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Der Wolf machte keine Anstalten, sich mir zu nähern; er hockte nur dort und hielt den Hasen zwischen den Fängen. Mir war nicht bewußt gewesen, daß es einen besaß, doch nun begann das Ungeheuer mit dem Schwanz zu wedeln, und es ähnelte wirklich und wahrhaftig dem Schwanzwedeln eines Hundes, der sich über eine Begegnung freute.

Rasch blickte ich mich um. Der Volkszähler war nirgends zu sehen; Cyn-thia dagegen saß aufrecht zwischen den Falten ihrer Decke. Ihre Augen schienen so groß wie Unterteller zu sein. Sie bemerkte meinen Blick nicht, sondern starrte nur den Wolf an.

Ich tat einen Schritt zur Seite, um die Feuerstelle herum, und hob die Stahlrute zum Schlag. Für den Fall, daß ich einen kräftigen Hieb auf den häßlichen Schädel anbringen konnte, wenn er mich ansprang, rechnete ich mir eine kleine Chance aus.

Aber der Wolf griff nicht an. Er blieb sitzen, und als ich einen weiteren Schritt tat, diesmal auf ihn zu, rollte er sich plötzlich auf den Rücken, streckte die Glieder in die Höhe und trommelte mit dem Schwanz wild auf den Stein. Das Geräusch des Metalls hallte laut und aufdringlich durch die morgendliche Stille.

»Er ist freundlich gesonnen«, sagte Cynthia. »Er bittet dich, nicht zuzuschlagen.«

Ich trat noch einen Schritt vor.

»Sieh nur«, sagte diese dümmliche Person nunmehr, »er hat uns einen Hasen mitgebracht.«

Ich senkte die Stahlrute. Der Wolf drehte sich auf den Bauch und kroch auf mich zu. Ich stand ruhig und wartete ab. Schließlich ließ er den Hasen unmittelbar vor meine Füße fallen.

»Heb ihn auf«, riet Cynthia.

»Wenn ich ihn aufhebe«, sagte ich, »beißt er mir den Arm ab.«

»Heb ihn auf«, wiederholte sie. »Er hat dir den Hasen mitgebracht. Er schenkt ihn dir.«

Also bückte ich mich und nahm den Hasen, und in diesem Moment sprang der Wolf in ungestümer Freude an mir empor und drängte sich so gewaltsam an meine Beine, daß er mich fast umgeworfen hätte.

16

Wir saßen am Feuer und nagten die letzten Fleischfasern von den Knochen des Hasen, während der Wolf neben uns lag und uns aufmerksam beobachtete.

»Was mag wohl mit ihm geschehen sein?« meinte Cynthia.

»Vielleicht ist bei ihm was durchgebrannt«, sagte ich. »Oder er hat sich in eine Memme verwandelt, nachdem es seinen beiden Begleitern übel ergangen ist. Möglicherweise wartet er auch nur darauf, bis wir wieder schlafen, um dann über uns herzufallen.«

Ich reckte mich und legte die Stahlrute in Reichweite.

»Ich halte nichts davon für glaubwürdig«, sagte Cynthia. »Möchtest du wissen, was ich glaube? Er will nicht zurück.«

»Wohin zurück?«

»Dorthin, wo der Friedhof ihn zu halten pflegte. Denk einmal nach! Er und die anderen Wölfe, wie viele auch immer, waren vielleicht jahrelang eingesperrt ...«

»Sie dürften sie wohl nicht einsperren«, sagte ich. »Viel wahrscheinlicher ist, daß man sie abschaltet, bis man sie wieder braucht.«

»Möglich, daß es sich so verhält«, sagte sie. »Vielleicht will er nicht zurück, weil er genau weiß, daß sie ihn wieder abschalten werden.«

Ich brummte vor mich hin. Alles war so widersinnig. Womöglich wäre es am besten, so überlegte ich, die Stahlrute zu nehmen und das Metallvieh totzuprügeln. Der Haken daran war allerdings, daß ich allen Grund zu der Annahme besaß, daß der Wolf das Töten weit besser verstand als ich und ich deshalb bei einer Auseinandersetzung voraussichtlich unterliegen würde, zumal ich keine Ahnung hatte, wo sich seine verletzliche Elektronik befinden mochte. Dieser Umstand hielt mich von der Verwirklichung meines Einfalls zurück.

»Wo mag der Volkszähler abgeblieben sein?« meinte ich.

