Ich streckte den Arm zum kleinen Holzstapel hinüber, den Elmer aufgeschichtet hatte, legte neue Äste ins Feuer und scharrte mit einem Zweig die verstreuten Kohlen zusammen. Aus den Kohlen loderten kleine Flammen mit blauen Zungen empor und leckten am neuen Holz. Trockene Rinde entzündete sich und spie Funken. Das frische Holz begann zu brennen, und das Feuer erwachte zu neuem Leben.
»Ein Feuer ist eine angenehme Sache«, bemerkte Cynthia.
»Könnte es sein«, fragte Elmer, »daß eine so lächerliche Flamme sogar jemanden wie mich erwärmt? Ich schwöre, daß mir wärmer zumute ist, hier daneben.«
»Könnte sein«, sagte ich. »Dir stand sehr viel Zeit zur Verfügung, um dich zu einem Menschen zu entwickeln.«
»Ich bin ein Mensch«, sagte Elmer. »Juristisch, meine ich. Und wenn in dieser Hinsicht, warum nicht auch in anderer?«
»Wie kommt Bronco voran?« fragte ich. »Er sollte sich zu uns gesellen.«
»Er sitzt noch abseits und absorbiert alles«, sagte Elmer. »Er webt eine ländliche Fantasie aus den dunklen Umrissen der Bäume, dem Geräusch des Nachtwinds im Laub, dem Gluckern des Wassers, dem Glitzern der Sterne und drei schwarzen Gestalten, die um ein Lagerfeuer kauern. Ein Lagerfeuergemälde, eine Nachtmusik, ein Gedicht, vielleicht eine zierliche Skulptur - er fügt alles zusammen.«
»Er arbeitet pausenlos, der arme Kerl«, sagte Cynthia.
»Für ihn ist es keine Arbeit«, antwortete Elmer. »Es ist sein wahres Dasein. Bronco ist ein Künstler.«
Irgendwo fern in der Finsternis ertönte ein trockener Knall, dem einen Moment später ein zweiter folgte. Die Hunde, die eine Zeitlang ruhig gewesen waren, begannen wieder aufgeregt zu bellen.
»Die Jäger haben vom Baum geschossen, was die Hunde hinaufgejagt haben«, stellte Elmer fest.
Nachdem er gesprochen hatte, sagte niemand mehr ein Wort. Wir saßen am Feuer und stellten uns vor - oder wenigstens stellte ich es mir vor -, was sich dort in den dunklen Wäldern abgespielt hatte; wie die Hunde aufgeregt um den Baum springen, das angelegte Gewehr und das Aufzucken des Mündungsfeuers, ein dunkler Schatten, der vom Baum fällt, die Hunde, die sich auf ihn stürzen.
Während ich dasaß und lauschte und mich meinen Vorstellungen hingab, ertönte ein anderes Geräusch, leise, entfernt - ein Rauschen und Krachen. Ein Windstoß, der hinab in unsere Bodenmulde fuhr, fegte das Geräusch fort, aber als der Wind ausblieb, konnte man es wieder hören, und nun lauter und eindringlicher.
Elmer hatte sich erhoben. Das Flackern der Flammen warf einen geisterhaften, metallischen Widerschein über seinen Rumpf.
»Was ist das?« fragte Cynthia; Elmer gab keine Antwort. Das Geräusch war nun noch näher. Was es auch verursachen mochte, es kam auf uns zu, und es näherte sich schnell.
»Bronco!« rief Elmer. »Komm zu uns ans Feuer, rasch.«
Bronco kam der Aufforderung eilig nach.
»Miß Cynthia«, sagte Elmer, »steigen Sie auf.«
»Aufsteigen?« »Steigen Sie auf Bronco und halten Sie sich fest. Falls er laufen muß, ducken Sie sich auf seinen Rücken, damit kein Ast sie abwirft.«
»Was ist los?« fragte Bronco. »Was ist das für ein Lärm?«
»Ich weiß es nicht«, behauptete Elmer.
»Den Teufel weißt du nicht«, sagte ich, aber er hörte mich nicht; falls doch, ging er nicht darauf ein.
Der Lärm war nun sehr nahe. Es war keine Geräuschentwicklung, wie ich sie schon jemals vernommen hatte. Es klang, als reiße etwas den ganzen Wald nieder. Durch lautes Krachen drang das grelle Knarren und Knacken von mißhandeltem Holz, das schrille Kreischen von Metall. Der Boden bebte, als bearbeite etwas sehr Schweres ihn mit einer Serie von gigantischen Hammerschlägen. Grollend, jaulend, donnernd, das Geräusch von gewaltigen Turbinen oder Motoren.
Ich sah mich um. Cynthia saß auf Bronco, und Bronco tänzelte aus dem Bereich des Feuers und tauchte in der Finsternis unter; er rannte noch nicht, aber er bewegte sich geschmeidig und in ständiger Bereitschaft, im nächsten Moment loszustürmen.
