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»Richtig, ja«, sagte Elmer. »Wieso habe ich nicht daran gedacht? Wenn sie zurückgekommen sind, werden sie einige Männer als Wache abstellen müssen, und das verringert ihre Kräfte.«

»Sie werden uns verfolgen«, sagte Cynthia. »Sie benötigen unbedingt die Pferde.«

»Zweifellos werden sie uns folgen«, bestätigte Elmer, »aber wenn sie die Pferde eingefangen haben - falls es ihnen überhaupt gelingt - sind wir schon meilenweit entfernt und über alle Berge.«

Erstmals meldete sich Bronco zu Wort. »Aber die beiden Menschen, sie können nicht ohne Schlaf weiter. Sie können nicht noch stundenlang ohne Schlaf durchhalten.«

»Wir werden uns etwas einfallen lassen«, versprach Elmer. »Laßt uns aufbrechen.«

»Was ist mit dem Volkszähler und den Geistern?« fragte Cynthia.

»Um die Geister wollen wir uns jetzt keine Sorgen machen«, sagte ich.

13

Ich erwachte, und es war Nacht. Aber ich erinnerte mich unverzüglich an die vergangenen Ereignisse und daran, wo wir uns befanden. Ich setzte mich auf und erkannte neben mir die dunklen Umrisse Cynthias. Sie schlief noch. Nur noch ein paar Stunden, dachte ich, und Elmer und Bronco werden zurück sein, und wir können uns wieder auf den Weg machen. Wir hatten eine Riesendummheit begangen - davon war ich mittlerweile überzeugt. Wir hätten die Tiere behalten sollen. Nun ja, ich war erschöpft gewesen, und zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Pferd zu reiten, wäre sicherlich keine einfache Angelegenheit geworden, aber ich hätte es durchgestanden. Cynthia war ebenfalls restlos fertig gewesen, aber wir hätten sie auf Bronco festschnallen können, um ein Herunterfallen zu verhindern, falls sie eingenickt wäre. Elmer jedoch hatte darauf bestanden, uns hier zurückzulassen, während er und Bronco die Pferde tief ins Gebirge jagten, das bedrohlich vor uns aufragte.

»Es kann gar nichts passieren«, hatte er versprochen. »Diese Höhle ist behaglich und gut getarnt, und ehe du dich versiehst, sind wir zurück. Es ist nichts dabei.«

Jetzt machte ich mir Vorwürfe. Er hatte uns regelrecht in diese Situation hineingeredet. Ich hätte das verhindern sollen. Die Lage gefiel mir nicht. Wir hätten zusammen bleiben sollen. Was auch geschehen wäre, wir hätten uns nicht trennen dürfen.

Ein Schatten bewegte sich nahe am Höhleneingang; dann sprach eine sanfte Stimme mich an.

»Ich bitte dich, keinen Laut von dir zu geben, mein Freund. Du brauchst dich nicht zu fürchten.«

Ich kam wankend auf die Füße; meine Nackenhaare sträubten sich. »Zum Teufel, wer spricht da?« rief ich.

»Ganz ruhig, ganz ruhig«, sagte die sanfte Stimme gelassen. »Es gibt hier Wesen, die unsere Begegnung nichts angeht.«

Cynthia schrie auf.

»Sei still!« schnauzte ich sie an.

»Ihr müßt ganz still sein«, sagte die Gestalt, die im Dunkeln lauerte. »Ihr werdet mich nicht kennen - aber ich habe euch beim Tanzfest gesehen.«

Cynthia, die den nächsten Schrei schon auf den Lippen hatte, hielt den Atem an und schluckte.

»Das ist der Volkszähler«, sagte sie. »Was will er von uns?«

»Ich bin gekommen, meine Schöne«, sagte der Volkszähler, »um euch vor einer großen Gefahr zu warnen.«

»Tatsächlich?« meinte ich, aber ich sprach nicht laut, denn seine leise Stimme und seine Mahnung, wir sollten ruhig sein, hatten mich vorsichtig gemacht.

»Die Wölfe«, sagte er. »Man hat die Stahlwölfe auf eure Spur gesetzt.«

»Und was können wir dagegen unternehmen?«

»In völliger Stille verharren«, empfahl der Volkszähler, »und darauf hoffen, daß sie vorüberziehen.«

»Wo sind deine Freunde ?« erkundigte ich mich.

»Sie treiben sich hier irgendwo herum. Sie sind oft mit mir zusammen. Wenn sie Leute zum ersten Mal sehen, halten sie sich verborgen. Sie sind etwas schüchtern. Falls sie euch jedoch mögen, werden sie bald auftauchen.«

»So schüchtern waren sie beim Tanz aber keineswegs«, bemerkte Cyn-thia.

