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Sie werden aufhören, jetzt, wo ich stillhalte, dachte ich… sie werden gleich aufhören — und sie taten es.

Kapitel 18

Ich lag mit dem Gesicht in den Sägespänen und hörte, wie sie keuchend über mir standen — beide atmeten schwer nach der Anstrengung.

Peter Rammileese war offensichtlich zu ihnen getreten, denn ich hörte seine Stimme ganz nah, voll von Gehässigkeit und undeutlich murmelnd.

«Macht ihn kalt«, sagte er.»Hört jetzt nicht auf, sondern macht ihn kalt.«

«Den kalt machen?«sagte der Mann, der Chicos Bewacher gewesen war.»Sie spinnen wohl!«Er hustete, sog schnaufend Luft ein.»Das Bürschchen.«

«. hat mir den Kiefer gebrochen.«

«Dann machen Sie ihn doch selber kalt. Wir tun’s jedenfalls nicht.«

«Und wieso nicht? Er hat Ihnen das halbe Ohr abgesäbelt.«

«Jetzt kommen Sie mal zu sich, Mann. «Er hustete wieder.»Wir hätten doch innerhalb von fünf Minuten die Bullen am Hals. Wir sind schon viel zu lange hier unten. Uns haben zu viele Leute gesehen. Und das Bürschchen hier hat für jeden Wetter in Schottland Geld gewonnen. Wir säßen in weniger als einer Woche im Bau.«

«Ich will, daß ihr ihn kaltmacht«, sagte Peter Rammi-leese hartnäckig.

«Sie zahlen doch gar nicht«, sagte der Schotte ruhig, noch immer schwer atmend.»Wir haben unseren Auftrag

ausgeführt, und damit hat sich’s. Wir gehen jetzt zu Ihnen rein, trinken ein Bierchen, und wenn’s dunkel ist, laden wir die beiden wie besprochen irgendwo ab. Und dann ist Sense. Wir fahren noch heute nacht zurück in den Norden, wir sind nämlich schon viel zu lange hier unten.«

Sie gingen weg, schoben die Tür auf und traten hinaus auf den Hof Ich hörte das knirschende Geräusch der Kieselsteine unter ihren Füßen, hörte, wie die Tür sich wieder schloß und dann mit metallischem Scharren der Riegel an der Außenseite zugeschoben wurde, der verhindern sollte, daß Pferde hinausgelangten, und wohl auch für Menschen ausreichte.

Ich bewegte den Kopf ein wenig, um meine Nase aus den Sägespänen herauszubekommen, sah nur deren Farbe, da sie viel zu dicht vor meinen Augen waren, um sie im einzelnen erkennen zu können, blieb einfach liegen, wo ich lag, und fühlte mich formlos, wie zu Brei zerquetscht, dumm und geschlagen. Gelee. Lebendes Gelee. Rot. Brennend. Wie in einem Schmelzofen verglühend.

Es wurde wirklich ein Haufen romantischer Schwachsinn geschrieben, dachte ich, von wegen daß man vor Schmerzen ohnmächtig würde. Das wurde man keineswegs, weil die Natur das gar nicht vorgesehen hatte, der Mechanismus dazu fehlte. Die sensorischen Nerven hatten keine pannensichere Ab schaltvorrichtung, sondern übermittelten so lange Botschaften, wie es Botschaften zu übermitteln gab. Es hatte sich über die Jahrtausende kein anderes System entwickelt, weil es nicht erforderlich gewesen war. Nur der Mensch, dieses wildeste aller Tiere, fügte seinem Artgenossen Schmerzen um der Schmerzen willen zu.

Ich dachte: Ich habe das schon mal kurz geschafft, nach viel zu langer Zeit. Ich dachte: Dies hier ist nicht so schlimm wie damals, also werd ich wach bleiben, also denke ich mir besser etwas aus, worüber ich nachdenken kann. Wenn man schon nicht verhindern konnte, daß die Botschaft weitergeleitet wurde, so konnte man doch immerhin die Rezeptoren ablenken und dafür sorgen, daß sie ihr keine große Beachtung schenkten — wie bei der Akupunktur. Und ich hatte im Laufe der Jahre auf diesem Gebiet eine Menge Übung gehabt.

Ich dachte an eine Nacht, die ich in einem Zimmer verbracht hatte, von dem aus man die Krankenhausuhr sehen konnte. Um mich von meinem ziemlich fürchterlichen Zustand abzulenken, hatte ich die Minuten gezählt. Das heißt, wenn ich die Augen schloß und fünf Minuten zählte, dann sollten, wenn ich sie wieder aufmachte, eigentlich fünf vergangen sein. Aber jedesmal, wenn ich die Augen öffnete, um nachzusehen, waren erst vier herum. Das war eine sehr lange Nacht gewesen. Heute wußte ich Besseres zutun.