Das Getöse hatte uns fast erreicht, ein Röhren und Heulen von ohrenbetäubender Lautstärke, und das Erdreich stöhnte auf. Ich sprang in Deckung und duckte mich, bereit zur Flucht, und ich glaube, ich wäre fortgelaufen, hätte ich nur gewußt, wohin, und in diesem Augenblick sah ich die riesige Masse - was immer es sein mochte - über uns auf dem Kamm des Hügels, ein gewaltiges dunkles Etwas, das die Sterne verfinsterte. Die Bäume wankten wild und krachten nieder, wurden gebrochen und zermalmt von der schwarzen Masse, die sich über den Hügel schob, fast das Lager streifte und dann vorübergrollte, uns unbeachtet ließ, während das Gerumpel sich durch die Geländemulde fortwälzte. Oben auf dem Hügel stöhnten leise die zerspellten Bäume, bevor sie vollends niedersanken. Ich stand und lauschte dem Lärm, der sich allmählich entfernte, und nach kurzer Zeit war er nicht länger zu vernehmen, aber ich stand noch immer still auf der Stelle, gebannt von dem Ereignis, ohne zu begreifen, was geschehen war, und überlegte angestrengt, was es gewesen sein mochte. Elmer stand, wie ich sah, nicht minder erstarrt als ich.
Erschüttert nahm ich wieder am Feuer Platz, und auch Elmer wandte sich um und kehrte ans Feuer zurück. Cynthia stieg von Bronco.
»Elmer«, sagte ich.
Er schüttelte seinen wuchtigen Schädel. »Es kann nicht sein« murmelte er, mehr zu sich selbst als zu mir. »Es ist einfach ausgeschlossen. Sie kann unmöglich überdauert haben ...«
»Eine Kriegsmaschine?« fragte ich.
Er hob den Kopf und starrte mich über das Feuer hinweg an. »Es ist einfach verrückt, Fletch«, sagte er.
Ich nahm Holz und schob es ins Feuer. Ich legte viel Holz nach. Es verlangte mich dringlich nach Feuer. Die Flammen krochen über das Holz und entzündeten es rasch.
Cynthia kam ans Feuer und setzte sich neben mich.
»Die Kriegsmaschinen«, meinte Elmer, noch immer hauptsächlich an sich selbst gewandt, »sind zum Kampf gebaut worden. Zum Kampf gegen Menschen, gegen Städte, gegen feindliche Kriegsmaschinen. Sie kämpften bis zur vollständigen Zerstörung, bis sie ihre letzte Quantität von Energie ausgezehrt hatten. Sie wurden nicht zum Überdauern konstruiert. Sie waren nicht zum Überleben bestimmt. Sie wußten es, und wir, die wir sie gebaut haben, wußten es auch. Ihre einzige Aufgabe war die Zerstörung. Wir bauten sie für den Tod, und wir schickten sie in den Tod ...«
Eine Stimme sprach aus jener vergangenen Zeit vor zehntausend Jahren, sprach von der alten Ethik und altem Streben, vom uralten blutigen Ringen, vom urzeitlichen Haß.
»Jene, die darin waren, kannten nicht den Wunsch zu leben. Sie waren bereits tot. Sie besaßen ein Recht aufs Sterben und verschoben den Zeitpunkt ihres Todes ... «
»Elmer, bitte«, sagte Cynthia. »Jene, die darin waren? Wer war darin? Ich habe noch nie gehört, daß man ins Innere dieser Maschinen steigen konnte. Sie hatten keine Besatzungen. Sie waren ...«
»Miß«, sagte Elmer, »es waren keine bloßen Maschinen. Sie enthielten zwar ein robotisches Hirn, aber sie enthielten auch menschliche Gehirne. Die Maschine, an der ich gearbeitet habe, verfügte über mehr als ein menschliches Hirn. Wie viele es waren, habe ich nie erfahren, auch nicht ihre Identität; allerdings war uns allen bekannt, daß es sich um die noch funktionstüchtigen Hirne fähiger Männer handelte, vielleicht der fähigsten Soldaten, die das Leben ein wenig zu verlängern bereit waren, um dem Feind einen letzten Schlag zu versetzen. Robothirn und Menschenhirn gingen ein Bündnis ein ...«
»Unheiliges Bündnis«, sagte Cynthia.
Elmer widmete ihr einen kurzen Blick, dann richtete er ihn zurück ins Feuer. »Ich glaube, so könnte man es nennen, Miß. Aber Sie begreifen nicht recht, was in einem Krieg geschieht - das ist eine Art sublimer Wahnsinn, ein erbitterter Haß, der zu einem irrationalen Gefühl, im Recht zu sein, verzerrt wird ...«