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Ich sah mit ungläubigem Staunen, daß das, was er da um seine Taille gehabt hatte, gar kein Ledergürtel war, sondern eine längere, dünne, feingliedrige Kette, wie man sie etwa in Standuhren findet. An einem Ende hatte er eine Art Griff befestigt, den er nun in die Hand nahm. Dann schlug er weit ausholend zu, so daß das freie Ende durch die Luft sauste und sich um Chico wand.

Chicos Kopf schoß hoch, seine Augen und sein Mund öffneten sich weit vor Staunen, als habe der neue Schmerz wie ein Flammenwerfer die Nebel des alten vertrieben. Der Mann holte erneut aus, und wieder sauste die Kette auf Chico hinab, und ich konnte mich schreien hören:»Ihr Schweine, ihr verdammten Schweine…«, was aber nicht das geringste änderte.

Chico kam schwankend auf die Beine und machte ein paar stolpernde Schritte, wollte seinem Peiniger entkommen, aber der folgte ihm und schlug, offenbar stolz auf sein Tun, mit nicht nachlassender Grausamkeit auf ihn ein.

Ich schrie zusammenhanglose Worte heraus, schrie, er solle aufhören… spürte Zorn und Schmerz und die Qual des Gedankens, daß ich an all dem schuld war. Wenn ich

Chico nicht nach Newmarket mitgenommen hätte… wenn ich nicht solchen Schiß vor Trevor Deansgate gehabt hätte… weil ich Angst gehabt hatte, war Chico hier… jetzt…

o Gott… dieses Schwein. Aufhören… aufhören… Ich zerrte an der Mistgabel und konnte mich nicht losreißen.

Chico wankte, stolperte, kroch auf allen vieren ziellos in der Reithalle umher und blieb schließlich nicht weit von mir entfernt im Sägemehl liegen, das Gesicht nach unten. Der dünne Baumwollstoff seines Hemdes zuckte jedesmal, wenn die Kette ihn traf, und ich sah, wie hier und da blutigrote Streifen das Gewebe färbten.

Chico. Gott im Himmel.

Erst als er vollkommen bewegungslos dalag, hörte die Quälerei auf. Der Mann blieb neben ihm stehen, blickte abschätzend auf ihn hinab und hielt seine Kette locker in der Hand.

Peter Rammileese sah irgendwie verwirrt und erschrocken aus, obwohl er es doch gewesen war, der das alles arrangiert, der uns hierher gebracht hatte.

Zum ersten Mal wandte jetzt der Mann mit der Heugabel den Blick von mir ab und der Stelle zu, wo Chico lag. Das hatte nur eine winzige Verlagerung seines Gewichtes zur Folge, verminderte aber doch den Druck an meinem Hals. Ich zerrte mit einer Kraft an dem Stiel, auf die er nicht gefaßt war, und es gelang mir tatsächlich, von der Wand loszukommen — und es war nicht der Mann bei Chico, auf den ich mit blutrünstiger Wut zustürzte, sondern Peter Rammileese, der mir näher war.

Ich schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht — und ich schlug ihn mit meiner linken Hand, einem Knüppel, in dem hochentwickelte Technik im Wert von gut zweitausend Pfund steckte.

Er kreischte auf und legte die Arme schützend um den

Kopf, und ich sagte in wilder Wut» Dreckskerl!«und schlug noch einmal zu, traf diesmal seine Rippen.

Das war der Moment, wo sich der Mann bei Chico mit mir zu befassen begann, und ich entdeckte wie Chico, daß das erste, was man spürte, ein Staunen war. Der schneidende Schmerz war unglaublich heftig, und nach der Wucht des Aufpralls folgte ein anhaltendes Brennen. Ich ging mit einer Wut auf den Kerl los, von der ich nicht gedacht hätte, daß ich sie empfinden könnte — und jetzt war er es, der vor mir zurückwich.

Den nächsten Hieb seiner Kette fing ich mit meinem gefühllosen Arm auf. Das freie Ende wickelte sich um den Unterarm, und ich zog mit solcher Heftigkeit daran, daß ihm der Griff, ein Stück zusammengenähtes Leder, aus der Hand flog und auf mich zugesaust kam. Wären nur wir beide dort in der Halle gewesen, hätte ich Chico gerächt und uns den Weg aus der Reithalle freigekämpft, denn die Art und Weise, wie ich ihn attackierte, hatte nichts mit Kaltblütigkeit zu tun.

