»Bitte«, sagte ich.
Sie setzten sich und legten die Gewehre neben sich auf den Boden.
Der Wolf rührte sich nicht; er stand ruhig da und starrte sie unverwandt an.
Brutalinski vollführte eine Geste, die eine Frage ausdrückte, in seine Richtung.
»Er wird friedlich bleiben«, sagte ich. »Aber vermeidet hastige Bewegungen.«
Ich konnte nur hoffen, daß das stimmte. Natürlich hatte ich keine Gewißheit.
Cynthia kramte in einem unserer Bündel und holte eine Pfanne heraus. Ich stocherte in der Glut und blies hinein, bis das Feuer wieder kräftig loderte.
»Ich hoffe, ihr klärt uns nun darüber auf, was das alles bedeuten soll«, sagte ich.
»Ihr habt unsere Pferde gestohlen und später fortgejagt«, sagte Bruta-linski.
»Wir sind euch gefolgt«, fügte Jed überaus geistreich hinzu.
Verwundert schüttelte ich den Kopf. »Wieso? Die Spur der Pferde muß eindeutig gewesen sein. Es waren viele Pferde.«
»Wir haben eure Höhle entdeckt und die Nachricht gefunden, die ihr dort hinterlegt hattet«, berichtete Brutalinski. »Und Jed hier, er konnte sich einen Reim drauf machen. Und dies Loch hier kennen wir.«
»Das ist eine vielbenutzte Lagerstelle«, erklärte Jed. »Wir übernachten hier selber häufig.«
Der Sinn ihrer Rede blieb mir nach wie vor reichlich dunkel, aber ich drängte sie nicht, ihn mir zu erläutern. Brutalinski jedoch redete weiter. »Wir dachten, jemand sei bei euch. Jemand, der das Land kennt. Da waren wir uns ganz sicher. Wir waren uns völlig sicher, daß Leute wie ihr allein nicht weit kommen könnten. Dies Loch hier ist an einem Tag nur schwer zu erreichen.«
»Ich verstehe nicht, wieso ihr den Wolf habt«, sagte Jed. »Mit so etwas hätten wir nie gerechnet. Wir dachten, er wäre schon längst auf dem Rückweg.«
»Ihr wußtet von den Wölfen?«
»Wir haben die Spuren gefunden. Von drei Wölfen. Und dann fanden wir das, was von den beiden anderen übrig ist.«
»Ihr nicht«, widersprach ich. »Ihr müßt direkt von der Höhle aus hierher aufgebrochen sein. Alles andere ist ausgeschlossen. Ihr hattet gar keine Zeit ... «
»Nicht wir«, bekannte Jed. »Wir haben die Trümmer nicht gefunden. Ein paar andere von uns. Sie haben es uns mitgeteilt.«
»Mitgeteilt?«
»Klar«, sagte Brutalinski. »Wir unterrichten uns ständig gegenseitig.«
»Telepathie«, sagte Cynthia sehr leise. »Es muß Telepathie sein.«
»Aber Telepathie ...«
»Ein Überlebensfaktor«, erklärte sie unverändert leise. »Die Menschen, die nach dem Krieg auf der Erde zurückblieben, mußten Eigenschaften entwickeln, die ihre Aussicht aufs Überleben erhöhten. Viele solcher Überlebensfaktoren dürften durch Mutationen entstanden sein. Fähigkeiten, die wertvoll waren, wenn man nicht alsbald an ihnen starb. Eine telepathische Fähigkeit war damals von großem Vorteil und nicht tödlich.«
»Erzählt uns«, wandte ich mich an Brutalinski, »was aus Elmer und Bronco geworden ist, unseren beiden Begleitern, meine ich.«
»Den Metalldingern?« fragte Jed.
»Sehr richtig. Den Metalldingern.«
Brutalinski schüttelte den Kopf.
