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Katharine wollte nicht weinen, aber sie spürte schon, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie trat auf ihren Sohn zu und hätte ihn gern umarmt, ihn festgehalten und ihm versichert, dass alles gut werden würde.

Die Box war ihr im Weg.

Mit einemmal kam sie sich völlig hilflos vor. Sie konnte nichts für Michael tun, ihn nicht einmal trösten. »O Michael«, flüsterte sie. »Was ist nur geschehen? Es ging dir doch so gut...« Sie schüttelte den Kopf und preßte die Lippen zusammen, gegen die Tränen ankämpfend.

»Es ging mir auch gut, Mom«, sagte Michael. »Du weißt das.«

»Sicher weiß ich das«, sagte Katharine. »Ich hatte schon fast aufgehört, mir Sorgen um dich zu machen.« Unwillkürlich streckte sie die Hand nach ihm aus und legte sie an die Plexiglaswand, die sie von ihrem Sohn trennte. »Liebling, was ist passiert?«

»Ich ... ich weiß nicht«, stammelte Michael. Stockend erzählte er ihr, dass es ihm schon den ganzen Tag über immer schwerer gefallen war zu atmen. »Aber dann habe ich auf der Toilette, in dem Schrank mit den Reinigungsmitteln, eine Flasche gefunden. Und kaum hatte ich daran gerochen, ging es mir besser.«

Katharine fiel die seltsame Nachricht ein, die Rick Pieper hinterlassen hatte.

Ammoniak! Hatte er etwa Ammoniakdämpfe eingeatmet? Kein Wunder, dass er krank war.

Aber kaum war ihr der Gedanke gekommen, als ihr auch schon klar wurde, dass sie sich lediglich an einen Strohhalm klammerte, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen.

Er war nicht von dem Ammoniak krank geworden. Im Gegenteil, danach hatte er sich besser gefühlt.

In ihrem Kopf drehte sich alles, aber die Puzzlestücke begannen sich langsam zusammenzusetzen.

Mark Reynolds, der Junge aus L.A., hatte nicht versucht, sich umzubringen, er wollte sich Erleichterung verschaffen, und die Sanitäter, die ihm zur Hilfe kamen, hatten ihn unwissentlich getötet, indem sie ihm Sauerstoff verabreicht hatten.

Sauerstoff.

Zum erstenmal, seit sie den Raum betreten hatte, wandte Katharine ihren Blick von Michael ab und sah sich um.

Ein Computermonitor an der Wand zeigte eine grafische Darstellung von Michaels Körperfunktionen, während andere die Beschaffenheit der Atmosphäre in der Box anzeigten. Einige Formeln kannte sie: CO, SO2.

Kohlenmonoxid.

Schwefeldioxid.

Die meisten anderen Formeln standen für komplexere chemische Verbindungen, lange Reihen von Atomsymbolen, die dort, soweit es sie betraf, auch in Griechisch hätten stehen können.

»Darf ich ein paar Minuten mit ihm allein sein?« fragte Katharine.

»Natürlich«, erwiderte Takeo Yoshihara. »Ich habe noch einiges zu erledigen, was keinen Aufschub duldet. Dr. Silver und Dr. Jameson werden draußen auf Sie warten.«

Als die Männer gegangen waren, trat Katharine so nahe wie möglich an die Glaswand heran und legte ihre Hand so sanft dagegen, als berühre sie seine Haut. »Es tut mir so leid, mein Liebling«, flüsterte sie. »Es ist alles meine Schuld. Ich hätte uns nicht hierher bringen dürfen ...«

»Du kannst nichts dafür«, sagte Michael. »Es ist einfach passiert. Es muss passiert sein, als wir ...«

Katharine legte blitzschnell den Finger auf die Lippen, und Michael schwieg. Sie zog einen Stift und ihr Notizbuch aus ihrer Tasche. Die Kameras würden das sehen - Katharine wusste, dass alles überwacht wurde -, aber vielleicht konnten sie zumindest nicht lesen. Außerdem hatte sie keine andere Wahl. Während sie schrieb, redete sie weiter: »Sie glauben, dass du mit einem Stoff in Berührung gekommen bist, den sie in einer Druse, einer Art Kugel mit Mineralien, entdeckt haben«, sagte sie laut.

Was ist beim Nachttauchen passiert? schrieb sie auf den Zettel. Ich glaube nicht, dass es was mit einer Druse zu tun hatte. Sie öffnete die Luftschleuse und legte Block und Stift hinein. Sofort wurde die Luft in der Schleuse abgesaugt und durch das giftige Gemisch in der Plexiglaskammer ersetzt.