Ich fing den Ledergriff auf, und als sich die feingliedrige Kette von meinem Arm gelöst hatte, schwang ich sie kreisend über dem Kopf und ließ sie ihm dann mit voller Wucht um die Schultern sausen. Seinen weit aufgerissenen Augen und dem zornerfüllten, schottischen Aufschrei entnahm ich, daß er zum ersten Mal am eigenen Leibe erfuhr, was er bisher nur anderen angetan hatte.

Zu diesem Zeitpunkt aber griff die Reserve ein, der Heugabelmann — und wenn ich vielleicht auch mit einem hätte fertigwerden können, gegen zwei hatte ich keine Chance.

Er ging mit den tückischen Zinken auf mich los, und obwohl ich ihnen auswich wie ein Stierkämpfer, packte sein Kumpan mit beiden Händen meinen rechten Arm, wild entschlossen, sich seine Kette wiederzuholen. Ich fuhr mit einem Satz zu ihm herum und schlug ihm mit der Innenseite meines metallenen Handgelenks so hart aufs Ohr, daß ich den Aufprall durch meinen Ellbogen und Oberarm bis hinauf in die Schulter spüren konnte.

Für einen Sekundenbruchteil sah ich ihm aus nächster Nähe in die Augen, erkannte darin die ganze Erfahrung des harten Schlägers und wußte, daß er sich nicht auf die Laderampe des Pferdeanhängers setzen und jammern würde, wie es Peter Rammileese getan hatte.

Der Schlag gegen seinen Kopf hatte seinen Griff trotzdem so gelockert, daß ich mich von ihm losreißen und wegspringen konnte, den Griff der Kette noch immer fest umklammert. Ich drehte mich um und suchte den Heugabelmann. Der hatte seine Waffe inzwischen beiseite geworfen und löste gerade seinen Gürtel. Ich stürzte auf ihn zu, während er noch mit beiden Händen an seiner Taille herumfummelte, und machte auch ihn mit den Realitäten der von ihnen gewählten Kriegführung bekannt.

In der halben Sekunde, in der die beiden Schotten vom Schock wie erstarrt waren, machte ich kehrt und rannte auf die Tür los, hinter der es irgendwo Menschen, Hilfe und Sicherheit geben mußte.

Durch Sägemehl zu rennen ist so, als liefe man durch Sirup, und obwohl ich bis zur Tür kam, kam ich nicht hinaus, denn es handelte sich um ein riesiges Ding, wie ein großes Stück Wand, das sich auf Rollen nach einer Seite hin aufschieben ließ und mit einem schweren, in den Boden versenkten Riegel verschlossen war.

Der Heugabelmann holte mich dort ein, bevor ich den Riegel hochkriegte, und ich bekam zu spüren, daß es sich auch bei seinem Gürtel nicht um Leder, aber auch nicht um eine Kette aus dem Inneren einer Standuhr handelte, sondern eher um eine, mit der man Wachhunde ankettet. Weniger Biß, mehr Wucht.

Ich hatte nach wie vor die dünne Kette und warf mich, weil ich eben noch an dem Riegel gezerrt hatte, in gebückter Haltung herum, so daß sie sich um seine Beine wand. Er stöhnte laut und warf sich auf mich, und ich hatte plötzlich den anderen Burschen direkt hinter mir, so daß nun beide mich packten und ich ihnen von da an leider keinen Schaden mehr zufügen konnte, obwohl ich es an weiteren Versuchen durchaus nicht fehlen ließ.

Der Große bekam seine Kette wieder, weil er stärker war als ich und meine Hand gegen die Wand schlug, um ihren Griff zu lockern, während der andere mich fest umklammert hielt. Und ich dachte, ich werd’s euch, verdammt noch mal, nicht leichtmachen, ihr sollt ruhig was tun für euer Geld — und riß mich wieder los und war auf und davon, so daß sie hinter mir her mußten, durch die Halle und um den Pferdeanhänger herum und an den Wänden entlang und wieder zurück zur Tür.

Es gelang mir sogar, die Heugabel aufzuheben und sie damit eine Weile auf Distanz zu halten, dann schleuderte ich sie nach dem einen und verfehlte ihn leider. Und weil man Schmerzen in vieles andere verwandeln kann, um sie nicht zu spüren, entfesselte ich in mir noch mehr Ärger und Wut und Zorn und konzentrierte mich ganz auf diese Gefühle, um einen Schutzschild zu haben.

Ich endete — wie Chico — stolpernd und schwankend und kriechend und schließlich bewegungslos auf dem weichen Untergrund ausgestreckt. Nicht weit von der Tür entfernt… aber sehr weit von jeder Hilfe.