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Sie beschleunigte und fuhr zügig weiter, bis sie die Kreuzung erreichte, von der eine Straße zum Hana Highway führte. Ein paar hundert Meter weiter bog sie ab und fuhr die Straße zum Haleakala hinauf. Sie fuhr ruhig weiter, bis sie in Haliimaile an die Abkürzung kam, die durch die Zuckerrohrfelder führte und sie schließlich zur Baldwin Road bringen würde, nur etwas mehr als einen Kilometer unterhalb von Makawao.

Instinktiv heftete sie ihren Blick auf die beiden Scheinwerfer in ihrem Rückspiegel.

Sie preßte die Lippen aufeinander und fuhr auf die linke Abbiegespur.

Der Wagen folgte ihr.

Sie ging mit dem Tempo herunter, bis sie fast mitten auf der Kreuzung war. Dort gab sie plötzlich Gas, bog scharf nach rechts ab und mogelte sich in eine Lücke in den bergauf fahrenden Verkehr, die so klein war, dass der Fahrer des Wagens, den sie geschnitten hatte, wütend hupte. Katharine kümmerte sich nicht darum, sondern schaute in den Seitenspiegel.

Der andere Wagen war nach links abgebogen, und sie sah, wie seine Rücklichter auf der Straße verschwanden, die bergab nach Haliimaile führte.

Sie fühlte sich erleichtert, auch wenn sie sich etwas albern vorkam. Immerhin gelang es ihr, ihre Angst im Zaum zu halten, bis sie zu der Abzweigung auf der Olinda Road kam, zu der dunklen, schmalen Straße zu ihrem Haus.

Ihr Fuß bewegte sich vom Gaspedal zur Bremse, als habe er einen eigenen Willen. Der Explorer rollte aus. Seine Scheinwerfer erhellten die Straße und vertrieben die Schatten bis zur ersten Kurve der Straße, die sich durch den Eukalyptuswald wand.

Die Straße schien leer zu sein.

Verdächtig leer.

Sie stellte sich vor, wie jemand sie beobachtete, während sie im Haus eine Tasche packte, damit es so aussah, als wolle sie wirklich eine Nacht auf Takeo Yoshiharas Anwesen verbringen.

Wann würden sie kommen?

Würden sie sie in ihrem Haus überfallen?

Oder würden sie warten, bis sie auf dem Anwesen war?

Hör auf!

Niemand ist dir gefolgt, niemand wartet auf dich.

Gerade in dem Augenblick, als sie den Fuß wieder auf das Gaspedal stellen wollte, klingelte das Handy und erschreckte sie so sehr, dass sie laut aufschrie. Sie suchte in ihrer Tasche, klappte das Gerät auf und hielt es ans Ohr. »Rob?«

»Ja, ich bin's«, sagte die vertraute Stimme. »Zwei Dinge. Erstens: Von einem Computer außerhalb des Anwesens kommt Al nicht an das Serinus-Projekt heran. Aber es gibt eine Möglichkeit. Wenn du da bist, musst du zu irgendeinem Computer - am besten zu dem in meinem Büro - gehen und dich mit dieser Nummer verbinden. Hast du was zu schreiben?« Katharine holte einen Stift aus ihrer Tasche, und Rob diktierte ihr die Telefonnummer. »Wenn du von meinem Büro aus die Verbindung hergestellt hast, kann er mein Terminal sozusagen als Sklaven benutzen, und Yoshiharas zentraler Server merkt nicht, dass er von außen hereinkommt.«

»Und die andere Sache?«

»Michael«, sagte Rob. »Wir brauchen einen Ort, wohin wir ihn bringen können.«

»Zuerst müssen wir ihn rausholen.«

»Ich denke, das schaffen wir. Die große Frage lautet, wohin bringen wir ihn?«

Katharine hatte es vermieden, sich diese Frage zu stellen. Jetzt konnte sie sie nicht länger verdrängen. Wenn Michael wirklich keine frische Luft mehr atmen konnte, wohin sollten sie dann gehen? Egal, wohin, überall ...

Und dann fiel es ihr ein: der Schädel.

