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Was den Rest anbetraf, so handelte es sich dabei nach wie vor um eine Box, die so stabil gebaut war, daß sie dem Gewicht und den Hufschlägen eines Pferdes standhielt. Ich saß hilflos auf dem mit lehmigem Schmutz bedeckten, im übrigen aber nackten Boden, und die finstersten Mordgedanken gingen mir durch den Kopf.

Nach all der ungeplanten Herumfahrerei hatte ich Lucas Wainwrights Angebot, mit seinem Wagen zu fahren, dankbar angenommen — und hirnrissigerweise mein Auto den ganzen Tag an einem Ort stehen lassen, wo es jeder sehen konnte. Sie mußten meine Spur gestern beim Jockey Club aufgenommen haben, dachte ich. Entweder gestern oder heute morgen. Aber gestern war der Parkplatz voll gewesen, und ich hatte das Auto irgendwo auf der Straße stehen lassen und ein Knöllchen dafür bekommen.

Ich war nicht in meiner Wohnung gewesen. Ich war nicht nach Aynsford hinausgefahren. Ich war nicht im» Cavendish «oder an sonst einem der Orte gewesen, die ich regelmäßig aufsuchte.

Ich war nur beim Jockey Club gewesen.

Ich saß da und fluchte und dachte an Trevor Deansgate.

Die Fahrt dauerte weit über eine Stunde — eine heiße, durchrüttelnde, deprimierende Zeit, die ich im wesentlichen damit zubrachte, mir ganz bewußt nicht die Frage zu stellen, was an ihrem Ende wohl auf uns warten mochte. Nach einer Weile konnte ich Chico durch die Trennwand hindurch sprechen hören, aber nicht verstehen, was er sagte. Die ausdruckslose, dröhnende, aus Glasgow stammende Stimme antwortete in kürzeren Sätzen, grollte wie Donner.

Zwei Profis aus Glasgow, hatte Jacksy gesagt. Der bei Chico war mit Sicherheit einer. Nicht der gewöhnliche, draufhauende, hirnlose Schläger, sondern ein beinharter Kerl mit Grips — und deshalb um so schlimmer.

Schließlich hörte das Stoßen und Schlingern auf, und ich konnte hören, wie die Anhängerkupplung gelöst wurde und der Landrover davonfuhr. In der plötzlichen Stille hörte ich ganz deutlich, wie Chico sagte:

«Was geht denn hier vor?«Er klang immer noch ziemlich groggy.

«Das wirst du bald genug erfahren, Bürschchen.«

«Wo ist Sid?«wollte Chico nun wissen.

«Sei still, Bürschchen.«

Ein Schlag war nicht zu hören, aber Chico war still.

Der Mann, der die Rampe hochgehoben und geschlossen hatte, kam und ließ sie wieder herunter, und das Abendlicht dieses Mittwochs strömte zu uns in den Anhänger.

«Raus«, sagte er.

Er wich ein Stück zurück, als ich vom Boden aufstand, und er hielt eine Heugabel in Bereitschaft, die spitzen Zinken auf mich gerichtet.

Ich starrte aus der Tiefe des Pferdeanhängers nach draußen und wußte, wo wir uns befanden. Der abgekoppelte

Hänger stand in einem Gebäude, und dieses Gebäude war die Reithalle auf dem Hof von Peter Rammileese.

Holzverkleidete Wände, Fensterluken oben im Dach, wegen der Hitze geöffnet. Niemand konnte von draußen hier hineinsehen.

«Raus!«sagte der Mann erneut und hob ruckartig die Heugabel.

«Mach, was er sagt, Bürschchen«, erklang die drohende Stimme des Mannes drüben bei Chico.»Und ein bißchen plötzlich.«

Ich tat, was er sagte.

Ging die Rampe hinunter und betrat den schallschluk-kenden, bräunlichen Sägemehlboden der Reithalle.

«Da rüber!«Er gestikulierte mit der Forke.»An die Wand.«

Seine Stimme war rauher als die von Chicos Bewacher, und sein Akzent noch ausgeprägter. Er wirkte so einschüchternd, daß mir keine andere Wahl blieb.

Ich ging und hatte dabei das Gefühl, als gehörten meine Füße gar nicht mehr mir.

«An die Wand da, Gesicht zu mir.«

Hinter dem Mann mit der Gabel stand — was ich aus dem Anhänger nicht hatte sehen können — Peter Rammileese. Auf seinem Gesicht lag eine häßliche Mischung aus Befriedigung, Spott und Vorfreude — etwas ganz anderes als die vorsichtige Konzentration seiner beiden Handlanger. Er hatte, so nahm ich an, vorhin den Landrover weggefahren.

Chicos Bewacher brachte diesen an den Rand der Laderampe und hielt ihn dort fest. Halb stand Chico und halb lehnte er sich gegen den Schotten, lächelte ein bißchen und war völlig durcheinander.

