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»Mister ... Jennings«, sagte der wartende Mann und zögerte vor dem Codenamen lange genug, um Santiago merken zu lassen, wie lächerlich er ihn fand. Santiago war es egal. Falschen Namen verdankte er, dass er immer noch lebte und ein fettes Bankkonto in der Schweiz besaß, von dem fast alle Männer, die in den Slums von Sao Paulo geboren waren, nur träumen konnten. Er nickte kurz, folgte dem Mann in das Haus und einen Flur entlang in ein kleines fensterloses Zimmer, in dem nur ein kleiner Tisch stand, darauf ein ebensolcher Koffer, wie Santiago ihn trug.

Der Mann deutete auf den Tisch, und Santiago stellte den Koffer darauf ab. Dann öffnete er das Schloß des Duplikats und hob den Deckel. Obwohl er sicher war, dass die ganze Summe vorhanden war, nahm er sich die Zeit, das Geld zu zählen.

Es handelte sich um Fünfzig-Dollar-Scheine, wie er es verlangt hatte.

Es interessierte ihn nicht besonders, ob die Seriennummern fortlaufend waren oder nicht, aber als er zu zählen begann, merkte er, dass dies nicht der Fall war.

Mit wem auch immer er es hier zu tun hatte, der Betreffende wusste offenbar, was er tat.

Als er das Geld gezahlt hatte, schaute er auf. »Zweihunderttausend.«

»Wie vereinbart«, bestätigte der Mann.

Pedro Santiago verstaute das Geld wieder im Kosmetikkoffer, änderte die Kombination und ließ die Schlösser zuschnappen. »Dann wäre das erledigt.«

Der Mann nickte und streckte die Hand aus. Santiago ignorierte die Geste und ging durch die einzige Tür wieder auf den Flur hinaus. Der Mann schien das zu akzeptieren und begleitete Santiago zum wartenden Hubschrauber. Er wartete, während der Kurier einstieg und sich anschnallte. Als die Maschine sich erhob und wieder aufs Meer zuflog, stand der Mann noch immer vor dem Haus.

Kaum war er aus Pedro Santiagos Blickfeld verschwunden, dachte der Kurier bereits an seinen nächsten Job in Südafrika.

Diese Sache würde sicherlich um einiges interessanter werden als dieser langweilige Deal.

Nachdem der Hubschrauber am grünen Horizont des Regenwaldes verschwunden war, kehrte der Mann in das Gebäude zurück und machte die Tür hinter sich zu. Er ging wieder in das Zimmer, wo er die Transaktion mit dem Kurier getätigt hatte, den er nur als »Mr. Jennings« kannte. Nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, öffnete er den Kosmetikkoffer.

Als er den Deckel hob, zitterten seine Hände ein wenig.

Im Koffer lag nur ein einziges Objekt.

Ein Totenschädel.

Die leeren Augen starrten ihn an.

Die kleine Alarmglocke in Pedro Santiagos Kopf begann zu läuten. Seine Nackenhaare sträubten sich. Gefahr!

Der Hubschrauber war sieben Kilometer von der Küste Mauis entfernt, und auch wenn er nicht wusste, was diesen inneren Alarm ausgelöst hatte, spürte er doch, dass sich irgend etwas in der Kabine verändert hatte. War etwas mit dem Piloten ?

Er war sich nicht sicher.

Ohne sich anmerken zu lassen, wie angespannt er war, sah er aus den Augenwinkeln zu dem Piloten hinüber, aber der Mann blickte starr geradeaus und schien glatt vergessen zu haben, dass er einen Passagier an Bord hatte.

Oder suchte er nach etwas?

Santiago wandte sich ebenfalls nach vorne und ließ seinen Blick über das Panorama von See und Inseln schweifen. Auf dem Ozean schwammen ein paar Boote, und bis auf ein einsames Flugzeug in der Ferne war der Himmel leer.

Aber Pedro Santiagos innere Alarmglocke schrillte immer lauter.

Er erstarrte förmlich, obwohl er immer noch nicht wusste, worin die Gefahr bestand und aus welcher Richtung sie kam.

Wieder sah er den Piloten an, und diesmal bemerkte er, wie angespannt der Mann auf seinem Sitz saß. Er hatte die Augen zusammengekniffen und umklammerte den Steuerknüppel des Hubschraubers.