»Vermutlich hat er sich vor dem Wolf gefürchtet und ist fort gelaufen«, sagte Cynthia. »Wahrscheinlich läßt er sich nie wieder blicken.«

»Er hätte uns wenigstens wecken können, damit wir eine Gelegenheit zur Gegenwehr gehabt hätten.«

»Es ist noch einmal gut ausgegangen.«

»Das konnte er doch nicht ahnen.«

»Was sollen wir jetzt tun?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. Und das traf zu. Ich wußte es wirklich nicht. Noch nie im Leben hatte ich eine solche Ungewißheit über mein weiteres Vorgehen empfunden. Ich hatte nicht die leiseste Vorstellung davon, wo wir uns befanden; von meinem Standpunkt aus waren wir inmitten einer feindseligen Wildnis verirrt. Wir waren von den beiden stärkeren Angehörigen unserer Gruppe getrennt, und unser Führer hatte uns schmählich verlassen. Zwar hatte sich nun ein Stahlwolf mit uns angefreundet, aber ich war weit davon entfernt, mir der Aufrichtigkeit seiner Freundschaft sicher zu sein.

Im Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung und sprang auf, aber es war bereits zu spät. Ich verharrte und starrte in die Gewehrmündungen. Es waren zwei Männer, die diese Gewehre hielten, und einer war jenes hoch-gewachsene, breite, brutal aussehende Subjekt von einem Grabräuber, mit dem wir im Lager der Lumpen verhandelt hatten, Holzscheite in den Händen, bevor Elmer eingriff. Es erstaunte mich, daß ich ihn erkannte, denn seinerzeit hatte ich nicht ihn allein unter Beobachtung gehalten, sondern die gesamte Horde, nachdem sie von Bronco abgelassen hatte, um sich auf uns zu stürzen. Aber ich erkannte ihn eindeutig - das lüsterne, unehrliche, auf seinem Gesicht festgefrorene Lächeln, die schiefen Augen, die krumme Narbe schräg über seiner Wange. An den anderen entsann ich mich nicht.

Sie standen seitlich unter dem Eingang der Felsnische und hatten ihre Gewehre auf uns gerichtet.

Ich hörte Cynthia vor Überraschung keuchen. »Steh nicht auf!« sagte ich in scharfem Tonfall. »Rühr dich nicht!«

Man vernahm das Scharren von stählernen Klauen auf Stein; etwas trat neben mich, drückte sich an meine Wade. Ich brauchte nicht hinzuschauen; ich wußte, daß es der Wolf war, der sich an meiner Seite den Mündungen der Gewehre stellte.

Anscheinend war er den beiden Bewaffneten, weil er hinter uns gelegen hatte, bisher entgangen, denn jetzt, als er in ihr Blickfeld trat, wich das lüsterne Lächeln aus dem Gesicht des Brutalinskis, und sein Unterkiefer sank sichtlich herab. Das Gesicht des anderen wurde von nervösen Zuckungen heimgesucht. Sie standen wie angewurzelt.

»Gentlemen«, sagte ich, »das sieht mir sehr nach einem Unentschieden aus. Ihr könnt uns leicht töten, aber ihr würdet anschließend nicht lange genug leben, um bloß hundert Meter weit zu laufen.«

Für einen langen Moment zögerten sie und hielten die Waffen weiterhin auf uns gerichtet; endlich schwenkte der Brutalinski den Lauf seines Gewehrs aufwärts und ließ es herabsinken, bis der Kolben am Boden ruhte.

»Jed, das Schießeisen runter«, sagte er. »Diese Leute haben uns wieder ausgetrickst.«

Jed senkte seine Waffe.

»Mir kommt es so vor«, ergänzte Brutalinski, »als müßten wir etwas ausknobeln, das uns allen aus der Patsche hilft, ohne daß jemandem dabei das Fell über die Ohren gezogen wird.«

»Kommt herein«, forderte ich sie auf. »Aber geht vorsichtig mit den Gewehren um.«

Langsam und lammfromm traten sie ans Feuer.

Ich warf Cynthia einen flüchtigen Blick zu. Sie saß noch zusammengekauert unter ihrer Decke, aber sie fürchtete sich nicht. Sie konnte wirklich allerhand verkraften.

»Fletch, nach einem so langen Fußmarsch müssen diese Gentlemen hung-rig sein«, sagte sie. »Warum bittest du sie nicht, Platz zu nehmen, während ich eine oder zwei Konserven aufmache? Wir haben nicht viel, versteht sich, weil wir kein schweres Gepäck mitnehmen können, aber einen Fleischtopf kann ich noch anbieten.«

Die beiden sahen mich an und nickten knapp.