«Der Erreger wandert schnurstracks zu den Herzklappen und ist im akuten Stadium im Blut nicht aufzuspüren, selbst wenn man an eine Krankheit dächte und nicht nur nach Drogen suchte. Erst später. und auch nur manchmal… gelangt er in die Blutbahn, wie es bei >Zingaloo< der Fall war, als wir ihm die Blutprobe abnahmen.«
«Soll das bedeuten«, verlangte Lucas zu wissen,»daß man, wenn man jetzt in diesem Augenblick das Blut von >Tri-Nitro< untersuchte, das Vorhandensein der Krankheit gar nicht nachweisen könnte?«
«Sie würden nur Antikörper finden«, erklärte Ken. Das schmeckte Lucas nicht.»Wie können wir dann aber vor Gericht beweisen, daß er sie hat?«
«Nun ja«, sagte Ken,»man könnte zum Beispiel heute die Zahl der Rotlauf-Antikörper ermitteln und dann noch einmal in einer Woche. Die Zahl hätte sich bis dahin drastisch erhöht, was beweisen würde, daß das Pferd die Krankheit hat, weil es sie ja abzuwehren versucht.«
Lucas schüttelte bekümmert den Kopf.»Einem Gericht wird so was kaum reichen.«
«Halten Sie sich an >Gleaner<«, sagte ich, und Ken pflichtete mir bei.
Danach verschwand Lucas in den Räumen des Jockey Club in der High Street, und Chico und ich zogen uns derweil in die Bar des» White Hart «zurück, um etwas zu trinken. Uns war sehr heiß.
Ich wechselte die Batterien aus. Reine Routine. Der Tag zog sich hin.
«Laß uns nach Spanien fahren«, sagte ich.
«Spanien?«
«Irgendwohin.«
«Ich hätte gegen eine Senorita nichts einzuwenden.«
«Du bist wirklich unmöglich.«
«Wer im Glashaus sitzt.«
Wir bestellten einen zweiten Drink und tranken — und uns war immer noch heiß.
«Was meinst du, wieviel wir kriegen?«fragte Chico.
«Mehr oder weniger das, was wir verlangen werden.«
George Caspar hatte gesagt, daß uns der Besitzer von >Tri-Nitro< die Welt zu Füßen legen wolle, falls das Pferd sich wieder erholte.
«Ein Honorar würde schon genügen«, hatte ich trocken erwidert.
Chico fragte:»Und was wirst du verlangen?«
«Ich weiß nicht«, sagte ich.»Vielleicht fünf Prozent von seinen Preisgeldern.«
«Da könnte er sich nicht beklagen.«
Schließlich und endlich brachen wir dann in dem angenehm kühlen Wagen in Richtung Süden auf und hörten uns im Radio die Übertragung der Dante Stakes in York an.
Zu meinem größten Vergnügen ging >Flotilla< als Sieger durchs Ziel.
Chico schlief danach auf dem Rücksitz ein, Lucas fuhr so ungeduldig wie auf der Hinfahrt, und ich saß still da und dachte an Rosemary und Trevor Deansgate und Nicholas Ashe und Trevor Deansgate und Louise und Trevor Deansgate.
Ein Stich nach dem anderen. »Ich werde meine Ankündigung wahr machen.«
Lucas setzte uns an der Einfahrt zu dem Parkplatz ab, auf dem ich den Scimitar stehengelassen hatte. Der würde jetzt ein richtiger Glutofen sein, dachte ich, wo er doch den ganzen Tag in der prallen Sonne gestanden hatte. Chico und ich gingen über den ungepflasterten, steinigen Platz zu ihm hin.
Chico gähnte.
Ein Bad, dachte ich. Ein kühler Drink. Abendessen. Wieder irgendwo ein Hotel suchen… nicht in der Wohnung schlafen.
Neben meinem Auto war ein Landrover mit einem für zwei Pferde ausgelegten Transporter geparkt. Komisch, dachte ich arglos, so einen mitten in London zu sehen. Chico, der noch immer gähnte, ging zwischen dem Anhänger und dem Scimitar durch und wartete darauf, daß ich die Wagentür aufschloß.
«Da drin wird’s bullig heiß sein«, sagte ich, suchte in meiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel und sah dabei nach unten in den Wagen.
Chico gab einen erstickten Laut von sich. Ich blickte auf und dachte verwirrt, wie ungeheuer schnell sich doch so ein langweiliger, heißer Nachmittag in eine eiskalte Katastrophe verwandeln konnte.