Plötzlich wurde das Flackern einer Bewegung im runden Plexiglas reflektiert, so schnell und verzerrt, dass Santiago es fast nicht mitbekommen hätte. Aber dann wusste er Bescheid.

Hinter ihm!

Jemand war hinter ihm.

Doch es war bereits zu spät. Pedro Santiago wollte sich gerade umdrehen, als der Mann, der während des Aufenthalts auf der Lichtung in den Hubschrauber geklettert war und sich dort versteckt hatte, mit einer Hand die Tür neben Santiago aufriß und mit der anderen seinen Sicherheitsgurt löste.

Im gleichen Augenblick riß der Pilot seinen Steuerknüppel herum, und der Hubschrauber neigte sich steil nach rechts.

Noch bevor er ganz begriffen hatte, was geschah, raste Pedro Santiago in freiem Fall auf das Meer zu, das hundert Meter unter ihm leuchtete.

KAPITEL 3

Michael blickte auf die Inseln hinunter, die aus dem scheinbar unendlichen Blau des Meeres auftauchten. Drei Monate! Drei lange Monate! Was sollte er hier drei Monate lang machen? Ein, zwei Wochen, klar. Aber ein Vierteljahr? Er konnte es noch immer kaum glauben, dass seine Mutter ihn von der Schule genommen hatte, kurz vor seiner Aufnahme ins Leichtathletikteam. Immerhin konnte er sich denken, warum sie es getan hatte.

Der Schnitt und das blaue Auge hatten sie sicherlich in ihrem Entschluß bestärkt. Wenn es ihm an jenem Tag gelungen wäre, Slotzky zu entwischen ...

Aber er war ihm nicht entwischt, und deshalb war er jetzt hier, mitten im Ozean. Er kannte hier niemanden und hatte nie zu denen gehört, die schnell Freundschaften schlossen. Immer hatte er Angst gehabt, dass sein Asthma ihm irgendwie im Weg stehen könnte. Was also sollte er tun, solange seine Mutter an der Ausgrabungsstelle arbeitete? Nach dem, was sie erzählt hatte, gab es nicht mal eine größere Stadt auf Maui - nur ein paar Ortschaften, und sie würden nicht einmal in einem dieser Orte wohnen. Andererseits sah die Insel wirklich wunderschön aus, und es bestand immerhin die Möglichkeit, dass seine Mom ihm doch noch erlauben würde, einen Tauchkurs zu machen. Jetzt erinnerte er sich daran, dass sein Vater ihm versprochen hatte, mit ihm zu tauchen, sobald er kräftig genug wäre, die Flaschen zu heben. Aber dann ...

Das Bild des brennenden Flugzeugs, in dem Tom Sundquist gestorben war, stieg in Michael auf, und er spürte das flaue Gefühl im Magen, das er jedesmal empfand, wenn er sich an den Morgen erinnerte, an dem sein ganzes Leben buchstäblich vor seinen Augen explodiert war. Und gerade jetzt, als sich die Dinge wieder etwas zum Guten zu wenden schienen, musste er mit seiner Mom zu diesem Flecken am Ende der Welt fliegen. »Darf ich wenigstens tauchen lernen?« fragte er und sah aus dem Fenster auf die Insel hinab.

Die traurige Stimme ihres Sohnes versetzte Katharine einen Stich. Es war ihr nicht ganz gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass diese Sache ein einziges großes Abenteuer werden würde. Aber immerhin hatte er schließlich zugestimmt und sich darauf verlegt, sie zu überreden, dass sie ihn tauchen lernen ließ. Anstatt sofort und strikt nein zu sagen, hatte sie den bequemen, aber feigen Ausweg gewählt. »Wir werden sehen«, wiederholte sie auch jetzt wieder, nicht ohne sich zu fragen, wie lange sie den Streit noch hinauszögern konnte, der unweigerlich kommen würde, wenn sie ihm klipp und klar sagte, dass sie die Vorstellung nicht ertragen konnte, wie er dreißig Meter unter Wasser sein Leben riskierte. Aber daran, wie er bei ihrer Ausflucht das Gesicht verzog, merkte sie, dass er die endgültige Antwort bereits kannte. Auch um das Thema zu beenden, beugte sie sich über ihren Sohn und blickte interessiert aus dem Fenster.