Выбрать главу

KAPITEL 31

Das Handy summte. »Ich bin fast am Tor«, sagte Katharine, noch bevor Rob sich gemeldet hatte.

»Öffnet es sich?«

»Ums Reinkommen mache ich mir keine Sorgen«, entgegnete Katharine. »Ich habe eher das Gefühl, dass das Rauskommen eine heikle Angelegenheit werden könnte. Und ich habe immer noch keine Idee, wie ich mit Michael kommunizieren kann.« Ken Richters Ermordung bewies, dass die Kameraaugen die Notizen erfasst hatten, die sie mit Michael ausgetauscht hatte. Zweifellos würde auch jedes Wort, das sie sagte, gehört werden.

»Du wirst schon einen Weg finden«, ermunterte Rob sie, und sie hoffte, dass er recht behielt.

Das Tor öffnete sich, so wie jedesmal, wenn sie sich ihm genähert hatte.

Katharine holte tief Luft. Als der Wagen durch das Tor rollte, sagte sie: »Ich bin drin, Rob. Ich rufe dich wieder an, aber wundere dich nicht, wenn ich irgend etwas sehr Seltsames sage. Vielleicht sage ich auch gar nichts.«

»Ich werde mein Bestes tun, es zu entschlüsseln.«

Als sie das Handy zuklappte, ertappte sich Katharine dabei, wie sie im Rückspiegel beobachtete, wie das Tor zuging.

Wie ein Gefängnistor, dachte sie.

Auch wenn der Parkplatz neben dem Forschungspavillon weitaus leerer war als tagsüber, war sie doch überrascht, wie viele Autos dort noch standen. Einen Augenblick lang schien der Mut, den sie in der letzten halben Stunde gefasst hatte, zu zerbröckeln.

Nicht, bevor du Michael hier rausgeholt hast, sagte sie sich. Wenn wir es geschafft haben, darfst du heulend zusammenbrechen. Dann spielt es keine Rolle mehr. Aber nicht jetzt!

Sie parkte den Explorer, nahm den Koffer vom Rücksitz, schloß den Wagen ab und ging in die Lobby des Pavillons. Wenn sie Glück hatte, saß dort der Wachmann, mit dem sie sich angefreundet hatte - war das wirklich erst heute morgen gewesen?

Als die Eingangstür hinter ihr ins Schloß schwang, blickte der Wachmann von seinem Tisch auf. Sie sah in das Gesicht eines Fremden, aber als er aufstand und sie ansprach, merkte sie, dass er sie zumindest kannte.

»Dr. Sundquist. Man hat mir gesagt, dass Sie zurückkommen würden.«

Man? Wer war das? Der andere Wachmann?

Stephen Jameson?

Takeo Yoshihara selbst?

»Mein Sohn«, sagte sie und hoffte, dass sie so besorgt aussah, wie sie sich fühlte. Wenn sie Michael rausholen wollte, musste sie so durcheinander wirken, als könne sie nicht mehr klar denken. »Er ... er ist...« Sie brach ab, als sei sie nicht sicher, was sie dem Wachmann sagen sollte.

»Schon gut, Dr. Sundquist«, beruhigte sie der Mann. »Man hat mir erzählt, was mit Ihrem Jungen los ist. Ich lasse Sie in den Fahrstuhl, und dann können Sie sofort zu ihm.«

Der Fahrstuhl! Den hatte sie ganz vergessen.

Aber sie hatte ja auch noch Stephen Jamesons Karte.

Oder hatte Jameson inzwischen bemerkt, dass sie verschwunden war? Hatte er es bereits gemeldet? Würde die graue Plastikkarte den Fahrstuhl noch aktivieren, oder hatten sie den Code mittlerweile gelöscht? Mach dir deswegen jetzt keine Sorgen, sagte sie sich. Und versuch es vor allem erst gar nicht. Wenn sie das auf den Monitoren sehen, dann ist alles vorbei, noch bevor du richtig angefangen hast.

Der Computer! Sie musste zuerst zu Robs Computer. Zerstreut lächelte sie den Wachmann an und stellte ihren kleinen Koffer ab. »Darf ich den ein paar Minuten hier lassen? Ich muss noch eben schnell in Dr. Silvers Büro.«

»Sicher, Dr. Sundquist«, antwortete der Wachmann und setzte sich wieder.

Würde er sie auf dem Monitor beobachten? Sollte sie ihm irgendeine Erklärung anbieten? Nein, warum sollte sie einem Wachmann irgend etwas erklären müssen? Er würde sich nur fragen, warum sie es für nötig hielt, ihn über ihre Motive zu informieren.

