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»Kommen Sie mit den Friedhofsleuten gut aus?« erkundigte ich mich.

Bevor er antwortete, dachte er einen Moment lang nach; er zählte zu der Art von Menschen, urteilte ich, die sich jede Antwort genau überlegen, ehe sie sie aussprechen. »Meistens«, sagte er schließlich. »Im Lauf der Jahre haben sie sich immer näher herangeschoben, haben sich Land angeeignet, das früher frei war, in meiner Jugend. Zweimal bin ich hingegangen und habe mit diesem Kerl geredet ...« Er versuchte sich an den Namen zu erinnern.

»Bell«, sagte ich. »Maxwell Peter Bell.«

»Der ist es«, bestätigte er. »Ich gehe hin und rede mit ihm, obwohl dabei nichts herauskommt. Er ist zu ölig, glatt wie ein Fisch. Er lächelt, aber hinter dem Lächeln ist nichts. Er ist selbstsicher; groß und mächtig ist er, und wir sind klein und schwach. Ihr bedrängt uns schon wieder, sage ich zu ihm, ihr breitet euch schon wieder aus, und zu unserem Schaden, und dabei muß das nicht sein, es gibt eine Menge anderes Land, das ihr nehmen könnte, unendlich viel Brachland, das niemand benutzt. Und er sagt, aber ihr verwendet doch dieses Land auch nicht, und darauf sage ich ihm, daß wir es benötigen, auch wenn wir es nicht bebauen, wir brauchen es, um Ellbogenfreiheit zu haben, wir hatten immer viel Ellbogenfreiheit, ohne sie fühlen wir uns eingezwängt, wir ersticken. Und dann sagte er, aber ihr habt keinen Besitztitel darüber; und ich frage ihn, was ein Besitztitel ist; und er versucht mir zu erklären, was ein Besitztitel ist, und es ist alles bloß Quatsch. Ich frage ihn, hat er Besitztitel dafür, und nie gibt er Antwort. Sie kommen von irgendwo weit draußen, Mister, vielleicht könnten Sie mir sagen, hat er Besitztitel dafür?«

»Ich bezweifle es sehr«, antworte ich.

»Sonst kommen wir ganz gut mit ihnen zurecht, finde ich«, sagte er. »Manche von uns arbeiten ab und zu für den Friedhof, heben Gräber aus, mähen den Rasen, beschneiden Bäume und Sträucher, säubern die Gräber und Grabsteine von Unkraut. Man hat eine Menge Arbeit mit einem Fried-hof, wenn er stets ordentlich und gepflegt aussehen soll. Gelegentlich brauchen sie uns, wenn die Arbeit ihnen über den Kopf wächst. Wir könnten dort viel mehr Arbeit tun, glaube ich, wenn wir's wollten, aber wozu wäre es gut? Wir haben alles, das wir wollen. Sie können uns kaum etwas bieten für die Arbeit. Modische Kleider, dann und wann, aber unsere Schafe versorgen uns mit aller Kleidung, die man braucht, genug zum Anziehen, genug zum Warmhalten. Mancherlei neumodische Getränke, aber wir haben reichlich Selbstgebrannten, und ich bezweifle, daß er schlechter ist als irgendein Friedhofsschnaps. Selbstgebrannter steht bei Kennern in gutem Ruf, und er hat einen eigentümlichen Geschmack, an den ein Mann sich gewöhnen kann. Töpfe und Pfannen, gewiß, aber wieviel Töpfe und Pfannen braucht eine Frau? Es ist nicht so, daß wir faul wären oder nicht rechnen gönnten. Wir sind sehr fleißig. Wir bauen an und fischen und jagen. Wir graben viel altes Metall aus. Es gibt viele Stellen, die meisten ein ganzes Stück weit von hier entfernt, wo man in Erdwällen Metall findet. Das verwenden wir, um daraus unsere Werkzeuge und Schießeisen zu machen. Bisweilen kommen aus dem Westen oder vom Süden her Händler und tauschen ihr Pulver und Blei gegen unser Mehl, unsere Wolle und Selbstgebrannten ein - auch andere Dinge, klar, aber hauptsächlich Blei und Pulver.«

Er schwieg, und wir hockten nahe beieinander im milden Sonnenschein auf dem Balken. Die Bäume glichen zur Reglosigkeit erstarrten Freudenfeuern; die Felder waren lohfarben, durchsetzt mit den Garbenhaufen aus Korn, übersät vom verstreuten Gold der Kürbisse. Am Fuß des Hügels, unter uns, in der Schmiede, hämmerte jemand, und aus dem Schornstein quoll eine Rauchwolke. Auch aus den Schornsteinen der nächstgelegenen Häuser erhob sich Rauch. Eine Tür knallte, und ich sah Cynthia heraustreten. Sie hatte eine Schürze umgebunden und trug eine Pfanne. Sie ging in den Hof und entleerte den Inhalt der Pfanne in ein Faß, das dort stand. Ich winkte ihr zu, und sie winkte zurück, dann betrat sie wieder das Haus; hinter ihr schloß sich die Tür mit einem neuen Knall.

