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»Mist«, brummelte D’Agosta ins Funkgerät. Das galt dem Pressesprecher, Chang, aber der war ja bereits voll im Einsatz. Er stand an der Absperrung und redete wie üblich freundlich auf den Neuankömmling ein.

Caruso ignorierte den anschwellenden Chor hinter der Absperrung. »Wir arbeiten an einer Identifizierung und durchsuchen die Datenbanken mit den Vermissten.«

»Ich bezweifle, dass sie das Mädchen dort finden.«

»Man weiß ja nie bei so einem Mädchen. Kokain, Meth. Die könnte sogar eine Edelhure sein – alles ist möglich.«

D’Agosta nickte wieder. Seine schlechte Laune hatte sich ein wenig gelegt. Es handelte sich hier um einen Fall von großem öffentlichem Interesse. Das konnte man natürlich positiv oder negativ sehen, aber er hatte sich noch nie vor Herausforderungen gedrückt. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass der Fall ein Knaller werden würde. Wenn man denn bei etwas so Furchtbarem von Knaller sprechen konnte … Enthauptung, das hieß, dass es sich um einen geistesgestörten, perversen Täter handelte, den man leicht fassen konnte. Und wenn die junge Frau die Tochter reicher Eltern war, würde das bezüglich der Laborarbeiten zu einer Vorzugsbehandlung führen, sodass er sich vor diese ganzen Kleinscheißfälle drängeln konnte, die sich in den notorisch langsamen Forensiklabors des NYPD stapelten.

Die Leute von der Spurensicherung, alle bekleidet wie Chirurgen, setzten ihre Arbeit fort. Sie hockten da und dort mit krummen Rücken, schlurften herum wie übergroße weiße Äffchen, untersuchten die Blätter eines nach dem anderen, inspizierten den Betonboden der Werkstatt mit Lupen, bearbeiteten die Türgriffe und Fenster, nahmen Fingerabdrücke von den Glasscherben auf dem Boden. Sie beherrschten ihr Handwerk, und Caruso war sowieso der Beste. Auch sie ahnten, dass dies ein bedeutender Fall werden würde. Und weil es in jüngster Zeit so viele Skandale bezüglich der Laborarbeiten gegeben hatte, arbeiteten sie besonders sorgfältig. Und die beiden Jungs, die die Leiche gefunden hatten, waren noch gleich am Tatort vernommen worden, bevor man sie zu den Eltern entließ. In diesem Fall würden keine Abkürzungen vorgenommen werden.

»Weiter so«, sagte D’Agosta, versetzte Caruso einen leichten Schlag auf die Schulter und trat einen Schritt zurück.

Ihm war kalt geworden, deshalb beschloss er, am Maschendrahtzaun entlangzugehen, der das Gelände des ehemaligen Autohandels umgab, nur um sich zu vergewissern, dass man keine Stellen übersehen hatte, an denen der Täter sich Zugang verschafft hatte. Während er aus dem hell erleuchteten Gelände hinaustrat, war im Umgebungslicht zwar immer noch genügend zu erkennen, aber er schaltete trotzdem seine Taschenlampe ein. Im Gehen leuchtete er damit umher. Als er um die Ecke eines Gebäudes im hinteren Bereich bog und an einem Stapel plattgemachter Autos vorbeikam, erblickte er innerhalb – innerhalb! – der Umzäunung eine hockende Gestalt. Das war kein Cop, auch keiner aus seinem Team. Die Gestalt trug eine lächerlich dicke Daunenjacke mit einer Kapuze, viel zu groß für den Kopf, sodass sie aufragte wie ein Stück Ofenrohr.

»He! Sie da!« Die eine Hand am Holster seiner Dienstwaffe, mit der anderen die Taschenlampe haltend, lief D’Agosta auf die Gestalt zu. »Polizei! Stehen Sie auf, die Hände in Sicht!«

Mit erhobenen Händen stand die Gestalt auf. Wegen der pelzgesäumten Kapuze war das Gesicht völlig unkenntlich. Dann drehte sie sich zu D’Agosta um. Bis auf die zwei funkelnden Augen in der schwarzen Kapuze konnte er nichts erkennen.