Der Schädel von den Philippinen - und der Grund, warum er für das Serinus-Projekt von solchem Interesse war. Der junge Mutant - Katharine war sich mittlerweile sicher, dass es sich bei dem ermordeten Kind um einen Mutanten handelte - hatte am Rand des Vulkans gelebt und die Dämpfe aus dem Krater eingeatmet. »Die Große Insel«, sagte sie. »Wenn wir ihn dorthin schaffen, wo der Ausbruch stattfindet, kann er dort vielleicht atmen.«

Nach kurzem Zögern sagte Rob: »Vielleicht hast du recht. Aber er muss auch atmen können, während du ihn aus dem Gebäude schaffst. Und dann noch einmal zehn bis fünfzehn Minuten. Kann er das?«

Katharine zögerte keine Sekunde. »Ich werde dafür sorgen.«

»Wann bist du auf dem Anwesen?«

Katharine sah auf ihre Uhr. Es war kurz nach halb zehn. »Ich komme gerade nach Hause«, sagte sie und überschlug, wie lange es dauern würde, ein paar Sachen einzupacken und dann zum Anwesen zu fahren. »Ich denke, ich müsste gegen zehn da sein. Hoffentlich lassen sie mich überhaupt rein.«

»So etwas solltest du nicht sagen«, entgegnete Rob. »Du solltest es nicht mal denken. Pack das Nötigste ein und fahr los. Wenn wir Glück haben, kriegen wir alles, was wir brauchen, ein paar Minuten, nachdem du mit Al online geschaltet bist. Was glaubst du, wie lange es dauert, bis du eine Möglichkeit gefunden hast, ihn aus dem Gebäude zu schaffen?«

»Wieviel Zeit habe ich denn?«

»Ich wünschte, ich wüßte es.«

»Also gut, ich sage dir Bescheid, wenn ich da bin. Kann ich mit Al über den Computer sprechen?«

»Aber sicher. So einfach, als würdest ihr in der Schulklasse Zettel austauschen.«

Katharine lächelte bitter. »Warum kann ich das nicht so ganz glauben?«

»Na ja, ich dachte, ich versuch's mal.« Als Rob nach einer kurzen Pause wieder sprach, klang seine Stimme plötzlich scheu. »Katharine? Sei bitte vorsichtig, okay?«

Es waren nicht nur die Worte, sondern auch der Tonfall. Plötzlich fühlte sich Katharine etwas leichter, als sie langsam die Einfahrt hinunterfuhr. »Du machst dir keine Vorstellung, wie vorsichtig ich sein werde«, sagte sie sanft. »Und du kannst dir gar nicht vorstellen, wieviel Mut es mir macht, nur mit dir zu reden, während ich langsam diese Straße entlangfahre. Erinnere mich daran, dass ich nie mehr ein Haus miete, das am Ende einer langen, dunklen Straße liegt.«

»Worüber soll ich reden?«

»Das ist mir egal. Sag mir, dass ich keine Angst haben soll, dass niemand in meinem Haus auf mich lauert, dass mit Michael alles gut wird und dass du mich, wenn alles gut ausgeht, heiraten und wie ein Ritter in funkelnder Rüstung von all dem befreien wirst.«

»Also gut.«

»Wie bitte?«

»Ich sagte, also gut. Zu allem. Du hast mir einen Antrag gemacht. Ich habe angenommen. In deinem Haus ist niemand. Du holst dir, was du brauchst. Dann fährst du zum Anwesen, und wir knacken den Computer und enthüllen Yoshiharas schmutzige kleine Geheimnisse. Dann hole ich dich und deinen Sohn, der lernen muss, mich zu mögen, und dann leben wir glücklich und zufrieden bis an unser Lebensende.«

Katharine schwieg. Dann sagte sie: »Versprochen?«

»Versprochen.«

Sie hatte die Lichtung erreicht. Katharine spähte in die Dunkelheit. Sie sah keinen anderen Wagen.

»Ich komme darauf zurück«, sagte sie. »Ruf mich in einer halben Stunde wieder an. Wenn ich mich nicht melde, hast du mich angelogen, und es war doch jemand in meinem Haus.«

»Ich würde dich nie anlügen. Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt.«

»Eine toller Zeitpunkt, um mir das zu sagen«, seufzte Katharine. »Trotzdem hat es mir gut getan. Bis später.«

Sie unterbrach die Verbindung und blieb noch einige Sekunden im Wagen sitzen, in denen sie Mut sammelte, um ins Haus zu gehen. Als sie es betrat, schaltete sie das Licht an und sah sich um. Sie erwartete beinahe eine Szene wie aus einem Film, nachdem die Mafia jemandem einen Besuch abgestattet hat.

Es sah alles genauso aus, wie sie es zurückgelassen hatte.

Nichts war angerührt worden.

Katharine warf schnell ein paar Sachen in einen kleinen Koffer, damit es aussah, als wolle sie ein paar Tage auf dem Anwesen verbringen. Als sie daran dachte, was in den nächsten Stunden auf sie zukommen würde, fügte sie noch einige Dinge hinzu.

Nach nicht einmal fünf Minuten saß sie wieder in ihrem Auto, auf dem Weg zu Takeo Yoshiharas Anwesen, was immer sie dort erwarten würde.