Der Alte bemerkte, daß ich das Faß anstarrte. »Das Schweinefaß«, sagte er. »Wir werfen Kartoffelschalen und saure Milch und Kohlblätter hinein, alle Reste aus der Küche. Wir verfüttern alles an die Schweine. Sagen Sie bloß nicht, Sie hätten noch nie ein Schweinefaß gesehen.«

»In der Tat wußte ich bis zu diesem Moment nicht«, gestand ich, »daß eine solche Einrichtung existiert.«

»Ich glaube«, sagte der alte Mann, »ich habe nicht richtig kapiert, woher Sie kommen und was Sie hier tun wollen.«

Ich erzählte ihm von Alden und bemühte mich, ihm den Zweck unseres Aufenthalts zu erklären. Ob er es verstand, dessen bin ich nicht sicher.

Er winkte zu den Ställen hinüber, wo Bronco bereits seit einem Gutteil des Tages stand. »Sie meinen, dieses Ding da arbeitet für Sie.«

»Sehr schwer«, versicherte ich, »und höchst sachverständig. Bronco ist äußerst sensitiv.

Er absorbiert die Muster der Ställe und Heuhaufen, der Tauben auf dem Dach, der Kälber in den Pferchen, der Pferde in der Sonne. Dadurch erhalten wir alles, das wir brauchen, um Musik zu machen und ...«

»Musik? Sie meinen so etwas wie Fiedelspiel?«

»Ja«, sagte ich, »so etwas könnte es werden.«

Er schüttelte den Kopf, halb verwirrt, halb ungläubig.

»Da ist etwas, wonach ich Sie fragen wollte«, meinte ich. »Nach diesem Ding, das die Jäger den >Räuber< nennen.«

»Ich weiß wirklich nicht«, erwiderte er, »ob ich Ihnen darüber viel verraten kann. Man nennt es den Räuber, aber warum, das habe ich mich selbst schon oft gefragt. Ich habe noch nie gehört, daß er etwas geraubt hätte. Es wäre nur gefährlich, wenn Sie ihm direkt in den Weg kämen. Er zeigt sich sehr selten. Meistens weit entfernt, und man merkt es erst, nachdem er wieder fort ist. Vergangene Nacht, das war das erste Mal, daß er bis in Rufweite gekommen ist. Niemals hat ihn jemand, soweit ich Bescheid weiß, aus der Nähe angeschaut oder ist seiner Spur gefolgt. Um gewisse Dinge kümmert man sich lieber nicht.«

Ich besaß völlige Klarheit darüber, daß er mir nicht sein ganzes Wissen mitgeteilt hatte, und ich ahnte, daß er es auch nicht tun würde, aber ich versuchte dennoch, mehr aus ihm herauszuholen.

»Aber es muß doch Geschichten geben. Vielleicht alte Geschichten aus den alten Zeiten. Haben Sie schon einmal erwähnen hören, es sei eine Kriegsmaschine?«

Verblüfft und furchtsam schaute er mich an. »Was für eine Maschine?« fragte er. »Welcher Krieg?«

»Wollen Sie damit andeuten«, fragte ich zurück, »daß Sie nichts von jenem Krieg wissen, der die Erde zerstört hat? Darüber, wie die Menschen geflohen sind?«

Er gab keine direkte Antwort, aber ich schloß aus seiner Äußerung, daß er keine Ahnung hatte - die Geschichte des Planeten war im Dunkel der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten.

»Geschichten gibt es viele«, sagte er, »und viele sind wahr und andere vielleicht unwahr. Und kein Mensch, der richtig im Kopf ist, wird sich sonderlich darum kümmern. Da gibt es zum Beispiel den Volkszähler, der die Geister zählt; und ich dachte immer, das sei nur so eine Geschichte, bis zu dem Tag, da ich ihm tatsächlich begegnet bin. Und dann gibt es die Geschichte vom Unsterblichen, aber ihm bin ich nie begegnet, obwohl es Leute gibt, die das von sich behaupten. Man hört von Zauberwerk und Hexerei, aber an diesem Ort geschieht weder das eine noch das andere, und wir vermissen es wahrlich nicht. Wir wünschen ein gutes Leben zu führen und wünschen uns, daß es so bleibt, und wir achten kaum auf die Geschichten, die man erzählt.«

»Aber es muß Bücher geben«, sagte ich.

»Vielleicht früher einmal«, antwortete er. »Davon habe ich gehört, aber nie eins gesehen. Ich kenne niemanden, der welche besitzt. Wir hier haben keine. Ich glaube, wir hatten nie welche. Können Sie mir genau sagen, was Bücher überhaupt sind?«