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Eddy Keith saß sehr still da und beobachtete mich nur. Ich erwiderte seinen Blick, und das wahrscheinlich mit der gleichen trügerischen Ausdruckslosigkeit. Woran er dachte, konnte ich nicht erraten. Ich jedenfalls dachte an unseren Einbruch in sein Büro — und wenn er diesen Gedanken lesen konnte, dann war er Hellseher.

Sir Thomas und seine Verwaltungsfachleute, die sich untereinander beraten hatten, hoben die Köpfe und hörten zu, als Lucas Wainwright eine Frage an mich richtete.

«Glauben Sie wirklich, Sid, daß es Deansgate selber war, der den Pferden die Injektion verabreicht hat?«Er schien es für unwahrscheinlich zu halten.»Er konnte ja wohl nicht gut in der Nähe der Pferde mit einer Spritze herumhantieren… und das gleich viermal.«

«Ich dachte zunächst auch«, antwortete ich,»daß es ein anderer gewesen sein könnte… etwa einer der Arbeitsjok-keys oder sogar ein Tierarzt. «Inky Poole und Brothersmith, dachte ich, würden mich wegen Verleumdung drankriegen, wenn sie das hätten hören können.»Aber es gibt eine Methode, mit der es so gut wie jeder fertigbrächte.«

Ich suchte erneut in den Taschen meines Jacketts und zog die Einwegpackung mit der an einer erbsengroßen Blase sitzenden Injektionsnadel hervor. Ich gab sie Sir Thomas, der sie öffnete und den Inhalt auf seinen Schreibtisch kippte.

Alle sahen hin. Verstanden sofort. Waren überzeugt.

«Es ist wahrscheinlicher, daß er es selbst erledigt hat«, sagte ich,»denn es wäre ihm sicher zu riskant gewesen, einen Mitwisser zu haben, der ihn dann in der Hand hätte.«

«Ich finde es verblüffend«, sagte Sir Thomas mit offensichtlicher Aufrichtigkeit,»wie Sie diese Dinge immer alle herausbekommen, Sid.«

«Aber ich.«

«Ja, ja«, sagte er lächelnd.»Wir alle wissen schon, was Sie sagen wollen. Im Herzen sind Sie immer noch Jok-key.«

Es trat ein Schweigen ein, das sehr lange zu dauern schien. Dann sagte ich:»Sie irren sich, Sir. Das da«- ich zeigte auf die Kassette —»das ist es, was ich jetzt bin. Und von nun an sein werde.«

Sein Gesichtsausdruck ernüchterte sich, er runzelte die Stirn, und es sah ganz so aus, als überprüfe er die Meinung, die er sich von mir gebildet hatte — wie es in letzter Zeit viele andere auch getan hatten. Er und auch Rosemary mochten in mir ja immer noch den Jockey sehen, ich aber tat das nun nicht mehr. Als er wieder das Wort ergriff, war seine Stimme eine Oktave tiefer und klang nachdenklich.

«Wir haben Sie unterschätzt. «Er machte eine Pause und fuhr dann fort:»Ich habe durchaus gemeint, was ich in Chester gesagt habe, nämlich daß Sie im Rennsport eine sehr positive Rolle spielen, aber ich muß auch zugeben, daß ich es mit Blick auf den Detektiv nicht ganz so ernst gemeint habe. «Er schüttelte langsam den Kopf.»Es tut mir leid.«

Lucas Wainwright sagte energisch:»Es ist uns allen inzwischen sehr viel deutlicher geworden, was für eine Rolle Sid übernommen hat. «Er war des Themas müde und wartete wie stets darauf, sich der nächsten Aufgabe zuwenden zu können.

«Haben Sie schon irgendwelche Vorstellungen, Sid, was Sie als nächstes unternehmen werden?«

«Mit den Caspars sprechen«, sagte ich.»Ich dachte mir, ich fahre morgen mal zu ihnen rauf.«

«Gute Idee«, meinte Lucas.»Hätten Sie was dagegen, wenn ich mitkäme? Die Geschichte ist jetzt natürlich Sache des Sicherheitsdienstes.«

«Und zu gegebener Zeit Sache der Polizei«, sagte Sir Thomas leicht bedrückt. Er betrachtete jede gerichtliche Verfolgung von Straftaten im Rennsport als Schande für die gesamte Industrie und neigte dazu, Leuten einiges durchgehen zu lassen, wenn ihre Verfolgung zu einem rufschädigenden Skandal führen konnte. Im großen und ganzen teilte ich diese Auffassung und hielt es genauso — allerdings nur, wenn die Angelegenheit unter der Hand so zu regeln war, daß es keine Wiederholung geben würde.