Sie stellte den Koffer neben seinem Tisch ab und ging durch den Nordflur in Robs Büro, wo sie das Licht anknipste und dann den Computer einschaltete. Sie rief das Kommunikationsprogramm auf und gab die Nummer ein, die Rob ihr diktiert hatte. Dann drückte sie auf die Eingabetaste. Die Verbindung kam umgehend zustande, und sie hörte ein kurzes Rauschen, als der Computer auf ihrem Schreibtisch sich mit dem Gerät in Kihei verband. Ein Fenster mit zwei Textzeilen öffnete sich. Am Ende der zweiten Zeile blinkte ein Cursor. Mit jeder Sekunde änderte sich die letzte Zahl in der ersten Zeile:

Pick-up: 04:00:00 Aktuelle Zeit: 22:16:53

Zur Bestätigung Eingabetaste drücken.

Katharine verstand die Nachricht sofort. Sie sah auf ihre Uhr. Dort war es fast genau zweieinhalb Minuten später, als auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Sie stellte ihre Armbanduhr auf die Monitorzeit ein und drückte auf die Eingabetaste. Ein neues Fenster öffnete sich, und Buchstaben zeigten an, dass Al Kalama bereits in das Serinus-Verzeichnis einzudringen versuchte. Noch bevor er die erste Befehlszeile beendet hatte, miniaturisierte Katharine mit der Maus das Programmfenster, so dass man auf dem Monitor nur noch die normale Desktopoberfläche sah.

Sie schaltete den Bildschirm aus, löschte das Licht im Büro und kehrte in den Eingangsbereich zurück.

»Alles klar?« fragte der Wachmann.

Katharine nickte und nahm ihren Koffer. Sie sah noch einmal auf die Uhr, als sie dem Mann durch die Türen folgte, die in den Südkorridor und zum Fahrstuhl am Ende des Flurs führten.

»Schrecklich, wenn das eigene Kind krank ist, nicht wahr?« sagte der Wachmann, während er seine Karte über die graue Platte neben der Fahrstuhltür führte. Katharine nickte, schwieg jedoch. Nach einer kleinen Ewigkeit öffneten sich endlich die Lifttüren, und sie trat in die Kabine.

Zu ihrer Erleichterung kam der Wachmann nicht mit. Er nickte ihr kurz zu und wandte sich ab, während die Türen zuglitten.

Sie sah auf ihre Uhr. Die Ewigkeit hatte zweiundfünfzig Sekunden gedauert.

Katharine zählte die Sekunden, die der Fahrstuhl brauchte, um bis zur unteren Ebene zu gelangen.

Fünfzehn, einschließlich der Zeit, in der sich die Türen öffneten.

Sie trat auf den Flur hinaus und ging zu der Tür, hinter der Michael lag.

Der Raum, in dem Michael gefangen gehalten wurde, verfügte über ein Vorzimmer. Dort saß jetzt eine Frau hinter einem Schreibtisch, auf dem lediglich ein Telefon stand. Obwohl sie eine weiße Uniform trug, verrieten ihr Blick und ihre Haltung Katharine, dass hier kein mitfühlender Engel saß. Die Frau würde nicht einfach zusehen, wie sie mit Michael das Zimmer verließ.

Falls Michael überhaupt gehen konnte.

»Sie können gleich reingehen«, sagte die Frau. »Dr. Jameson ist bei Ihrem Sohn.«

Sie trat in Michaels Zimmer. Als sie ihren Sohn sah, stieg ohnmächtige Wut in ihr auf.

Die Atmosphäre in der Plexiglasbox war so widerwärtig, dass sich innen an der Wand ein brauner Film abgelagert hatte. An manchen Stellen war er so dick, dass er in langen, schleimigen Fäden über das Plexiglas lief.

Und Stephen Jameson wagte es noch, sie anzulächeln, als er von dem Computer, vor dem er saß, zu ihr aufsah. »Er macht sich sehr gut«, sagte er. »Sie haben einen prächtigen Jungen.«

Als hätte Michael gerade einen Preis gewonnen! dachte Katharine und musste sich alle Mühe geben, um ihren Zorn im Zaum zu halten.

Zum erstenmal war sie vollkommen überzeugt davon, dass sie ihren Sohn aus diesem ekelhaften Kasten herausholen würde. Egal wie. Selbst wenn sie Jameson und die Wachfrau töten musste. Und jeden, der ihr sonst noch im Weg stand. In diesem Augenblick hätte es ihr geradezu Freude bereitet, den Mann zu töten, der in ihrem Sohn nichts als ein Versuchstier sah. »Er hatte schon immer sehr viel Mut«, sagte sie so ruhig wie möglich. »Darf ich mit ihm reden?«