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Er befand sich in einer Art Kasten.

Einem großen durchsichtigen Kasten, der sich nicht kalt anfühlte.

Plexiglas.

Der dichte grau-braune Nebel hatte ihm bislang die Sicht genommen, aber jetzt, da er sich bewegte, konnte er es nicht nur fühlen, sondern auch erkennen.

Er war gefangen, eingesperrt in diesem Kasten, der weder Eingang noch Ausgang zu haben schien - abgesehen von zwei Schläuchen, durch welche die nebelartige Substanz wirbelte, und einem kleinen Luftschacht mit einer Tür auf jeder Seite.

Die innere Tür konnte er öffnen, nicht jedoch die äußere.

Eingesperrt wie ein wildes Tier.

Und auf die beiden Männer, die beobachteten, was die Kamera aufnahm, machte er auch den Eindruck eines wilden Tieres.

Eines Raubtiers, das in seinem Käfig auf-  und abging.

Michael, der zum Lunch in die Cafeteria gehen wollte, schloß gerade sein Fach ab, als er die Stimme hinter sich hörte.

»Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich kriege langsam Schiß.«

Michael wusste, wovon Rick sprach. Auch er hatte sich immer mehr Sorgen gemacht, als Josh nicht einmal in der Pause nach der zweiten Stunde aufgetaucht war. Auch nach der Nachricht von Jeffs Verschwinden hatte er irgendwie erwartet, den großen Hawaiianer unter dem Banyanbaum zu sehen, wo sich das Laufteam stets traf. Aber als Jeff nicht gekommen war...

»Hast du versucht, Jeff anzurufen?« fragte er, als sie zur Cafeteria gingen.

Rick nickte. »Ich habe mit seiner Mutter gesprochen, vor der dritten Stunde. Sie sagte, er sei gestern abend um neun Uhr aus dem Haus gegangen und nicht wiedergekommen. Um vier habe sie dann die Polizei angerufen.«

Michael blieb vor der Cafeteriatür stehen und wartete, bis die Schüler hinter ihnen vorbeigegangen waren. »Vielleicht sollten wir sie auch anrufen«, sagte er. »Ich meine, nach dem, was mit Kioki passiert ist ...«

»Wir wissen doch gar nicht, was mit Kioki passiert ist«, entgegnete Rick.

»Und was ist, wenn jemand gesehen hat, wie wir vorgestern abend in den Tauchladen eingebrochen sind?« fragte Michael. Er suchte nach einer Erklärung für das, was mit Kioki passiert war, und nach einer Erklärung für das Verschwinden von Josh und Jeff. »Ich meine, vielleicht hat jemand dem Besitzer verraten, dass wir es waren.«

Rick sah ihn überrascht an, dann schüttelte er den Kopf. »So etwas würde Ken Richter nicht tun.«

»Woher willst du das wissen?« fragte Michael. »In New York ...«

»Wir sind hier nicht in New York«, unterbrach ihn Rick. »Wenn Ken überhaupt etwas tun würde, dann höchstens die Cops informieren, und der Deputy, der gestern mit uns gesprochen hat, hat nichts von einem Einbruch erwähnt.«

»Was könnte es dann sein?« sagte Michael. »Hatten Josh und Jeff vielleicht irgendwie Ärger?«

Rick zögerte.

»Sag schon«, drängte Michael.

»Jeff hatte keinen Ärger«, sagte Rick vorsichtig. »Aber Josh steckt doch dauernd in Schwierigkeiten.«

»Ach ja?« sagte jemand hinter ihnen, und als Rick sich umdrehte, sah er Josh, der mit zornig funkelnden Augen um die Ecke der Cafeteria geschossen kam. »Nur weil ich nicht jedem in den Arsch krieche ...«

»Na schön, um Josh brauchen wir uns dann wohl keine Sorgen mehr zu machen«, zischte Rick wütend. Bevor Michael oder Josh noch etwas sagen konnten, verschwand er in der Cafeteria.

Michael starrte Josh an. Seine knittrige Kleidung und sein schmutziges Gesicht verrieten, dass er letzte Nacht nicht zu Hause gewesen war. »Was ist los?« fragte Michael. »Wo ist Jeff?«

»O nein«, flüsterte Josh. »Ist er nicht hier?«

Etwas in der Stimme seines Freundes verwandelte die Befürchtungen, die Michael den ganzen Morgen über gehegt hatte, in Angst. Er schüttelte den Kopf und berichtete Josh, was er im Radio gehört und was Rick vorhin bestätigt hatte.