Ein großer Mann stand zwischen dem Pferdeanhänger und meinem Auto und hielt Chico, der mit dem Gesicht zu mir stand, fest mit seinem linken Arm umklammert. Er hielt ihn mehr oder weniger aufrecht, denn Chicos Kopf hing schlaff nach vorn.
In seiner rechten Hand hielt der Mann einen kleinen Knüppel mit birnenförmiger Verdickung.
Der zweite Mann ließ die Laderampe an der Rückseite des Anhängers herunter.
Es fiel mir nicht schwer, die beiden wiederzuerkennen. Als ich sie zum letzten Mal gesehen hatte, hatte ich bei einer Wahrsagerin gesessen, der meine Zukunftsaussichten nicht sonderlich gefallen hatten.
«Rein in den Anhänger, Freundchen«, sagte der, der Chico festhielt, zu mir.»Die rechte Box, Bürschchen. Ruhig und ganz fix. Sonst muß ich deinem Freund noch ein paar verpassen. Auf die Augen, Bürschchen, oder ins Genick.«
Auf der anderen Seite des Scimitar murmelte Chico etwas Unverständliches vor sich hin und bewegte dabei den Kopf. Der große Mann hob seinen Schlagstock und stieß erneut ein paar kurze, eindeutig schottisch eingefärbte Worte aus.
«Rein in den Hänger«, sagte er.»Rein mit dir, ganz nach vorne.«
Vor Wut kochend, ging ich hinten um mein Auto herum und über die Rampe in den Pferdeanhänger hinein. In die rechte Box, wie er gesagt hatte, und ganz nach vorn. Der zweite Mann hielt sich vorsichtig außer Reichweite, und sonst war niemand auf dem Parkplatz zu sehen.
Mir wurde bewußt, daß ich immer noch meine Autoschlüssel in der Hand hielt, und ich steckte sie ganz automatisch in die Hosentasche zurück. Schlüssel, Taschentuch, Geld… und in der linken Tasche nur eine leere Batterie. Keine Waffe irgendwelcher Art. Ein Messer im Strumpf, dachte ich. Ich hätte von Nicholas Ashe lernen sollen.
Der Mann, der Chico hielt, kam jetzt zur Rückseite des Anhängers. Halb trug und halb zerrte er sein Opfer in die linke Box.
«Ein Mucks, Bürschchen«, sagte er und blickte über die Trennwand in der Mitte zu mir herüber,»und ich geb deinem Freund hier was drauf. Auf die Augen, Bürschchen, und aufs Maul. Versuch um Hilfe zu schreien, Bürschchen, und deinem Freund bleibt nicht mehr viel, das wie’n Gesicht aussieht. Klar?«
Ich dachte an Mason in Tunbridge Wells, der nur so dahinvegetierte und blind war.
Ich sagte gar nichts.
«Ich bin während der ganzen Fahrt hier bei deinem Freund«, sagte Chicos Bewacher.»Denk dran, Bürschchen.«
Der zweite Mann hob die Rampe, schloß den Anhänger und sperrte das Sonnenlicht aus, so daß sofort tiefe Nacht um uns war. Viele dieser Anhänger hatten zwar an der hinteren Seite oben eine Öffnung — dieser aber nicht.
Mein Zustand ließ sich am besten mit dem Wort Erstarrung umschreiben.
Der Motor des Landrovers wurde angelassen, der Anhänger setzte sich in Bewegung und wurde rückwärts aus der Parklücke geschoben. Das reichte schon aus, um mich gegen die Seitenwand kippen zu lassen und mir zu zeigen, daß ich in aufrechter Haltung nicht sehr weit kommen würde.
Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, die doch nicht tiefschwarz war, weil die Rampe nicht an allen Stellen dicht schloß. Auch wenn das von keinerlei Bedeutung war, konnte ich schließlich erkennen, welche Umbauten vorgenommen worden waren, um aus dem Pferdeanhänger ein ausbruchssicheres Transportmittel zu machen: die zusätzliche Platte an der Rückseite, mit der die Öffnung geschlossen worden war, die normalerweise der Belüftung diente, und noch eine weitere im Innenraum, die dafür sorgte, daß die mittlere Trennwand nicht nur bis Kopfhöhe, sondern bis zum Dach des Hängers reichte.