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»Ich will mitkommen!« bat die Frau. »Bitte! Es ist doch mein Sohn.«

Die Türen des Krankenwagens öffneten sich noch einmal, und die Frau stieg ein. Mit heulender Sirene raste der Wagen zum Cedars-Sinai Hospital, das fast zwanzig Blocks entfernt war.

Die Fahrt schien ewig zu dauern, und die Frau musste hilflos zusehen, wie ihr Junge sich gegen die beiden Sanitäter zu wehren schien, von denen der eine ihn festhielt, während der andere ihm die Sauerstoffmaske aufs Gesicht drückte. Sie ergriff die Hand ihres Sohnes und versuchte ihn zu beruhigen, und schließlich gab er seinen Kampf auf und lag ganz ruhig da. Gerade als der Krankenwagen in die Einfahrt zur Notaufnahme einbog, spürte die Frau plötzlich, wie die Hand ihres Sohnes erschlaffte. Er lag völlig regungslos auf der Bahre.

Einer der Sanitäter fluchte leise.

Alles in ihr spannte sich an, und als die Türen von außen aufgerissen wurden, stieg sie ganz langsam wie in Trance aus dem Krankenwagen.

Die Sanitäter eilten mit ihrem Sohn in die Notaufnahme, wo ein Ärzteteam darauf wartete, ihn zu übernehmen.

Hinter der Bahre ging sie ins Krankenhaus.

Schweigend sah sie zu, wie die Ärzte sich abmühten, aber sie ahnte bereits, was kommen würde.

Und schließlich hörte sie die gleichen Worte, die sie zum erstenmal vom Arzt ihres Sohnes und dann von den Sanitätern gehört hatte: »Ich verstehe das nicht - er müsste okay sein.«

Aber ihr Sohn - ihr geliebter, wunderbarer Sohn - war nicht okay.

Ihr Sohn war tot.

KAPITEL 1

New York City

»Was hast du vor, Sundquist? Willst du dich umbringen?«

Den spöttischen Worten folgte ein harsches Lachen, das von den nackten Betonwänden der Schulsporthalle widerhallte und sich in Michael Sundquists Ohren zu verstärken schien. Was sollte er tun? Mit den Liegestützen aufhören und sich dem Idioten stellen?

Keine gute Idee. Der Idiot hieß Slotzky - Vorname unbekannt, zumindest kannte Michael ihn nicht - und war ungefähr einen Kopf größer als er. Darüber hinaus wog er bestimmt zwanzig Kilo mehr, ohne fett zu sein. Mit Slotzky Streit anzufangen bedeutete unweigerlich, den Hintern versohlt zu kriegen, und das war das letzte, was sich Michael an diesem Morgen wünschte.

Er wünschte sich allerdings sehr, seine Übungen zu Ende bringen zu können: fünfzig Liegestützen, fünfzig Rumpfbeugen und in der restlichen Zeit so viele Runden, wie er auf der Laufbahn der Sporthalle schaffte, bis die Pausenglocke läutete und er unter die Dusche musste. Wenn er Slotzky ignorierte und sich nicht auf eine Schlägerei einließ, musste das leicht zu schaffen sein.

Er hatte ein großes Ziel.

Er wollte unbedingt in die Schulauswahl.

Für Basketball war er nicht groß genug und würde es auch nicht mehr werden, und für Football mangelte es ihm an Gewicht. Also blieb Leichtathletik. Und ein guter Läufer war er schon immer gewesen. Selbst als sein Asthma so schlimm geworden war, dass er kaum atmen konnte, hatte er seine Klassenkameraden auf den Sprintstrecken geschlagen. Sie hatten ihre Witze gemacht: Versuch erst gar nicht, Sundquist beim Start zu überholen. Du musst nur so lange hinter ihm hertrotten, bis er zusammenklappt.

An dem Scherz war einiges dran. Noch vor einem Jahr war er nicht in der Lage gewesen, mehr als eine Viertelmeile zu laufen. Auch wenn er zu Beginn eines Laufs stets vorne lag, hatte er schon bei fünfzig Yards seine Schwierigkeiten, und auf hundert kam er stets als letzter an.

Aber auch als sein Asthma immer schlimmer wurde, hatte er nie aufgegeben. Als seine Mutter ihn damit zu trösten versuchte, dass es in seiner Familie niemals Sportler gegeben habe, stachelte ihn das nur noch mehr an. Was wusste sie schon? Das war Männersache. Sein Vater hätte es verstanden; aber sein Vater lebte nicht mehr.

