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Entsetzt blieb sie stehen, kaum dass sie den nächsten Raum betreten hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie das Gefühl, in der Praxis eines Tierarztes zu stehen, denn an einer Wand waren Käfige mit Tieren aufgereiht. Aber es waren keine richtigen Käfige, sondern Boxen aus Plexiglas. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Die Zellen - irgendwie schien ihr diese Bezeichnung angebrachter - waren luftdicht verschlossen. Nahrung und Wasser für die darin eingesperrten Tiere gelangten durch ein offenbar ferngesteuertes System hinein.

Jede Zelle besaß ein Ventilationssystem, das die Luft in der Zelle gleichmäßig zirkulieren ließ. Auf großen Monitoren wurde die Zusammensetzung des Gemischs in den Plastikboxen angezeigt. Katharine begriff, dass die Tanks, die sie im Maschinenraum gesehen hatte, das Gemisch enthielten, das in die Zellen gepumpt wurde.

Sie ging näher an die Boxen heran.

Sie waren verschieden groß und beherbergten verschiedene Tierarten.

In den kleinsten waren Mäuse, einige allein, andere in Paaren. Eine Box enthielt ein Weibchen, an deren Zitzen ein halbes Dutzend Junge säugte.

In einer Reihe größerer Zellen sah sie Katzen und Hunde, jedes Tier für sich allein eingesperrt. Einige Katzen lagen zusammengerollt auf dem Boden ihres Gefängnisses, andere putzten ihr Fell, wieder andere schliefen.

Oder waren sie tot?

Katharine sah auf einen Bildschirm. Die Anzeige, eine Abfolge von Buchstaben und Zahlen, gab die Mischung der Atmosphäre in der Plastikbox an. Sie las vertraute chemische Bezeichnungen: NH3, CH4, CO.

Ammoniak.

Methan.

Kohlenmonoxid.

Zusammen mit einem halben Dutzend weiterer chemischer Formeln, von denen sie die wenigsten kannte.

Aber sie nahm an, dass es sich auch bei diesen um tödliche Gase handelte. Mein Gott, was ging hier vor?

Katharine stellte sich vor eine Zelle und klopfte gegen das Plexiglas. Die Katze dahinter bewegte sich kurz, um sofort wieder einzuschlafen.

Die Hunde waren wach, bis auf einen. Zwei sahen sie an, aber sie besaßen nicht die Energie von jungen Hunden, die spielen wollen. Ihre Augen wirkten leer, als wüßten sie, dass sie ihre durchsichtigen Gefängnisse nie mehr verlassen würden. Die anderen drei lagen auf dem Boden und starrten ins Leere. Schaudernd erinnerte sich Katharine an den Namen des Projekts. Kanarienvögel im Minenschacht - genau das waren diese armen Tiere! Instinktiv öffnete sie eine Zelle, nahm den kleinen Hund in den Arm und schloß eilig wieder die Box, um den ekelhaften Dämpfen zu entgehen, die daraus hervorquollen.

Der Hund winselte dankbar und kuschelte sich an ihre Brust. Sie strich über sein weiches Fell, voller Wut über dieses grausame Experiment. Wie konnte man so etwas tun, all diese unschuldigen Tiere ...

Der Hund in ihrem Arm begann plötzlich pfeifend zu keuchen. Dann strampelte er mit den Beinen, als wolle er sich aus ihrer Umarmung befreien, und sah sie angstvoll an. Mit weit aufgerissenem Maul rang er um Atem.

In ihren Armen starb der kleine Hund.

Sie drückte ihn an sich und versuchte ihn zu beruhigen, aber einen Augenblick später war alles vorbei. Der Hund lag in ihren Armen, stumm und regungslos. Entsetzt starrte Katharine ihn an.

Was sollte sie mit ihm machen?

Dann fiel ihr ein, wo sie war und was sie hier tat. Wenn jemand sie entdeckte ...

Eilig legte sie den toten Hund in seine Zelle zurück.

Sie sollte lieber verschwinden, bevor jemand sie sah. Aber hinter diesem Raum lag noch ein weiterer, und auch wenn sie sich sagte, dass es an der Zeit war zu verschwinden, wusste sie doch, dass sie erst herausfinden musste, was hier vor sich ging.

Wie war es überhaupt möglich, dass die eingesperrten Tiere lebten, obwohl sie diese tödliche Gasmischung atmeten?

Sie kam durch eine Reihe von Laboratorien, in denen nur einige wenige Techniker in weißen Kitteln arbeiteten, in ihre Aufgaben vertieft.

Sie blieb nicht stehen, stellte keine Fragen. Niemand sollte sie bemerken, sie wollte niemandem auffallen.

Schließlich gelangte sie in den letzten Raum.

Eine kleine Kammer. In der Mitte, eingeschlossen in einen Glasbehälter, befand sich eine Kugel mit einem Durchmesser von knapp einem Meter, eine grau-blaue Substanz, Metall oder Stein. Aus der Kugel ragte eine Röhre, die sich um sie herum wand und nach unten lief, durch den Behälter in ein Podest hinein.