«Hallo, Sid«, sagte er.

Der Mann, der ihn hielt, hob seinen Schlagstock und sagte zu mir:»Jetzt hör mal gut zu, Bürschchen. Du bleibst mucksmäuschenstill stehen. Keine Bewegung. Wenn du dich rührst, mach ich deinen Freund so schnell so platt, daß du’s gar nicht mitkriegst. Verstanden?«

Ich antwortete ihm nicht. Gleich darauf nickte er dem mit der Heugabel auffordernd zu.

Der kam langsam und vorsichtig auf mich zu, zeigte mir die Zinken seiner Forke.

Ich blickte zu Chico hinüber. Sah den Schlagstock. Sah die Schäden, die ich nicht riskieren durfte.

Ich stand… ganz still.

Der Mann mit der Heugabel hob diese an, bis ihre Zinken nicht mehr auf meine Magengegend, sondern auf mein Herz gerichtet waren, und dann noch höher. Langsam, vorsichtig kam er immer näher, bis eine Zinke meine Kehle berührte.

«Halt still«, sagte der Mann bei Chico warnend.

Ich hielt still.

Die Zinken der Gabel glitten an meinem Hals vorbei, auf jeder Seite eine, unterhalb meines Kinns, bis ihre Spitzen auf die Holzfläche in meinem Rücken trafen. Schoben dabei meinen Kopf nach hinten. Nagelten mich an die Bretterwand, ohne mir irgendeine Verletzung zuzufügen. Besser, als wenn sie mir durch die Haut gefahren wären, dachte ich benommen, was aber kaum dazu angetan war, meine Selbstachtung zu stärken.

Als er die Forke da hatte, wo er sie haben wollte, stieß er den Stiel kräftig nach vorn, so daß sich die Zinken in das Holz gruben. Dann stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Stiel, damit ich die Gabel nicht verrücken und mich befreien konnte. Ich war mir selten so hilflos und töricht vorgekommen.

Der andere Mann wirkte plötzlich ganz entspannt, schleppte Chico die Laderampe hinunter und verpaßte ihm einen kräftigen Stoß ins Kreuz, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Kraftlos wie eine Stoffpuppe flog er in die weichen Sägespäne, und sein Bewacher kam zu mir herüber, um sich davon zu überzeugen, daß die Kraft, die mich an Ort und Stelle festhielt, ausreichte.

Er nickte seinem Partner zu.»Konzentrier dich ganz auf den hier«, sagte er zu ihm,»und kümmre dich nicht um das andre Bürschchen. Das mach ich schon.«

Ich sah mir ihre Gesichter an, die ich nie wieder vergessen würde.

Die harten, abgestumpften Züge. Die kalten Augen, wachsam und gefühllos. Das schwarze Haar und die blasse Haut. Die kleinen Köpfe auf den stämmigen Nacken. Die Ohren und die schweren Kinne mit den schwärzlichen Bartstoppeln. Ende dreißig, vermutete ich. Beide waren einander sehr ähnlich — und beide gingen mit der methodischen Brutalität des erfahrenen Söldners vor.

Peter Rammileese, der jetzt nähertrat, wirkte im Vergleich mit ihnen geradezu harmlos. Trotz der Mißbilligung seiner Kumpanen legte er die Hand auf den Mistgab elstiel und versuchte, daran zu rütteln. Es schien ihn zu überraschen, daß es nicht ging.

Er wandte sich an mich und sagte:»Sie werden Ihre Rotznase nicht mehr in Sachen stecken, die Sie nichts angehen, wenn das hier vorbei ist.«

Ich würdigte ihn keiner Antwort. Hinter den dreien kam plötzlich Chico auf die Beine, und einen kurzen Augenblick lang hoffte ich, daß er die Betäubung nur vorgetäuscht hatte, in Wirklichkeit hellwach war und bereit, seine Judokünste zu wirkungsvollem Einsatz zu bringen.

Aber das war nur ein Augenblick. Der Tritt, den er dem

Manne verpaßte, der ihn festgehalten hatte, hätte nicht einmal ein Kartenhaus zum Einsturz bringen können. In hilfloser Wut mußte ich mit ansehen, wie der Schlagstock erneut auf seinen Schädel niedersauste, ihn in die Knie gehen ließ und sein Hirn noch mehr benebelte.

Der Mann mit der Heugabel tat das, was ihm aufgetragen worden war, und konzentrierte sich ganz darauf, den auf den Gabelstiel ausgeübten Druck nicht schwächer werden zu lassen. Ich zerrte daran und wand mich verzweifelt, um mich zu befreien, aber meine Anstrengungen blieben vergeblich. Der große Mann bei Chico löste seinen Hosengürtel.