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Sein Timing war perfekt.

Sie waren im Dunkeln in Maui gestartet, aber wenn sie den Jungen fanden - und natürlich würden sie ihn finden -, würde es langsam hell werden.

Hell genug, um ihn zu jagen und einzufangen.

Oder zu töten.

Es gab nur wenige Zeugen. Nur die Mutter, den törichten Dr. Silver und den Piloten. Keiner von ihnen würde überleben.

»Fliegen Sie niedriger«, befahl er. »Wir sollten gleich ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, denn er hatte gesehen, dass sich dort unten etwas bewegte. Er sah durch sein Leica-Fernglas, das an einem Riemen um seinen Hals hing. »Ja«, sagte er leise. »Da ist er.«

Das Fernglas auf Michael Sundquist gerichtet, dirigierte Takeo Yoshihara den Piloten zu der Stelle, wo der Junge stand.

Fast zwei Stunden waren verstrichen, aber Michael hatte schon lange jedes Zeitgefühl verloren. Der ewige Rhythmus des Feuers, das über dem Krater tanzte, hatte ihn in seinen Bann gezogen. Nachdem er die kleine Oase verlassen hatte, wo inmitten der Lava Bäume wuchsen und die anderen noch recht gut atmen konnten, hatte er sich behende durch die geschundene Landschaft bewegt. Seine Sinne, die mit jeder Minute geschärft wurden, in der er die Stoffe einatmete, die sein Körper jetzt brauchte, führten ihn von einem Eruptionskanal zum nächsten. An jedem blieb er stehen und inhalierte die schweren Dämpfe, die aus den Rissen in der Erdkruste aufstiegen, atmete den stechenden Rauch ein, der aus den Fumarolen drang. Schließlich kam er zum Krater. Dort stand er an der Kante, und während ihn die Nacht in ihren dunklen Mantel hüllte, hatte er bewundernd beobachtet, wie das Feuer im Erdinnern brodelte. Die Flammen tanzten und formten subtile Muster über dem geschmolzenen Stein, der pochte, als wäre er das Herz des Planeten. Jetzt, da der schwarze Mantel langsam von Michael abglitt, konnte er eine Veränderung ausmachen.

Der Rhythmus der Flammen schien intensiver zu werden, als hätten sie noch etwas Wichtiges mitzuteilen, bevor der strahlende Glanz der Sonne ihren eigenen Glanz verblassen ließ.

Michael streckte sich. Obwohl er so lange am Rand des Kraters gehockt hatte, fühlte er sich nicht steif oder verspannt. Dann - er fühlte es mehr, als dass er es hörte - mischte sich ein neuer Rhythmus unter den alten. Zuerst versuchte Michael ihn zu ignorieren, doch schließlich wurde er so heftig, dass er seinen Blick von den pulsierenden Flammen losriß und nach oben sah.

Der Helikopter, der hoch über ihm schwebte, sah aus wie eine schimmernde Libelle, die mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ihre Beute sucht. Zunächst blickte Michael fasziniert in den Himmel, aber als der Hubschrauber immer niedriger flog und auf ihn zuhielt, verwandelte sich seine Faszination in Angst.

Dies war in der Tat ein Jäger, auf der Jagd nach ihm.

Doch mit der Erkenntnis, dass er das Opfer der großen metallenen Libelle sein sollte, kam die Überzeugung, dass er bleiben musste, wo er war, nahe an den Feuern, deren Rauch und Dämpfe sein Leben erhielten. Sie würden ihn beschützen.

Michael richtete sich auf und wartete.

Katharine stolperte über den steinigen Pfad, der von der Lichtung zu den Lavaströmen führte. Rob folgte ihr. Plötzlich huschte ein Schatten über sie hinweg. Sie sah nach oben. Takeo Yoshiharas Hubschrauber, der während der letzten Minuten hoch über ihnen gekreist war, ging plötzlich hinunter.

»Sie haben ihn gefunden!« rief sie Rob zu. »Schnell!«

»Landen!« befahl Takeo Yoshihara.

Noch während das Kommando seines Arbeitgebers in seinen Ohren dröhnte, suchte der Hubschrauberpilot nach einem geeigneten Platz, aber er fand keinen. Er hatte bereits mehr als einmal gespürt, wie gefährlich die Dampfsäulen waren, die aus der vernarbten Landschaft aufstiegen. Manche von ihnen hatten eine solche Wucht, dass sie den Hubschrauber regelrecht hochhoben. Gleichzeitig waren sie so dünn, dass sich der Pilot nicht auf sie einstellen konnte. Wenn er die zusätzliche Höhe ausgleichen wollte, ging es im nächsten Augenblick herunter wie in einem Lift, dessen Kabel gerissen waren. »Hier gibt es keinen Landeplatz«, sagte er schließlich.