»Sie waren unter alten Freunden und obendrein nicht zum ersten Mal dort.«

»Du hast von Wölfen gesprochen«, erinnerte ich ihn. »Stahlwölfe, glaube ich.«

»Wenn ihr sehr vorsichtig zum Eingang kommt, dürftet ihr sie sehen können. Aber macht so wenig Lärm wie möglich, ich bitte euch.«

Cynthia war dicht neben mir; ich streckte ihr meine Hand entgegen. Sie ergriff sie und zog sich an mir hoch.

»Stahlwölfe?« meinte sie.

»Höchstwahrscheinlich Roboter.«

Ich weiß nicht, warum es mich so gleichgültig ließ. Abstumpfung? In den beiden vergangenen Tagen hatten wir so viele verrückte Begegnungen gehabt, daß mechanische Wölfe zunächst einmal gar nicht so ungewöhnlich wirkten. Sie schienen eine ganz alltägliche Sache zu sein.

Außerhalb der Höhle erhellte der Mond weithin die Umgebung. Die Bäume hoben sich so deutlich vom Hintergrund ab wie am hellen Tag, und dazwischen erstreckten sich kleine Wiesen, aus denen sich da und dort Findlinge erhoben. Es war ein wildes, rauhes Land, und aus irgendeinem Grund verursachte es mir ein Frösteln.

Unter dem Höhleneingang duckten wir uns und gingen in Deckung, aber es ließ sich nichts erkennen, nur die Bäume und die Flecken der Wiesen und die Findlinge, dahinter die dunklen Erhebungen von Hügeln, die in ihrer Schwärze furchteinflößend wirkten.

»Ich ...«, begann Cynthia, aber der Volkszähler stieß einen Zischlaut aus, und sie verstummte.

Wir duckten uns noch tiefer, wir beide, Hand in Hand, obwohl es gerade-zu lächerlich zu sein schien. Nichts regte sich; nicht einmal ein Blättchen in den Bäumen, denn es herrschte absolute Windstille.

Dann war plötzlich Bewegung im Schatten eines Baumes, und einen Augenblick später trottete das Wesen, das die Bewegung verursacht hatte, ins Freie. Es glitzerte im Mondlicht und hatte eine Aura aggressiver Kraft und Grausamkeit. Es hatte ungefähr die Größe eines Kalbs; allerdings ließ sich die Größe im Mondlicht und bei der Entfernung, die zwischen uns lag, schlecht schätzen. Geschmeidig war es, schnell und ungeheuer flink. Erhaben und anmutig waren seine Schritte, aber in seinem metallenen Körper lag ein Ausdruck von Macht, der sogar über mehr als hundert Meter hinweg wahrnehmbar war. Hektisch rannte es auf und ab, als spüre es nach einem bestimmten Geruch, dann starrte es direkt zu uns herüber - starrte und schien gegen irgendeinen Widerstand herüber zur Höhle zu streben, als hielte jemand es an einer Kette, von der es losbrechen wollte.

Dann wandte es sich ab und lief wieder unruhig hin und her, und ganz plötzlich waren es drei statt nur diesem einen - sie huschten durchs Mondlicht, schnürten durch den Wald.

Eins von ihnen, als es sich uns zuwandte, öffnete sein Maul, oder was dem Maul eines biologischen Wesens entsprach, und bleckte zwei Reihen stählerner Zähne. Als es das Maul ruckartig schloß hallte das Geräusch der Stahlzähne bis an unsere Ohren, die wir dicht an den Boden gepreßt, nebeneinander am Höhleneingang lagen.

Cynthia drückte sich eng an mich. Ich löste meine Hand aus ihrer, legte meinen Arm um sie und hielt sie fest; ich betrachtete sie in diesem Moment, da bin ich sicher, nicht als Frau, sondern lediglich als einen anderen Menschen, ein Wesen aus Fleisch und Blut, genau wie ich, das Stahlzähne zerreißen konnten. So drückten wir uns aneinander und beobachteten, wie die Wölfe Witterung aufzunehmen versuchten und umhereilten - ich hatte den Eindruck, daß sie geiferten -, und plötzlich kam mir der Gedanke, sie wüßten, daß wir uns in der Nähe befanden, wo sie uns suchen mußten.

Dann waren sie plötzlich verschwunden. So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden sie wieder, und wir hatten sie nicht abziehen sehen. Dennoch blieben wir am Boden liegen, wagten nicht zu sprechen, wagten keine Bewegung. Wie lange wir so verharrten, weiß ich nicht.

Schließlich berührten Finger meine Schulter. »Sie sind fort«, sagte der Volkszähler. Bis zum Augenblick, da er meine Schulter berührte, hatte ich seine Gegenwart ganz vergessen gehabt.