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«Das war doch aber nicht deine Schuld«, entgegnete ich.

«Nein, es war deine. Dein Egoismus, deine Sturheit. Dein verdammter Siegeswille. Du tätest wirklich alles, um nur ja zu gewinnen. Du mußt immer gewinnen. Du bist so hart. Hart gegen dich selbst. Bist dir selbst gegenüber unbarmherzig. Damit konnte ich nicht leben. Niemand kann das. Frauen möchten einen Mann, der auch mal zu ihnen kommt, um sich trösten zu lassen. Der sagt, du, ich brauche dich, tröste mich, küß mir meine Sorgen fort. Aber du… du kannst das nicht. Du baust immer eine Mauer um dich auf und schlägst dich in aller Stille mit deinen Problemen rum, wie jetzt auch. Erzähl mir doch nicht, daß du nicht verletzt wärst, denn das habe ich schon zu oft an dir gesehen… die Art, wie du dir dann den Kopf hältst… und diesmal ist’s sehr schlimm, das kann ich wohl sehen. Aber du würdest nie sagen, komm, Jenny, halt mich fest, hilf mir, ich möchte weinen, du nicht. Oder?«

Sie hielt inne und machte eine traurige, kleine Handbewegung in die Stille hinein.

«Siehst du?«sagte sie dann.»Du bringst es nicht über die Lippen.«

Nach einer weiteren, sehr langen Pause sagte ich:»Nein.«

«Gut«, sagte sie,»aber ich brauche einen Mann, der sich nicht so total unter Kontrolle hat. Ich brauche einen, der keine Angst vor Gefühlen hat, einen, der schwächer ist. Ich kann in dieser Art von Fegefeuer, zu dem du dein Leben machst, nicht existieren. Ich brauche einen, der auch mal zusammenbrechen kann, ich brauche halt… einen ganz normalen Mann.«

Sie stand auf, kam zu mir und küßte mich auf die Stirn.

«Ich habe lange gebraucht, bis mir das alles klar geworden ist«, sagte sie.»Und bis ich es aussprechen konnte. Aber jetzt bin ich froh, daß ich es geschafft habe. «Sie wandte sich ihrem Vater zu.

«Sag Mr. Quayle, daß ich von Nicky geheilt bin und keine Schwierigkeiten mehr machen werde. Ich glaube, ich fahre nach Hause, in meine Wohnung. Ich fühle mich jetzt sehr viel besser.«

Sie ging mit Charles zur Tür, blieb dort noch einmal stehen und drehte sich zu mir um.»Auf Wiedersehen, Sid«, sagte sie.

«Auf Wiedersehen«, antwortete ich — und ich wollte noch sagen: Komm, Jenny, halt mich fest, hilf mir, ich möchte weinen. Aber ich konnte es nicht.

Kapitel 19

Am folgenden Tag fuhren Charles und ich in seinem Rolls-Royce nach London — ich immer noch in ziemlich ermattetem Zustand und Charles der Ansicht, daß wir alles auf Montag verschieben sollten.

«Nein«, sagte ich.

«Aber selbst für dich ist das beängstigend… und dir graut doch davor.«

Wenn mir vor etwas graute, dachte ich, dann war es Trevor Deansgate, der bestimmt nicht stillhalten würde, bloß weil ich auch noch andere Probleme hatte. Was den Zweck dieser Fahrt anbetraf, war» Grauen «ein zu starkes Wort — und» Widerwille «ein zu schwaches. Vielleicht war» Abscheu «angemessen.

«Wir bringen das lieber heute hinter uns«, sagte ich.

Er erhob keine weiteren Einwände. Er wußte, daß ich recht hatte, sonst hätte ich ihn auch gar nicht dazu überreden können, mich zu fahren.

Er setzte mich am Portman Square am Eingang zum Jockey Club ab, fuhr dann zum Parkplatz, um den Wagen dort abzustellen, und kam zu Fuß nach. Ich wartete in der Eingangshalle auf ihn, und dann fuhren wir zusammen im Lift nach oben, er in seinem der City vorbehaltenen Anzug, ich nur in Hemd und Hose, das heißt ohne Jackett und Krawatte. Es war immer noch sehr heiß. Dieses Wetter dauerte nun schon eine Woche an, und es sah ganz so aus,als seien alle Menschen braungebrannt und gesund, nur ich nicht.

Im Lift war ein großer Spiegel angebracht. Aus dem starrte mich mein Gesicht an, grau und hohlwangig, über der Stirn, etwa in Höhe des Haaransatzes, der rote Streifen eines verheilenden Schnitts und seitlich am Unterkiefer ein schwärzlicher Bluterguß. Abgesehen davon sah ich aber doch ruhiger, weniger ramponiert und normaler aus, als ich mich fühlte, was mich sehr erleichterte. Wenn ich mich zusammennahm, müßte ich eigentlich in der Lage sein, den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Wir gingen auf direktem Wege in das Büro von Sir Thomas Ullaston, der uns bereits erwartete. Begrüßung, Händeschütteln, das Übliche.