»Ich hab' ihn getroffen, nachdem ich von dir weg bin«, sagte Josh. Er sah sich nervös um. »Vielleicht hauen wir besser ab, was?«

»Einfach die Schule schwänzen?« entgegnete Michael. »Komm schon, Josh. Erzähl mir, was passiert ist, okay?«

»Nicht hier!« sagte Josh. In diesem Augenblick kamen zwei Schüler aus der Cafeteria, sahen ihn mißtrauisch an und gingen schnell weiter. »Was ist denn mit denen?« fragte Josh, nachdem sie um die Ecke gebogen waren.

»Hast du dich mal im Spiegel angesehen? Was hast du letzte Nacht gemacht?«

Josh wurde langsam sauer. Wieso fragte ihn Michael so aus? Er verlangte ja nicht viel ...

Aber wo sollte er hin, wenn er sich mit Michael verkrachte? Mit wem konnte er reden? Außerdem fühlte er sich nicht gut. Aber das war schließlich kein Wunder, nachdem er den Rauch auf dem Zuckerrohrfeld eingeatmet und dann in seinem Truck geschlafen hatte. »Okay, laß uns zu den Umkleideräumen gehen. Dann kann ich wenigstens duschen, und anschließend erzähle ich dir, was heute nacht passiert ist. Aber du musst mir versprechen, keinem ein Wort davon zu sagen, okay?«

Michael steckte ein paar Münzen in den Automaten neben der Eingangstür und zog zwei Cola, eine Packung Chips und zwei Tüten mit verdächtig trocken aussehenden Keksen. Er zog den Verschluß von einer Dose ab und reichte sie Josh, der einen kräftigen Schluck nahm, während sie auf die Umkleideräume zugingen. Als er die Cola erneut an die Lippen setzte, wurde er plötzlich von einem Hustenanfall geschüttelt.

»Alles in Ordnung?« fragte Michael.

Josh schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich beschissen.«

In den Umkleideräumen zog Josh sich aus und ging duschen. Während er unter dem dampfenden Wasserstrahl stand und sich Ruß und Schmutz vom Körper wusch, erzählte er Michael, was letzte Nacht geschehen war.

»Du hast ihn einfach dagelassen?« fragte Michael, als Josh fertig war und sich abtrocknete.

»Was hätte ich denn tun sollen?« blaffte Josh ihn an. »In den Truck wollte er nicht, das Feuer hatte uns eingeschlossen, die Kerle kamen, und ...« Ein weiterer Hustenanfall schnitt ihm das Wort ab, und er krümmte sich vor Schmerzen.

»Vielleicht solltest du besser nach Hause gehen«, schlug Michael vor.

»Nach Hause?« stöhnte Josh, als der Husten nachließ. Er rang nach Atem. »Das sagt sich für dich so leicht. Schließlich besäuft sich deine Mom nicht und verprügelt dich anschließend wie mein Vater und ...« Plötzlich blieb Josh der Atem weg. Hustend stolperte aus dem Umkleideraum und auf die Toiletten zu.

Michael lief hinter ihm her. Josh lag mit bleichem Gesicht auf den Fliesen. Ängstlich berührte Michael den Arm seines Freundes.

Seine Haut fühlte sich kalt und feucht an.

Josh schnappte nach Luft. »Was ist los?« fragte Michael. »Was fehlt dir?

Josh sah mit glasigen Augen zu Michael hinauf.

»Ich ... ich weiß nicht«, keuchte er. »K...kann nicht atmen...«

Michael riß die Augen auf. Konnte es sein, dass Josh einen Asthmaanfall hatte? Ihm fiel sein Asthmaspray ein, das er noch immer überallhin mitnehmen musste, obwohl er seit einem Jahr keinen Anfall mehr gehabt hatte. Aber seine Mutter bestand darauf. Wo hatte er es nur gelassen?

Genau, in seinem Schließfach.

Oder sollte er die Krankenschwester holen?

Er wusste nicht einmal, wo ihr Büro war!

»Ich bin gleich wieder da«, sagte er. »Ich hole die Krankenschwester, und in meinem Spind ist etwas, womit du besser atmen kannst.«

»Nicht die Schwester«, keuchte Josh. »Ich will nicht...« Aber Michael war bereits losgelaufen.

Langsam rappelte sich Josh wieder auf, immer noch schwer atmend. Er hielt sich am Türgriff des Wandschranks fest, an dem er eben noch gelehnt hatte. Als er einen vorsichtigen Schritt nach vorne machte, verlor er sofort das Gleichgewicht, und als er sich an dem Türgriff festhalten wollte, riß er die Schranktür auf.

Schachteln, Dosen und Flaschen kamen ihm entgegen. Die Reinigungs- und Desinfektionsmittel, die der Hausmeister hier lagerte, kippten um und fielen auf den Boden. Scharf riechende Flüssigkeit strömte auf den Boden, Scheuerpulver staubte hoch.