»Willst du damit sagen, daß ihr's nicht wißt?«
»Es ist uns unmöglich, das herauszufinden.«
»Hör mal, Freund«, sagte Jed. »Wir brauchen eine Grundlage für die Verhandlungen. Das ist unsere Grundlage.«
»Und unsere ist der Wolf«, sagte ich. »Und er steht neben mir.«
»Wir sollten nicht so dumm herumsitzen und schachern«, sagte Bruta-linski. »Es wäre besser, wir würden gemeinsame Sache machen.«
»Deshalb habt ihr euch wohl angeschlichen, um mit uns gemeinsame Sache zu machen, wie?«
»Ja, nee«, sagte Jed, »so war es nicht. Klar, wir wollten uns an euch rächen. Ihr habt unser Lager verwüstet, uns verjagt und dann auch noch unsere Pferde gestohlen. Es gibt nichts Niederträchtigeres als einem Mann die Pferde zu stehlen. Um ehrlich zu sein, wir waren euch nicht gerade freundlich gesonnen.«
»Aber nun ist die Lage anders. Wollt ihr nun friedlich sein?«
»Wir betrachten es so«, sagte Brutalinski. »Jemand hat die Wölfe auf euch gehetzt, und das kann nur der Friedhof getan haben, und wir sagen uns, wen der Friedhof nicht leiden kann, der muß ein Freund von uns sein.«
»Was habt ihr gegen den Friedhof?« erkundigte sich Cynthia. Sie war ans Feuer getreten und stand neben Brutalinski, die Pfanne in der Hand. »Ihr habt den Friedhof bestohlen. Ihr habt die Gräber geplündert. Gäbe es den Friedhof nicht, wäre es doch aus und vorbei mit eurem Geschäft.«
»Die vom Friedhof sind unverträglich«, beklagte sich Jed. »Sie stellen uns Fallen und verursachen uns alle Arten von Schwierigkeiten. Sie machen uns nichts als Ärger.«
Brutalinski hatte seine Verblüffung noch immer nicht ganz überwunden. »Wie kommt es, daß ihr euch mit dem Wolf eingelassen habt?« wollte er wissen. »Das begünstigt nicht gerade die Freundschaft mit anderen Leuten wie uns. Sie sind Menschenkiller, jeder von ihnen.«
Cynthia stand noch neben Brutalinski, sah ihn jedoch nicht an. Ihr Blick war nach draußen auf den jenseitigen Hügel gerichtet. Beiläufig fragte ich mich, wonach sie wohl Ausschau halten mochte, beschäftigte mich jedoch nicht weiter damit.
»Wenn euch daran gelegen ist, euch mit uns zu einigen«, sagte ich, »solltet ihr den ersten Schritt tun, indem ihr uns erzählt, wo wir unsere Begleiter finden können.«
In Wirklichkeit traute ich ihnen keineswegs; ich wußte, daß wir ihnen nicht trauen konnten. Aber ich beabsichtigte das Gerede noch für ein Weilchen fortzusetzen, um ihnen ihr Wissen um den Verbleib Elmers und Bron-cos zu entlocken.
»Ich weiß nicht, ob wir das tun sollen«, wand sich Brutalinski. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Im Augenwinkel sah ich Cynthia handeln. Ihr Arm fuhr aufwärts, und wozu, das begriff ich, doch warum sie das tun wollte, verstand ich beim besten Willen nicht. Ich war außerstande, sie daran zu hindern, und wäre ich dazu in der Lage gewesen, hätte ich es wohl nicht getan, denn ich war mir dessen sicher, daß sie dafür guten Grund besitzen mußte. Ich konnte nur eins tun und tat es sofort. Ich stürzte nach Jeds Gewehr, das neben ihm auf dem Fels lag. Während ich sprang, ließ Cynthia mit aller Kraft, die sie aufzubringen vermochte, die Pfanne auf Brutalinskis Schädel niedersausen.
Jed griff ebenfalls nach dem Gewehr, und wir packten es beide zugleich. Wir sprangen auf die Beine, beide, ans Gewehr geklammert, und rangen darum, versuchten es einander zu entwinden.
Alles ereignete sich so überstürzt, daß ich es kaum richtig mitbekam. Ich sah Cynthia mit Brutalinskis schußbereitem Gewehr. Brutalinski kroch auf Händen und Füßen am Boden herum und schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu überwinden, die ihn umfangen mußte. Hinter ihm lag die Pfanne. Durch den Schlag war sie völlig deformiert. Der Wolf raste wie ein silberner Blitz zur Felsnische hinaus. Draußen, am Abhang gegenüber, liefen dunkle Gestalten. Schüsse krachten; bleierne Hummeln surrten herein und klatschten gegen die Felswände.
Jeds Gesicht verzerrte sich, aus Furcht oder Wut (weshalb, das konnte ich nicht entscheiden, aber seltsamerweise beschäftigte es mich inmitten des ganzen Getümmels). Sein Mund stand offen, als wolle er einen Schrei ausstoßen, doch er schrie nicht. Seine Zähne glichen gelben Hauern; sein Atem stank. Er war weder so kräftig gebaut wie ich noch so schwer, aber ein drahtiger Geselle, schnell, zäh und kampferfahren, und ich wußte, während wir noch rangen, daß er mir die Waffe schließlich entreißen würde.
Brutalinski war auf die Beine gekommen und wich langsam vom Feuer zurück; wie gebannt, furchtsam, starrte er Cynthia an, die sein Gewehr auf ihn gerichtet hatte.
Alles schien mir bereits ungeheuer lange zu dauern, obwohl es, wie ich glaube, nicht länger als ein paar Sekunden währte, und das Ringen zwischen Jed und mir schien sich endlos ausdehnen zu wollen. Dann sank Jed plötzlich vornüber. Sein Griff ums Gewehr lockerte sich, er wankte zur Seite und taumelte zu Boden, und ich sah, daß sich sein Hemdrücken rot tränkte.