Jedesmal, wenn Michael um Atem ringend lief und seinen Körper zwang, bis an die äußersten Grenzen zu gehen, um die beängstigende Krankheit zu besiegen, an der er schon als kleiner Junge gelitten hatte, stellte er sich vor, wie sein Vater an der Laufbahn stand und ihm zujubelte. Auch wenn das Gesicht seines Vaters im Lauf der Zeit immer verschwommener wurde und er sich manchmal gar nicht mehr an die volle, tiefe Stimme erinnern konnte, hielt Michael am Bild seines Vaters fest. Er zog seine Kraft aus diesem Bild, und schließlich, vor einem Jahr, begann er aus seinem Asthma herauszuwachsen.

Er beendete die Liegestützen und machte fünfzig schnelle Rumpfbeugen, bevor er - kaum außer Atem - zum Reck lief, um fünfzig Klimmzüge folgen zu lassen. Als er an dem Fenster vorbeiging, das die Sporthalle vom Trainingsraum trennte, warf er einen raschen Blick auf sein Spiegelbild. Ja, seine Brust war tatsächlich breiter geworden - man konnte es deutlich sehen.

Und mit jeder Rumpfbeuge, jeder Liegestütze, jeder Runde zahlte sich seine Besessenheit aus.

Die anderen Jungs lachten ihn schon lange nicht mehr aus. Nur noch Slotzky. Und auch der würde ihn in Ruhe lassen, wenn er in das Leichtathletikteam der Schule kam.

Und zwar nicht als Kurzstreckenläufer.

Nein, Michael hatte sich höhere Ziele gesetzt - den Langstreckenlauf, wo Ausdauer mindestens soviel zählte wie Schnelligkeit, wenn nicht mehr.

Nach dem letzten Klimmzug überprüfte er erneut seine Atmung. Er atmete etwas schwerer als zu Beginn seiner Übungen, war aber noch längst nicht aus der Puste. Kein Anzeichen, dass diese schrecklichen Asthmaattacken wiederkamen, die ihn umklammert hatten, bis er schweißnaß nach Luft schnappte. Er ging zu den Metallstufen, die zur Laufbahn hinaufführten, die in drei Meter Höhe längs der Wände verlief, über den Basketballkörben dicht unter der Decke. Zwei Schritte auf einmal nehmend, warf er einen Blick auf die Uhr am anderen Ende der Halle.

Noch zwanzig Minuten. Er konnte noch ein paar Meilen laufen, bevor er zum Duschen musste.

Er begann mit einem leichten Trab und achtete darauf, nicht zu schnell zu werden, damit er in den engen Kurven an den vier Ecken der Sporthalle nicht zu stark abbremsen musste. Außer ihm lief niemand. Seine Klassenkameraden hielten sich ein Stockwerk tiefer auf. Einige spielten Basketball, andere stemmten Gewichte, aber die meisten lümmelten einfach auf dem Boden herum und warteten darauf, dass die Stunde zu Ende ging.

»He, Sundquist!« rief Slotzky mit hässlichem Grinsen.

»Hast du keine Angst, dass du da oben zusammenklappst?« Slotzkys Freunde lachten gehorsam. Bei Slotzkys Ruf war Michael zusammengefahren, und ehe er auch nur darüber nachdenken konnte, hatte er Slotzky bereits den Finger gezeigt.

Keine gute Idee.

Slotzkys Grinsen erlosch. Er stand auf und rannte auf die Treppe zu, drei seiner Freunde folgten ihm. Während er nach einem Fluchtweg suchte, fragte sich Michael, welcher Teufel ihn geritten hatte, so etwas Dummes zu tun.

Er fragte sich auch, ob wirklich etwas Wahres an dem Gerücht war, dass Slotzky jemanden von einem Hausdach gestoßen hatte.

Während sich Slotzky und einer seiner Freunde von der einen Seite näherten, versperrten die beiden anderen Michael den Weg, so dass er sich in einer besonders unangenehmen Zwickmühle befand.

»Und was jetzt, Angsthase?« fragte Slotzky, der langsam näherkam.

Michael beobachtete den Schläger und seine Freunde. Es gab nur einen Ausweg. Er schwang sich über das Geländer und ließ sich herab, bis er sich nur noch mit den Fingern am Rand der Laufbahn festklammerte. Slotzky lief auf ihn zu, und obwohl er noch etwa zehn Meter entfernt war, spürte Michael bereits, wie ihm der größere Junge mit seinen Turnschuhen auf die Fingerspitzen trat. Ohne nach unten zu sehen, ließ er sich auf den Parkettboden fallen, wo er sich geschickt abrollte.