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Das Schreien und Brüllen verklang in der Ferne. »Da sind noch mehr«, sagte Bronco. »dort im Gehölz angebunden. Sie sind nicht böse, sie sind schlichte Geschöpfe.«

»Pferde«, sagte Cynthia. »Es müssen viele sein. Ich glaube, diese Leute sind Händler.«

»Kannst du mir erklären, was passiert ist?« fragte ich sie. »Wir gingen ins Gehölz, und da waren Schatten. Dann kam ich wieder zu Bewußtsein, als mir jemand Wasser ins Gesicht schüttete.«

»Sie haben dich niedergeschlagen und mich gepackt und uns beide in ihr Lager gezerrt«, berichtete Cynthia. »Dich haben sie an den Füßen mitgeschleift.«

»Und Bronco?«

»Ich rannte hin, um euch zu befreien«, sagte Bronco, »aber dabei machte ich einen Fehltritt und fiel um. Als sie mir was wollten, habe ich ihnen mit meinen gesunden Klauen ein paar kräftige Tritte verpaßt.«

»Sie haben sich durch nichts verraten«, sagte Cynthia. »Sie warteten auf uns. Sie haben uns kommen sehen und sich in den Hinterhalt gelegt. Wir konnten das Feuer nicht bemerken, dieser Hohlweg ist ziemlich tief ...«

»Zweifellos hatten sie Posten aufgestellt«, sagte ich. »Es war unser Pech, daß wir ihnen direkt in die Arme gelaufen sind.«

Wir gingen hinunter zum Lager und standen ums Feuer. Obwohl es inzwischen abgebrannt war, schürten wir es nicht. Irgendwie fühlten wir uns ohne allzu starke Beleuchtung ein bißchen sicherer. Kisten und Ballen lagen an einer Seite, auf der anderen ein Stoß Holz, das Brennmaterial. Überall lagen Koch- und Eßgeschirre, Gewehre und Decken verstreut.

Etwas kam laut platschend durchs Wasser und dann mit Gekrache durchs Unterholz. Ich bückte mich, um ein Gewehr aufzuheben, aber Bronco sagte: »Das ist nur Elmer, der zurückkommt«, und ich ließ das Gewehr fallen. Ich weiß nicht, wozu ich es überhaupt aufhob; ich hatte nicht die leiseste Vorstellung davon, wie es funktionierte.

Elmer prasselte durchs Gehölz.

»Sie sind fort«, sagte er. »Ich habe einen von ihnen zu fangen versucht, um zu hören, was er uns erzählen könnte, aber sie waren zu flink für mich.«

»Sie hatten Angst«, sagte Bronco.

»Sind alle unversehrt?« fragte Elmer.

»Wir sind alle in Ordnung«, sagte Cynthia. »Einer hat Fletch mit einem Knüppel auf den Kopf geschlagen, so daß er das Bewußtsein verlor, aber anscheinend geht's ihm wieder gut.«

»Ich habe eine Beule«, stellte ich fest, »und jetzt, da wir davon sprechen, bemerke ich auch einen leichten Kopfschmerz. Aber sonst bin ich wohlbehalten.«

»Fletch«, sagte Elmer, »warum schiebst du nicht Holz ins Feuer und wärmst etwas Nahrung? Du und Miß Cynthia, ihr dürftet etwas gebrauchen können. Wahrscheinlich auch Schlaf. Ich habe das Zeug, das ich trug, im Wald abgelegt. Ich gehe zurück und hole es.«

»Sollten wir nicht lieber verschwinden?« fragte ich.

»Sie werden nicht wiederkommen«, versicherte Elmer. »Nicht gleich. Nicht am hellichten Tag, und die Dämmerung kommt bald. Morgen abend werden sie zurückkehren, aber bis dahin sind wir fort.«

»Sie haben im Gehölz Pferde angebunden«, sagte Bronco. »Ohne Zweifel Packtiere, um diese Kisten und Ballen zu transportieren. Wir könnten ein paar von diesen Tieren verwenden.«

»Wir nehmen sie mit«, sagte Elmer. »Unsere Freunde sollen zu Fuß gehen. Und dann - ich brenne darauf, einen Blick in diese Ballen zu tun. Darin muß sich etwas befinden, das wir nicht sehen sollten.«

»Vielleicht waren sie nur streitlustig«, wandte Bronco ein. »Vielleicht waren sie nur gemein und böse.«

12

Aber es ging nicht um bloße Gemeinheit.

Sie hatten allen Grund, wert darauf zu legen, daß niemand erfuhr, was die Kisten und Ballen enthielten.

Der erste Ballen, den wir aufschlitzten, enthüllte Metall, roh in Platten zerteilt, anscheinend mit Meißeln.

Elmer nahm zwei Platten und schlug sie gegeneinander. »Stahl«, sagte er, »beschichtet mit Bronze. Ich möchte gerne wissen, woher sie das haben.«

Aber noch bevor er den Satz beendet hatte, wußte er es; und ich wußte es auch. Er sah mich an und erkannte - oder vermutete -, daß ich es wußte.