»Was für eine Druse?« fragte Michael. Er las die Frage und schrieb dann selbst etwas auf. Da gab es keine Kugel oder sonst etwas, schrieb er. Vier Sauerstoffflaschen waren vorzeitig leer, und wir mussten von irgendwas husten. Meine Flasche, die von Jeff, Kioki und Josh. Er reichte ihr den Block durch die Schleuse zurück.

»So genau hat Mr. Yoshihara das nicht erklärt«, antwortete Katharine, als sie las, was er geschrieben hatte. Dann schrieb sie: Woher hattet ihr die Flaschen?

»Ich kann mich nicht erinnern, so etwas wie eine Druse gesehen zu haben«, sagte Michael. Aus Kihei Kens Laden, schrieb er. Josh meinte, es wäre okay.

Nachdem sie seine letzten Sätze gelesen hatte, sagte Michaeclass="underline" »Mom? Meinst du, ich werde wieder gesund?«

Katharine konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, und noch bevor sie etwas sagen konnte, kleidete Michael ihre Ängste in Worte.

»Ich muss sterben, nicht wahr?« sagte er. Seine Stimme klang sehr jung.

Sehr jung und sehr verängstigt.

KAPITEL 29

An dem Wagen war nichts Ungewöhnliches. Er sah aus wie fast alle anderen Mietwagen mittlerer Größe auf Maui. Unauffällig lackiert, bescheiden ausgestattet.

Auch an den beiden Männern, die in dem Wagen saßen, war nichts Ungewöhnliches. Beide waren mittleren Alters und trugen die Standarduniform der Touristen - Polyesterhosen und billige Hawaiihemden, wie man sie in den Läden in Lahaina und den Einkaufszentren auf dem Kihei Strip kaufen konnte.

Sie fuhren langsam die South Kihei Road entlang - wie Touristen, die nicht genau wissen, wo es langgeht, oder die Aussicht genießen.

Aber sie hatten den Wagen nicht gemietet, und sie waren auch keine Touristen. Beide lebten schon seit Jahren auf Maui, auch wenn keiner der beiden hier geboren war.

Und sie wussten auch genau, wohin sie wollten. Ihr Ziel lag einen Block vor ihnen, versteckt in einer Ecke des Einkaufszentrums. Wenn man nicht wusste, wonach man suchte, war es sehr schwer zu finden. Die Hälfte der Läden hatte bereits geschlossen, und die meisten der noch offenen lagen in der Nähe einer Eisdiele am südlichen Ende einer langen Reihe von Geschäften.

Kihei Kens Tauchladen lag der Eisdiele gegenüber. Er befand sich in einem kleinen, freistehenden Haus, das aussah, als sei es nachträglich auf dem Gelände des Einkaufszentrums errichtet worden. Die beiden Männer stellten ihren Wagen auf dem Parkplatz ab und gingen langsam auf den Tauchladen zu. Unterwegs sahen sie sich die Auslagen einiger Geschäfte an.

Wie ihnen gesagt worden war, hing bereits das Ge-schlossen-Schild hinter der Tür, aber im Laden brannte noch Licht, und sie sahen, dass ein Mann hinter der Theke stand und offenbar irgendein Formular ausfüllte. Einer der Männer hielt die Tür auf, und der andere betrat als erster den Laden. »Kihei Ken?« sagte der erste Mann.

»In der Tat.« Der Mann legte seine Abrechnung beiseite und kam mit ausgestreckter Hand hinter der Theke hervor. »Sie sind sicher die Herren, die Mr. Yoshiharas Büro angekündigt hat.«

Der zweite Mann war ebenfalls in den Laden getreten und schloß nun die Tür hinter sich. »Einen Mann dieses Namens kennen wir nicht.«

Das Lächeln auf Ken Richters Gesicht erstarb, als der erste Mann seine ausgestreckte Hand ignorierte. »Oh, entschuldigen Sie«, sagte er. Sein Blick wanderte zum Parkplatz. Vor einer Viertelstunde hatte jemand aus Takeo Yoshiharas Büro angerufen und zwei Männer angekündigt. »Leider habe ich schon geschlossen. Ich erledige nur noch etwas Papierkram. Eigentlich warte ich auf...«

»Uns«, unterbrach ihn der Mann. Etwas in seiner Stimme machte Ken ausgesprochen nervös. Eine Alarmglocke schellte in seinem Kopf. »Hören Sie, der Laden ist geschlossen ...«

Diesmal brachten ihn keine Worte zum Schweigen.