Dann sagte Sir Thomas zu mir:»Ihr Schwiegervater hat mir gestern am Telefon gesagt, daß Sie mir etwas sehr Beunruhigendes mitzuteilen hätten. Er wollte mir nicht verraten, worum es sich handelt.«

«Nein, nicht am Telefon«, bestätigte ich.

«Na, dann setzen Sie sich mal. Charles… Sid. «Er bot uns Stühle an und hockte sich selbst auf die Kante seines riesigen Schreibtisches.»Sehr wichtige Angelegenheit, hat Charles gesagt, und da bin ich und höre. Schießen Sie los.«

«Es geht um die Syndikate«, sagte ich. Ich fing an, ihm zu erzählen, was ich bereits Charles erzählt hatte, aber er unterbrach mich nach wenigen Minuten.

«Moment, Sid«, sagte er,»das ist doch wohl keine Geschichte, die nur uns hier etwas angeht, oder? Ich denke, wir sollten ein paar von den anderen dazubitten, damit auch sie sich anhören können, was Sie zu sagen haben.«

Ich hätte es vorgezogen, wenn er das nicht getan hätte, aber er zitierte die gesamte Schar der Großkopfeten herbei— den Bürochef, den Verwaltungschef, den Sekretär der Stewards, den Chef der Lizenzabteilung, der für die Registrierung der Besitzer zuständig war, und den Chef der Kontrollabteilung, in dessen Bereich alle Disziplinarfragen fielen. Sie kamen ins Zimmer, besetzten die bereitstehenden Stühle und wandten mir zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen ihre ernsten und höflichen Gesichter zu, um sich Resultate meiner Ermittlungstätigkeit anzuhören.

Ich verdankte es wohl dem Dienstag, ging mir durch den Kopf, daß sie bereit waren, mich nochmals anzuhören. Trevor Deansgate hatte mir zu einer Autorität verholfen, die ich ohne ihn nie gehabt hätte, jedenfalls nicht in diesem Raum und in diesem Kreis.

Ich sagte:»Lord Friarly, für den ich früher geritten bin, hat mich vor einiger Zeit gebeten, mir vier Syndikate genauer anzusehen, bei denen er als Repräsentant fungiert. Die Pferde liefen unter seinen Farben, und er war nicht sehr glücklich über ihre Leistungen. Das war nicht verwunderlich, denn die Quoten tanzten rauf und runter wie ein Jo-Jo, und die Rennergebnisse entsprachen dem. Lord Friarly gewann den Eindruck, daß er nur als Fassade benutzt wurde, hinter der recht üble Dinge vor sich gingen, und das gefiel ihm nicht.«

Ich schwieg einen Augenblick. Mir war sehr bewußt, daß das Bisherige nur eine leichte Plauderei war im Vergleich zu dem, was meine Zuhörer nun erwartete.

«Am gleichen Tag, es war draußen in Kempton, ersuchte mich Commander Wainwright, genau die gleichen vier Syndikate unter die Lupe zu nehmen, die, wie ich sagen muß, in einem Maße manipuliert worden sind, daß eigentlich schon längst ein öffentlicher Skandal fällig gewesen wäre.«

Auf den glatten Gesichtern zeichnete sich Überraschung ab. Sid Halley — das war doch nun wirklich nicht der

Mann, um von Commander Wainwright mit der Überprüfung von Syndikaten beauftragt zu werden. Normalerweise war das ja wohl die Aufgabe des Sicherheitsdienstes.

«Lucas Wainwright sagte mir, daß alle vier Syndikate von Eddy Keith genauestens überprüft und dann zugelassen worden seien, und er bat mich herauszufinden, ob das irgendeine unerfreuliche Bedeutung haben könnte.«

Wie sehr ich mich auch bemüht hatte, meinen Vortrag von jeder Dramatisierung freizuhalten, so war der Reaktion der Versammelten doch zu entnehmen, daß das Ganze als ziemlicher Schock kam. Man mußte beim Rennsport schon damit rechnen, daß er Schurken und Ganoven anzog, das hatte er immer getan — aber Korruption im Hauptquartier selbst? Niemals!

«Ich kam hierher zum Portman Square«, fuhr ich fort,»um mich anhand der Unterlagen von Eddy Keith, der davon nichts wußte, über die Syndikate zu informieren und mir ein paar Notizen zu machen. Ich erledigte das im Arbeitszimmer von Lucas, der mir bei dieser Gelegenheit gestand, daß er vor sechs Monaten einem Mann namens Mason bereits den gleichen Auftrag wie mir erteilt hätte. Dieser Mason sei in den Straßen von Tunbridge Wells überfallen und mit fürchterlichen, durch Tritte verursachten Kopfverletzungen dort liegengelassen worden. Er vegetiere heute nur noch so dahin und sei blind. Lucas erzählte mir ferner, daß der Mann, der die Syndikate zusammengebracht habe und auf dessen Kappe die Manipulationen gingen, ein gewisser Peter Rammileese aus Tunbridge Wells sei.«