»Das ist Sargmetall, Fletch«, sagte er.

Wir standen und starrten es an; hinter uns blickte Bronco über unsere Schultern. Elmer warf die beiden Stücke auf den Boden.

»Ich hole das Werkzeug«, sagte er, »dann kümmern wir uns um Bronco.

Wir müssen schneller hier weg, als ich geglaubt habe.«

Mit den Werkzeugen, die Elmer aus dem Geräteschuppen der Siedlung entwendet hatte, machten wir uns an die Arbeit. Ein Bein brachten wir ohne große Mühe in Ordnung, bogen es zurecht, beulten es aus und rasteten es an seinem Platz wieder ein, und danach war es so gut wie neu. Das zweite Bein bereitete uns einige Schwierigkeiten.«

»Was meinst du, wie lange das schon getrieben wird ?« fragte ich, während wir arbeiteten. »Diese Grabräuberei. Der Friedhof muß doch davon wissen.«

»Vielleicht weiß man es«, antwortete Elmer, »aber was könnten sie dagegen tun und warum sollten sie überhaupt dagegen sein? Wenn jemand ein bißchen eleganten Grabraub betreiben möchte was macht das schon? Hauptsache, sie tun es dort, wo es nicht sonderlich auffällt.«

»Aber es muß auffallen. Der Friedhof wird gepflegt und ...«

»Wo man es sieht«, sagte Elmer. »Ich wette, daß es Friedhofsgelände gibt, die man nicht pflegt - und die Besucher nicht sehen dürfen.«

»Aber falls jemand kommt, um ein bestimmtes Grab zu besuchen?«

»Davon erfahren sie früh genug. Sie kennen die Namen jeder Passagierliste der Pilgrim Tours - die Namen und die Herkunft der Passagiere. Ihnen steht ausreichend Zeit zur Verfügung, ein Notprogramm anzuleiern, jeden beliebigen Teil des Frieshofs ordentlich herzurichten. Oder vielleicht unterziehen sie sich gar nicht solcher Mühe. Es kann sein, daß sie bloß ein paar Grabsteine oder Namensschilder austauschen. Wer würde es schon merken?«

Cynthia hatte am Feuer gekocht. Nun kam sie herüber zu uns. »Kann ich das für einen Moment haben?« fragte sie und nahm ein Hebeisen.

»Was hast du damit vor?« sagte Elmer.

»Eine Kiste öffnen.«

»Überflüssig«, meinte Elmer. »Wir wissen, was sie transportiert haben: Metall.«

»Egal«, antwortete Cynthia. »Ich möchte mir das Zeug ansehen.«

Allmählich wurde es hell. Die Sonne warf Licht über den östlichen Himmel und würde bald aufgehen. Vögel, die zu zwitschern begonnen hatten, als die Dunkelheit der Nacht zu weichen anfing, flogen und hüpften nun durch die Bäume. Ein Vogel, groß, blau und mit einer Haube auf dem Kopf sauste nervös herum und schrie auf uns herab.

»Ein blauer Eichelhäher«, sagte Elmer. »Von Natur aus ein Krakeeler. Ich entsinne mich, daß es sie schon lange gibt. Auch ein paar von den anderen, aber mir fallen nicht alle Namen ein. Das dort ist ein Rotkehlchen. Das da eine Amsel - eine Kohlamsel, würde ich sagen. Freche kleine Schurken.«

»Fletcher«, sagte Cynthia; sie sprach nicht sehr laut, aber ihre Stimme klang scharf und leicht verzerrt.

Ich hatte neben Elmer gekauert und zugeschaut, wie er die letzten Handgriffe tat, um eine von Broncos Klauen zurechtzubiegen und zu glätten.

»Ja, was ist?« erkundigte ich mich und sah mich dabei nicht einmal um.

»Bitte komm her«, sagte sie.

Ich stand auf und drehte mich um. Es war ihr gelungen, an der Oberseite einer Kiste das Ende einer Latte zu lösen, die nun umgeknickt über den Kistenrand ragte. Sie blickte nicht herüber. Sie schaute etwas im Innern der Kiste an, reglos, als habe jemand sie urplötzlich hypnotisiert, außerstande, ihren Blick vom Inhalt der Kiste zu wenden. Mit drei raschen Schritten war ich an ihrer Seite.

Als erstes sah ich eine Flasche - dünn, zerbrechlich, offenbar aus Jade, aber es konnte unmöglich Jade sein, denn sie war mit kleinen, zarten Figuren in Schwarz, Gelb und Dunkelgrün bedeckt, während die Flasche selbst apfelgrün war. Daneben eine Porzellantasse, oder etwas, das wie eine Porzellantasse aussah, mit rotblauem Muster; neben der Tasse lag das Bruchstück einer Statue, grob gehauen aus cremefarbenem Stein. Unter der Statue, halb verdeckt, ein seltsam verzierter Krug.