Ich dachte an John Viking in seinem Ballon und stellte mir vor, wie er über den Himmel dahinfuhr, die blauen Augen strahlend vor Freude darüber, daß er gerade wieder gegen irgendwelche Sicherheitsbestimmungen verstoßen hatte. Ich dachte an >Flotilla< und meinen morgendlichen Ritt in Newmarket und an seinen Sieg in den Dante Stakes in York. Ich dachte an Rennen, die ich geritten und die ich gewonnen oder verloren hatte. Und ich dachte an Louise, ziemlich viel an Louise und an Himmelbetten.

Hinterher schätzte ich, daß Chico und ich über eine Stunde lang bewegungslos dort gelegen waren, obwohl ich in dieser Phase kein klares Zeitgefühl hatte. Der erste, wahrnehmbare Einbruch der unerfreulichen Gegenwart in mein Bewußtsein war das Geräusch des scharrend zurückgezogenen, an der Außenseite der Tür befindlichen Riegels. Dann wurde die Tür knirschend ein Stück aufgeschoben. Sie wollten uns, hatten sie gesagt, nach Einbruch der Dunkelheit irgendwo abladen — aber es war noch gar nicht dunkel.

Auf dem weichen Untergrund waren keine Schritte zu hören, weshalb das nächste, was ich vernahm, eine Stimme war.

«Schlafen Sie?«

«Nein«, sagte ich.

Ich drehte den Kopf ein wenig und sah den kleinen Mark, der im Schlafanzug neben mir kauerte und mich mit der ganzen Besorgtheit eines sechsjährigen Jungen anschaute. Hinter ihm stand die Tür gerade so weit offen, daß er seinen schmächtigen Körper hatte hindurchzwängen können. Auf der anderen Seite der Tür, draußen auf dem Hof, stand der Landrover.

«Sieh doch mal nach, ob mein Freund da wach ist«, sagte ich.

«Okay.«

Er richtete sich auf und ging zu Chico hinüber, und ich hatte mich, als er mit seinem Lagebericht zurückkam, aus meiner liegenden in eine kniende Stellung hochgearbeitet.

«Er schläft«, sagte er und sah mich ängstlich an.»Ihr Gesicht ist ja ganz naß. Ist Ihnen heiß?«

«Weiß dein Vater, daß du hier bist?«fragte ich.

«Nein, tut er nicht. Ich mußte früh ins Bett, aber ich hab eine Menge Gezanke gehört. Ich glaub, ich hab mich gefürchtet.«

«Wo ist dein Papa jetzt?«erkundigte ich mich.

«Im Wohnzimmer. Mit so Freunden von ihm. Er hat sich im Gesicht weh getan und ist stinkwütend.«

Ich brachte so etwas wie ein Lächeln zustande.»Sonst noch was?«»Mama hat ihn gefragt, was er denn erwartet hätte, und sie haben dann alle was getrunken. «Er überlegte ein Weilchen.

«Einer von den Freunden hat gesagt, sein Trommelfell ist geplatzt.«

«Wenn ich du wäre«, sagte ich,»dann würde ich ganz schnell wieder in mein Bett gehen, damit sie dich nicht hier erwischen. Sonst kriegt dein Papa vielleicht auch auf dich ’ne Stinkwut, und das wäre sicher nicht lustig, könnte ich mir vorstellen.«

Er schüttelte den Kopf.

«Also dann… Gute Nacht«, sagte ich.

«Gute Nacht.«

«Und laß die Tür offen«, sagte ich noch.»Ich mach sie dann zu.«

«Ist gut.«

Er bedachte mich mit einem vertrauensvollen, ein bißchen verschwörerischen Lächeln und drückte sich durch die Tür hinaus, um sich zurück in sein Bett zu schleichen.

Ich kam auf die Beine, wankte ein wenig umher, erreichte dann aber doch die Tür.

Der Landrover stand ungefähr drei Meter entfernt. Wenn der Schlüssel steckte, dachte ich, warum dann erst darauf warten, daß die uns irgendwo abluden? Zehn Schritte. Ich lehnte mich gegen die grau-grüne Karosserie und schaute durch die Seitenscheibe.

Schlüssel. Im Zündschloß.

Ich ging in die Reithalle und zu Chico zurück, kniete mich neben ihn, weil das wesentlich weniger anstrengend war, als sich zu ihm hinabzubeugen, und sagte:»Los, wach auf! Zeit zu gehen.«

Er stöhnte.

«Chico, du mußt gehen. Ich kann dich nicht tragen.«

Er öffnete die Augen. Noch immer ziemlich durcheinander, dachte ich, aber doch schon sehr viel besser.