und golden. Manchmal gezackte Sterne. Diesmal müßten es weiße Musselinwölkchen sein.«

Ich fragte sie — hinterher.

«Nein, nur hellster Sonnenschein. Fast blendend hell.«

Das Sonnenlicht war auch in Wirklichkeit in unser Zimmer geströmt und ließ den ganzen weißen Betthimmel durchsichtig schimmern.

«Warum wolltest du gestern abend die Vorhänge nicht zuziehen?«fragte sie.»Magst du die Dunkelheit nicht?«

«Ich mag nicht schlafen, wenn meine Feinde wach sind und nahe.«

Ich hatte den Satz gedankenlos von mir gegeben. Die Bedeutung des Gesagten kam erst danach über mich wie ein eiskalter Regenguß.

«Wie ein Tier«, sagte sie. Und dann:»Was ist los?«

Erinnere dich so an mich, wie ich bin, dachte ich. Und sagte laut:»Wie wär’s mit Frühstück?«

Wir fuhren nach Oxford zurück. Ich brachte den Film zum Entwickeln, und dann aßen wir im» Les Quat’ Saisons «zu Mittag, wo die köstliche Päte de turbot und das traumhafte Quenelle de brocket soufflee dazu beitrugen, die Schatten noch ein bißchen länger von mir fernzuhalten. Mit dem Kaffee aber kam der unvermeidliche Augenblick.

«Ich muß um vier in London sein«, sagte ich.

Louise meinte:»Wann willst du wegen Nicky zur Polizei gehen?«

«Ich komme am Donnerstag wieder her, also übermorgen, um die Fotos abzuholen. Dann erledige ich auch das. «Ich überlegte kurz.»Schenken wir der Dame in Bristol noch zwei glückliche Tage.«

«Armes Ding.«

«Sehe ich dich am Donnerstag?«fragte ich.