Zu Tode erschrocken, zog er seine Waffe. »Was machen Sie hier? Haben Sie denn nicht das Absperrband gesehen? Weisen Sie sich aus!«

»Mein lieber Vincent, Sie können Ihre Waffe wieder einstecken.«

D’Agosta erkannte die Stimme sofort. Er senkte die Waffe und steckte sie zurück ins Holster. »Mein Gott, Pendergast, was machen Sie denn hier? Sie wissen doch, dass man sich erst ausweisen muss, bevor man an einem Tatort herumstochern darf.«

»Wenn ich schon mal hier bin, warum sollte ich da auf einen dramatischen Auftritt verzichten? Und was für ein Glück, dass gerade Sie mich gefunden haben.«

»Ja, genau. Sie haben echt Schwein. Ich hätte Ihnen auch eine Kugel in den Hintern jagen können.«

»Wie schrecklich, eine Kugel im Hintern. Sie erstaunen mich immer wieder mit Ihren fantasievollen Formulierungen.«

Einen Augenblick standen sie da und sahen einander an, dann zog D’Agosta einen seiner Handschuhe aus und streckte die Hand aus. Pendergast streifte seine schwarzen Lederhandschuhe ab, und sie gaben sich die Hand. Dabei packte D’Agosta Pendergasts Arm. Pendergasts Hand war kühl wie Marmor, er zog die Kapuze nach hinten und zeigte sein blasses Gesicht – die hellblonden Haare nach hinten gekämmt, die silbrigen Augen unnatürlich hell in dem schwachen Licht.

»Sie sagten, Sie müssen hier sein?«, fragte D’Agosta. »Ermitteln Sie?«

»Bei meinen Sünden, ja. Ich fürchte, meine Aktien sind, was das Bureau betrifft, ziemlich stark gefallen. Ich stecke gerade – wie drücken Sie das doch immer so kraftvoll aus? – vorübergehend voll in der Scheiße.«

»Stecken Sie tief in der Scheiße? Oder meinen Sie, Sie sind krassem Scheiß auf der Spur?«

»Genau. Krassem Scheiß.«

D’Agosta schüttelte den Kopf. »Wieso befasst sich das FBI mit dem Fall?«

»Einer meiner Vorgesetzten, der Stellvertretende Direktor Longstreet, hat die Hypothese aufgestellt, dass die Leiche möglicherweise aus New Jersey hierhergebracht wurde. Über die Bundesstaatsgrenze. Seiner Meinung nach könnte das organisierte Verbrechen etwas mit der Sache zu tun haben.«

»Das organisierte Verbrechen? Wir haben noch nicht mal Beweismaterial gesammelt. New Jersey? Was für ein Quatsch.«

»Ja, Vincent, auch ich fürchte, das sind alles Hirngespinste. Die nur ein Ziel verfolgen: Mir soll eine Lektion erteilt werden. Aber jetzt fühle ich mich eher wie Meister Lampe, der ins Dornendickicht geworfen wird, denn ich habe Sie hier gefunden, hier, wo Sie das Sagen haben. Genauso wie bei unserem ersten Zusammentreffen damals im Naturhistorischen Museum.«

D’Agosta brummelte irgendetwas Unverständliches. Er freute sich zwar, Pendergast zu treffen, doch er war gar nicht froh darüber, dass das FBI ebenfalls in dem Fall ermittelte. Außerdem sah Pendergast trotz des für ihn untypischen Plaudertons – der sich gezwungen anhörte – nicht gut aus, gar nicht gut: ultraschlank, fast abgemagert, das Gesicht eingefallen, dunkle Ringe unter den Augen.

»Ich bin mir durchaus bewusst, dass das hier keine begrüßenswerte Entwicklung ist«, sagte Pendergast. »Aber ich will alles tun, um Ihnen nicht im Weg zu stehen.«

»Kein Problem, Sie kennen ja das gespannte Verhältnis zwischen der New Yorker Polizei und dem FBI. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Tatort und stelle Sie allen vor. Oder möchten Sie sich lieber alles ungestört anschauen?«

»Wenn die Spurensicherung mit ihrer Arbeit fertig ist, würde ich mich freuen, mich einmal etwas umsehen zu dürfen.«

Doch Pendergast klang alles andere als freudig. Und er würde sich noch weniger freuen, wenn er erst einmal die drei Tage alte Leiche mit abgeschnittenem Kopf gesehen hatte.

»Wie ist der Täter auf das Gelände gekommen – und wieder heraus?«, fragte Pendergast, während sie gingen.

»Scheint mir ziemlich klar zu sein. Der Typ hatte einen Schlüssel zum hinteren Tor. Er ist auf das Gelände gefahren, hat die Leiche abgeladen und ist wieder weggefahren.«

Sie kamen vor der Werkstatt an und traten auf das grell erleuchtete Areal. Die Leute von der Spurensicherung waren fast fertig, packten gerade ihre Sachen zusammen.

»Woher stammt eigentlich das viele Laub hier?«, fragte Pendergast ziemlich desinteressiert.

»Wir glauben, die Leiche wurde auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks unter einem Haufen Laub versteckt und unter einer Plane festgezurrt. Die Plane wurde in einer Ecke zurückgelassen, das Laub und die Leiche vor der rückwärtigen Wand abgeladen. Wir befragen gerade die Nachbarn, um herauszufinden, ob einer von ihnen einen Pick-up oder einen anderen Kleinlaster auf dem Gelände gesehen hat. Bislang hatten wir noch kein Glück. In dieser Gegend herrscht viel Verkehr, Tag und Nacht.«