«Wenn Sie mitkommen, Commander«, sagte ich zu Lucas Wainwright,»darf ich Sie vielleicht bitten, einen Termin mit den Caspars auszumachen. Könnte sein, daß sie nach York fahren wollen. Ich wollte einfach relativ früh in Newmarket sein und dann auf gut Glück bei ihnen vorbeischauen, aber das ist Ihnen sicher nicht so lieb.«

«Ganz und gar nicht«, sagte er knapp.»Ich rufe sofort mal bei ihnen an.«

Er eilte in sein Arbeitszimmer, und ich steckte die Kassette in die Plastikhülle zurück und übergab sie Sir Thomas.

«Ich habe alles auf Band aufgenommen, weil die Geschichte doch ziemlich kompliziert ist und Sie es sich vielleicht gern noch mal anhören möchten.«

«Da haben Sie sehr recht daran getan, Sid«, sagte einer der Verwaltungsleute kläglich.»Diese ganze Geschichte mit den Tauben da.«

Lucas Wainwright kam wieder zurück.»Die Caspars sind in York, haben aber ein Luft-Taxi genommen und kommen heute abend zurück. George Caspar möchte sich morgen früh seine Pferde noch bei der Arbeit ansehen, bevor er wieder nach York fliegt. Ich habe seinem Sekretär gesagt, daß es sehr wichtig ist und ich Caspar unbedingt sprechen muß, und wir haben ein Treffen für elf Uhr vereinbart. Ist Ihnen das recht, Sid?«

«Ja, sehr.«

«Holen Sie mich hier ab? Sagen wir, neun Uhr?«

Ich nickte.»Okay.«

«Ich bin in meinem Büro und sehe die Post durch.«

Eddy Keith warf mir einen letzten, ausdruckslosen Blick zu und entfernte sich, ohne ein Wort gesagt zu haben.

Sir Thomas und die anderen Herren schüttelten mir und auch Chico die Hand, und als wir im Lift nach unten fuhren, meinte er:»Beim nächsten Mal küssen sie dich auch noch.«

«Das bleibt nicht so.«

Wir gingen zusammen zu der Stelle, wo ich mein Auto abgestellt hatte, aber nicht hätte abstellen dürfen. Ein Strafzettel steckte unter dem Scheibenwischer. Immer dasselbe.

«Fährst du zur Wohnung zurück?«fragte Chico und faltete sich in den Beifahrersitz.

«Nein.«

«Du denkst, die Jungs mit den Stiefeln sind noch immer.«

«Trevor Deansgate«, sagte ich.

Chicos Gesicht nahm einen halb spöttischen, halb verständnisvollen Ausdruck an.

«Angst, daß er dich jetzt zu Hackfleisch macht?«

«Er hat’s inzwischen sicher erfahren… von seinem Bruder«, sagte ich — und die mich beharrlich begleitende Angst durchfuhr mich so stark, daß ich erschauerte.

«Ja, schon möglich. «Ihn bekümmerte das nicht weiter.»Hör mal, ich habe dir diesen Bettelbrief mitgebracht…«Er langte in seine Hosentasche und zog ein vielfach gefaltetes und leicht angeschmuddeltes Stück Papier hervor. Ich beäugte es angewidert, las es dann durch. Haargenau das gleiche Schreiben, das Jenny verschickt hatte, nur diesmal mit einem schwungvollen» Elizabeth More «unterzeichnet und mit der Cliftoner Anschrift im Briefkopf.

«Ist dir eigentlich klar, daß dieser schmierige Fetzen Papier vielleicht als Beweisstück vorgelegt werden muß?«

«Hab’s halt in die Tasche stecken müssen«, sagte er, sich verteidigend.

«Was hast du denn sonst noch da drin? Komposterde?«

Er nahm mir den Brief aus der Hand, legte ihn ins Handschuhfach und kurbelte das Fenster runter.

«Heiß, was?«

«Hm.«

Ich drehte die Scheibe auf meiner Seite ebenfalls herunter, ließ den Motor an und fuhr ihn zu seiner Wohnung in der Finchley Road.

«Ich übernachte wieder in dem Hotel«, sagte ich.»Und, hör mal… begleite mich doch bitte morgen nach Newmarket.«

«Klar, wenn du willst. Aber wozu?«

Ich zuckte die Achseln und sagte möglichst unbeschwert:»Als Leibwächter.«

Er war überrascht, sagte verblüfft:»Du hast doch wohl

nicht wirklich Angst vor ihm… vor diesem Deansgate. oder?«

Ich rutschte ein bißchen im Sitz hin und her und seufzte.»Ich fürchte doch.«

Kapitel 17