»Dann suchen Sie einen!« verlangte Yoshihara. Er behielt Michael Sundquist im Auge, der am Rand der höchsten Kraterwand stand. Nur ein paar Meter weiter ging es tief hinab in einen brodelnden Lavasee.

»Tut mir leid«, entgegnete der Pilot. »Ich soll Sie fliegen, nicht umbringen.«

Takeo Yoshihara kniff die Augen zusammen, und sein Blick sagte dem Piloten, dass er in Zukunft wohl nicht mehr für seinen Chef fliegen würde. Yoshihara wandte sich an den Wachmann neben ihm.

»Erschießen Sie den Jungen«, befahl er.

Der Mann griff nach hinten und nahm das mit Laser ausgerüstete Gewehr in die Hände, das er für diese Aufgabe mitgenommen hatte. Er preßte den Kolben fest gegen seine rechte Schulter, schaltete den Laser ein, öffnete mit dem Fuß die Kabinentür und spähte durch das Zielfernrohr über dem Lauf. Der Hubschrauber, den jetzt nicht nur die Dampfsäulen, sondern auch die aufkommenden Passatwinde durchschüttelten, flog viel zu unruhig, als dass man richtig zielen konnte. »Zu hoch«, sagte der Mann.

»Tiefer gehen«, befahl Yoshihara dem Piloten.

Der Pilot wog die Gefahren gegen den Verlust seines nicht unbeträchtlichen Gehalts ab und näherte den Hubschrauber vorsichtig dem zerfurchten Berg.

Yoshiharas Scharfschütze sah in seinem Zielfernrohr, wie der rote Laserpunkt über Michael Sundquists Gesicht flackerte, viel zu unruhig für einen gezielten Schuß.

Eine AK-47 oder eine Uzi wäre besser gewesen, dachte er.

»Niedriger!« herrschte Yoshihara den Piloten an. Je spitzer der Winkel, desto besser standen die Chancen, das Ziel zu treffen.

Michael sah, dass ein Gewehrlauf aus der Kabinentür des Helikopters ragte, und wusste sofort, dass der Mann auf ihn zielte und ihn töten wollte. Aus irgendeinem Grund schien ihn das jedoch keineswegs zu beunruhigen. Die Ruhe, die beim Betrachten der Flammen über ihn gekommen war, verließ ihn nicht. Anstatt zu versuchen, vor seinen Jägern zu fliehen, trat er noch näher an den Kraterrand heran, als habe ihm eine innere Stimme gesagt, dass die Feuer der Erde nicht seine Feinde, sondern seine Beschützer waren.

»Gut«, murmelte Takeo Yoshihara, als er sah, dass Michael dicht am Kraterrand stand. Wenn den Jungen ein Schuß traf, würde er in dieses Meer aus geschmolzenem Stein stürzen und verbrennen. »Niedriger!« befahl er erneut.

Der Pilot umklammerte den Steuerknüppel. Als er in die Feuerhölle blickte, die sich unter ihm auftat, musste er den Blick abwenden, um nicht die Nerven zu verlieren.

Nur noch drei Meter.

Er würde noch drei Meter tiefer gehen, mehr nicht. Selbst wenn es ihn seinen Job kostete, er würde nicht tiefer gehen.

Den Blick auf den Höhenmesser geheftet, drückte er seine Maschine noch etwas nach unten.

Selbst durch die schützende Plexiglaskuppel spürte er die Hitze.

Zweieinhalb Meter.

Zwei.

Noch zwei Meter, dann würde er den Hubschrauber auf der Stelle halten und noch etwas wenden, damit der Schütze ungehindert auf den Jungen schießen konnte, der noch immer am Kraterrand stand und ruhig zu ihnen hinaufsah.

Warum lief er nicht davon?

War er verrückt?

Noch zwei Meter ...

Michael spürte keine Furcht, als er sah, wie der Hubschrauber über dem Krater schwebte und immer tiefer ging. Er spürte ein leichtes Beben in der Erde, als würde dort unten etwas erwachen. Als der Helikopter näherkam, erhob sich die glühende Oberfläche des Lavasees im Krater.