Katharine ging um die Kugel herum und studierte sie von allen Seiten, ohne Unterschiede feststellen zu können.

Sie stand mit dem Rücken zur Tür. Plötzlich ließ eine Stimme sie zusammenzucken.

»Das erstemal, dass Sie es sehen?«

Sie drehte sich um und versuchte so schnell wie möglich ihren schuldbewussten durch einen lediglich überraschten Blick zu ersetzen. »Mein Gott! Wissen Sie eigentlich, wie sehr Sie mich erschreckt haben?«

»Tut mir leid«, sagte der Techniker. Dann lächelte er. »Ich nehme an, Sie brüten auch über der ewigen Frage.«

»Wie bitte?«

»Na, was es sein soll«, sagte der Mann.

Die Frage erwischte Katharine auf dem falschen Fuß. »Das wollte ich Sie gerade fragen«, brachte sie gerade noch hervor.

Der Techniker sah sie leicht zweifelnd an. »Nun ja, das herauszufinden ist unsere Aufgabe, nicht wahr? Ich dachte, ein neues Gesicht hätte vielleicht eine neue Idee.«

Katharine überlegte sich ihre Antwort gut. »Ich wünschte, ich hätte sie«, sagte sie. »Aber bis jetzt bin ich leider so ratlos wie alle anderen. Eigentlich suche ich ja Dr. Jameson.«

»Er ist nach Hana geflogen, zu der Besprechung.« Er sah sie plötzlich ernst und etwas mißtrauisch an. »Warum sind Sie nicht auch dort?«

Katharine versuchte es mit einer Halbwahrheit. »Mich hat keiner eingeladen«, antwortete sie. »Und da Dr. Jameson nicht hier ist, kann ich genausogut wieder in mein Büro gehen und etwas Sinnvolles tun, stimmt's?« Katharine ließ den Techniker stehen und ging zurück. Sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken, hütete sich aber, sich umzudrehen.

Aber noch in Robs Büro hatte sie das Gefühl, dass unsichtbare Augen ihr folgten.

In einem privaten Konferenzraum im Hotel Hana Maui, am Ende des über fünfzig Kilometer langen, kurvenreichsten Highways der Welt gelegen, ließ Takeo Yoshihara seinen Blick über die sieben Mitglieder der Serinus Society schweifen, die im Verlauf der letzten sechsunddreißig Stunden aus allen Kontinenten eingeflogen waren.

»Ich habe gute Nachrichten für Sie«, begann er. »Drei unserer neuesten Kanarienvögel sind nicht gestorben. Einem der Probanden in Chicago sowie den beiden letzten aus Tokio und Mexico City scheint es gut zu gehen.«

Eine Welle anerkennenden Gemurmels lief durch den Raum. Yoshihara hob die Hand, und das Geräusch verstummte.

»Wir haben allerdings auch ein Problem. Hier auf Maui ist vor zwei Tagen ein Junge gestorben, und wie es aussieht, ist er mit unserer Substanz in Berührung gekommen.«

Nun herrschte betretenes Schweigen.

»Und dann gibt es da noch drei weitere Jungen, denen ...« Er zögerte, suchte nach dem richtigen Wort und lächelte verhalten, als er es gefunden hatte. »Denen es, jedem auf seine Weise, besser ergangen ist. Dr. Jameson wird Ihnen davon berichten.«

Unter dem besorgten Gemurmel der Mitglieder erhob sich Stephen Jameson. Auf einem Bildschirm an der Wand hinter ihm erschienen Fotos von Josh Malani, Jeff Kina und Michael Sundquist. »Wie Sie wissen, hatten wir niemals vor, so nah bei unserem Hauptquartier Menschenversuche durchzuführen. Aber wie es aussieht, sind mindestens vier Jungen auf Maui in Berührung mit der Substanz gekommen, mit der wir experimentieren.« Er sah zu den Gesichtern auf dem Bildschirm hinauf und richtete seinen Laserstab auf Jeff Kina. »Bei diesem Jungen handelt es sich um einen Siebzehnjährigen polynesischer Herkunft. Er ist 1,84 groß und wiegt fünfundneunzig Kilo. Vor sechsunddreißig Stunden wurde er in einem brennenden Zuckerrohrfeld aufgegriffen, wo er die mit Rauch vergiftete Luft ohne Schwierigkeiten atmen konnte. Jetzt befindet er sich in unserem Labor, und es geht ihm gut.« Der Stab bewegte sich auf Josh Malanis Konterfei. »Auch dieser Junge ist siebzehn Jahre alt, einen Meter sechzig groß und wiegt vierundsechzig Kilo. Gemischtrassige Herkunft. Vor weniger als vierundzwanzig Stunden brach er auf einem Parkplatz nahe einem unserer Strände zusammen. Zu diesem Zeitpunkt beobachteten wir ihn bereits. Er wurde durch Verabreichung einer Mischung aus Kohlenmonoxid, Methan und Ammoniak am Leben erhalten und befindet sich jetzt ebenfalls in gutem Zustand in unserem Labor.«