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Noch ein Dokument, das bewies, dass dieser Fund an genau dieser Stelle, in genau dieser Lage gemacht worden war. Auch wenn es keinen Sinn ergab.

Seit Tagen arbeitete sie nun schon an der Ausgrabung und hatte behutsam Erde und Steine entfernt, um die menschlichen Überreste freizulegen. Noch hatte sie keine Ahnung, wann der Leichnam hier begraben worden war. Nach dem, was sie wusste, konnte es ein Jahr her sein, ein Jahrzehnt oder ein Jahrhundert.

Oder tausend Jahre? Viertausend? Sicherlich nicht mehr, denn der Mensch lebte noch nicht länger auf Maui - oder sonstwo auf Hawaii -, und Tiere legten keine Feuerstellen an. Das tat nur der Mensch.

Zweifellos war der Fundort jünger als tausend Jahre - wahrscheinlich nur ein paar hundert Jahre alt, wenn man bedachte, wie wenig Erde auf der Stelle gelegen hatte.

Sie hatte es abgelehnt, sich bei der Ausgrabung von Robs Team helfen zu lassen, und ihnen das Gebiet um den rudimentären Feuerkreis herum zugewiesen. Das Innere des Kreises lag noch immer unberührt. Nachdem Katharine beschlossen hatte, zunächst an dem Skelett zu arbeiten, ordnete sie an, dass die Feuerstelle zugedeckt und vorerst nicht angerührt werden sollte. Wenn sie jeden einzelnen Knochen freigelegt und in jedem Stadium der Ausgrabung fotografiert hätte und wenn eine vollständige Bestandsaufnahme der Ausgrabung vorläge, die sie ins Labor schicken könnte, dann erst würde sie sich der Feuerstelle zuwenden.

»Ich möchte, dass jede Schicht separat bleibt«, erklärte sie Rob. »Selbst wenn ich sie Millimeter für Millimeter abschälen muss.«

»Und was haben wir hier deiner Meinung nach vor uns?« fragte Rob. Offenbar nahm Katharine diese Ausgrabung sehr wichtig.

Als er die Frage zum erstenmal gestellt hatte, konnte sie ihm nicht antworten. Sie hatte rein intuitiv gearbeitet - eine Ahnung, die auf ihrer langen Erfahrung basierte, sagte ihr, dass sie einen solchen Fundort noch nie gesehen hatte.

Und dann, als sie den Schädel freizulegen begann, hatte sie noch immer keine vernünftige Erklärung.

Denn was der Fund ihr sagte, ergab keinen Sinn.

Zunächst ging sie davon aus, dass es sich bei dem Schädel um den eines Primaten handelte. Allerdings kam ihr das seltsam vor, denn sie wusste, dass es auf Hawaii keine eingeborenen Primaten gab.

Außerdem bereitete ihr die Lage Probleme. Man würde keinen Schimpansen oder Gorilla - oder irgendeine andere Primatenart - so dicht an einer Feuerstelle finden. Es sei denn, jemand hätte das Tier getötet und dort liegengelassen.

Ein nicht unmögliches Szenario, aber doch recht unwahrscheinlich.

Aber als sie weiter grub und den Schädel mit Hilfe von Dentalinstrumenten und Bürsten geduldig freilegte, wurde immer deutlicher, dass er eigentlich nicht von einem Primaten stammen konnte.

Viel eher ähnelte er dem Schädel eines frühen Hominiden.

Und das war natürlich absurd.

Erstens hatte der Urmensch auf Hawaii nicht existiert.

Zweitens datierte die Fundstelle nicht auf den Zeitraum, in dem der Urmensch gelebt hatte.

Also musste es sich bei dem Schädel um etwas anderes handeln. Aber was es auch sein mochte, sie wollte eine perfekte wissenschaftliche Dokumentation erstellen, um eventuelle Theorien absichern zu können.

Sie machte noch eine Aufnahme. Dann erhob sie sich, streckte sich und holte tief Luft. Sie rümpfte die Nase, als sie den Schwefelgeruch spürte, der die ganze Zeit über der Stelle zu hängen schien, heute noch stärker als sonst. Eben legte sie einen neuen Film ein, als sie Robs Stimme hörte.

»Kath? Ich habe einen Besucher mitgebracht, der dich gern kennenlernen möchte.« Katharine blickte auf und sah, dass Rob Silver die Lichtung betrat, gefolgt von einem Mann ungefähr in seinem Alter. »Darf ich vorstellen - Phil Howell. Er ist der oberste Sternengucker oben auf dem Berggipfel. Phil, das ist Katharine Sundquist.«

Phil Howell trat vor, streckte seine Hand aus und blickte dann stirnrunzelnd nach oben, als er den Geruch von faulen Eiern wahrnahm. »Puh! Verwenden Sie Schwefelsäure bei der Ausgrabung?«

Katharine schüttelte den Kopf. »Das sind nur Ablagerungen an einem alten Eruptionskanal. Aber heute scheint es schlimmer als sonst zu sein.«

Der Astronom hob die Augenbrauen. »Sind Sie sicher?«

Der Klang seiner Stimme ließ eine innere Alarmglocke in Katharine läuten. »Ich glaube schon«, sagte sie. »Wir hatten heute morgen Regen. Vielleicht hängt es damit zusammen.«

»Vielleicht haben aber auch die Erdbeben eine Gasader geöffnet«, entgegnete Howell.

Besorgt sah Katharine zu Rob hinüber. »Erdbeben?« wiederholte sie. »Wovon redet er?«

»Der Vulkan«, sagte Howell, bevor Rob antworten konnte. »Sieht aus, als würde er bald wieder spucken.«

Katharine sah Rob entsetzt an. »Du hast gesagt, er sei erloschen!«

»Das ist er auch«, beruhigte Rob sie. »Er redet vom Kilauea auf der Großen Insel.« Katharines Miene sagte ihm, dass sie nicht überzeugt war. »Sag du's ihr, Phil. Mir glaubt sie offenbar nicht.«

Katharine hörte schweigend zu, als Phil Howell ihr die vulkanischen Bewegungen unter der Großen Insel erklärte. »Es ist nicht nur das Erdbeben«, sagte er schließlich. »Wenn er wirklich loslegt, spuckt er so viel Staub in die Luft, dass man nichts mehr sehen kann, selbst wenn die Teleskope ruhig stehen sollten.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu. »Da fragt man sich doch wirklich, ob Berggipfel tatsächlich die besten Stellen für Observatorien sind, nicht wahr?«

Katharine antwortete nicht, aber während sie dem Astronomen die Fundstelle zeigte, wanderte ihr Blick immer wieder zu dem Loch in der Felsspalte, wo sich der alte Eruptionskanal befand. Inmitten der üppigen Vegetation des Regenwaldes sah alles friedlich und harmlos aus.

Sie versuchte sich auf ihre Schilderung zu konzentrieren, aber es kam ihr vor, als würde der Schwefelgeruch immer stärker. Sollte sie Rob und Phil davon erzählen? Doch die beiden schienen nichts dergleichen zu bemerken. Also bildete sie sich das nur ein.

Hoffentlich.

Die beiden Jungen aus dem Bus verfolgten Michael den ganzen Tag wie eine fleischgewordene Drohung. Wo auch immer er hinging, schienen sie schon auf ihn zu warten. Zu zweit standen sie da und starrten ihn düster an. Während der Pause zwischen den letzten beiden Stunden drängten sie ihn gegen ein Schließfach.

»Noch eine Stunde«, knurrte der Größere. »Dann bist du tot, haole.« Bis jetzt hatten sie ihm allerdings noch nichts getan, und wenn sie vorhatten, ihn nach der Schule abzupassen, konnten sie lange warten. Michael wollte etwas tun, das er noch nie zuvor gemacht hatte. Heute wollte er sich beim Leichtathletikteam anmelden, zum erstenmal in seinem Leben.

Er hatte sich während der Sportstunde dazu entschlossen. Den ganzen Tag über hatte er auf seinen Atem gehört und keinerlei Probleme festgestellt. Im Gegenteil, er fühlte sich besser als je zuvor. »Warte ab«, hatte Josh Malani zu ihm gesagt, als sie auf der Bahn liefen. »Manchmal ist es ganz windstill, und wenn sie dann die Zuckerrohrfelder abbrennen oder der Vulkan auf der Großen Insel ausbricht, dann erstickst du hier praktisch.«

Aber das Atmen war ihm ganz leichtgefallen, und auch nach drei Runden war er kaum aus der Puste gewesen. Als er dann am schwarzen Brett im Umkleideraum gesehen hatte, dass am Nachmittag das Laufteam trainierte, hatte er seinen Entschluß gefasst. Heute würde er es tun.

Nachdem die Schlußglocke geläutet hatte, verließ er die Schule nicht durch den Seitenausgang, wo die Busse - und die beiden Typen - warteten, sondern ging wieder zu den Umkleideräumen.

Er zog sich aus und streifte seine Sporthose über, die vom morgendlichen Sportunterricht noch feucht war. Sorgfältig band er die Schnürsenkel seiner Laufschuhe zu, wobei er darauf achtete, sie nicht zu fest anzuziehen, damit seine Füße nicht anschwollen, noch bevor er sich richtig aufgewärmt hatte. Dann lief er hinaus aufs Feld, wo das Laufteam bereits mit den Dehn- und Streckübungen begonnen hatte.