Выбрать главу

Der Wolf ließ seinen Blick wandern, um erst den einen, dann den anderen von uns anzuschauen. Er gab keinen Laut von sich, doch er schlug mit seinem Metallschwanz den Stein und verursachte damit mächtigen Krach.

»Wölfe wedeln nicht mit dem Schweif«, sagte sie.

»Woher weißt du das?«

»Irgendwo einmal gelesen. Wölfe klopfen und wedeln nicht mit den Schwänzen. Das tun nur Hunde.«

»Er bietet allen Grund zur Verwunderung«, sagte ich. »Zuerst verfolgt er uns blutrünstig, dann ändert er seine Meinung um hundertachtzig Grad und wird unser Freund. Darin sehe ich keinen Sinn.«

»Allmählich glaube ich«, meinte Cynthia, »daß nichts auf der Erde einen Sinn ergibt.«

Wir saßen am Feuer, umhüllt vom flackernden Schein der Flammen; mich überkam das seltsame Gefühl, ringsum gerate alles in Bewegung.

»Wir haben Besuch«, stellte Cynthia ruhig fest.

»O'Gillicuddy«, sagte ich. »O'Gillicuddy, bist du das?«

»Wir sind hier«, antwortete O'Gillicuddy. »Alle sind wir hier. »Wir lassen euch nicht allein in dieser Wildnis.«

»Wollt ihr euch mit uns unterhalten?«

»Durchaus. Wir haben eine Menge zu erzählen.«

»Um ehrlich zu sein«, meinte Cynthia, »wir sind froh, daß ihr hier seid, Unterhaltung oder keine.«

Gespenster, dachte ich. Im Felsspalt wimmelte es von Gespenstern, deren Sprecher O'Gillicuddy hieß. Hier sind Gespenster, dachte ich, und wir pflegten Umgang mit ihnen, als seien sie Menschen oder wenigstens einmal Menschen gewesen. Es war reiner Wahnsinn. Man konnte sich unter normalen Umständen möglicherweise mit Gespenstern abfinden, aber hier, unter diesen Verhältnissen, waren sie eine ganz alltägliche Erscheinung.

Und während ich darüber nachdachte, begriff ich auf einmal die ganze entsetzliche Ungeheuerlichkeit unserer Lage, begriff ich, wie völlig anders alles hier war als die friedliche Schönheit Aldens, wie fremdartig selbst im Vergleich mit der hohntriefenden Erhabenheit des Friedhofs. In der Tat schienen mir nun Alden und der Friedhof die ungewöhnlichen Dinge zu sein. Wir hatten uns so tief in die Umstände unseres verrückten Abenteuers eingelebt, daß die gewöhnlichen Dinge, welche wir gekannt hatten, nun fern und fremd erschienen.

»Ich fürchte«, sagte O'Gillicuddy, »ihr seid vor den Grabräubern noch nicht gänzlich in Sicherheit. Sie sind nach wie vor eifrig hinter euch her.«

»Glaubst du«, fragte ich, »daß sie es für den Friedhof tun?«

»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte O'Gillicuddy.

»Aber warum?« fragte Cynthia. »Sie sind doch sicher keine Freunde des Friedhofs.«

»Nein«, antwortete O'Gillicuddy, »das sind sie gewiß nicht. Auf diesem Planeten hat der Friedhof keine Freunde. Und doch gibt es niemanden, der ihm nicht mit größtem Vergnügen einen Gefallen erwiese, um etwas für sich herauszuholen. Die Macht des Friedhofs verdirbt die Schwächeren.«

»Aber der Friedhof hat ihnen doch nichts zu bieten«, bemerkte Cynthia.

»Gegenwärtig vielleicht nicht. Aber eine aufgeschobene Gunst ist nicht aufgehoben. Später kann der erwiesene Gefallen sich auszahlen. Es ist eine Art von Punktesammeln.«

»Du hast gesagt, niemand könne der Versuchung widerstehen«, meinte ich. »Wie steht es mit euch?«

»In unserem Fall«, erklärte O'Gillicuddy, »verhält es sich anders. Der Friedhof kann für uns nichts tun, aber was vielleicht wichtiger ist, er kann uns nichts antun. Wir wollen ihm nicht gefällig sein, und wir fürchten uns nicht.«

»Und du bist der Auffassung, wir seien noch immer nicht sicher vor den Grabräubern?«

»Sie jagen euch«, sagte O'Gillicuddy. »Sie werden nicht aufgeben. Ihr habt ihnen heute morgen eine Niederlage bereitet, und sie hat ihnen sehr bitter geschmeckt. Einen hat der Stahlwolf getötet, ein anderer starb durch eine Kugel ... «

»Aber den haben sie selber erschossen«, sagte Cynthia. »Mit einer Kugel, die uns galt. Es war nicht unsere Schuld.«

»Trotzdem lasten sie's euch an. Zwei von ihnen sind tot, und jemand muß die Schuld tragen. Sie weisen die Verantwortung von sich. Sie wälzen die Schuld auf euch ab.«

»Sie können lange nach uns suchen.«

»Lange vielleicht«, sagte O'Gillicuddy, »doch finden werden sie euch. Sie sind hervorragende Waldläufer, Jagdhunden vergleichbar. Die Wildnis ist für sie ein offenes Buch. Ein umgedrehter Stein, ein abgerissenes Blatt, ein umgeknickter Grashalm - daraus ersehen sie alles.«

»Elmer und Bronco sind unsere einzige Hoffnung«, meinte Cynthia. »Wären wir zusammen ...«

»Wir können euch sagen, wo sie sich aufhalten«, versicherte O'Gillicuddy, »aber der Weg ist lang und beschwerlich, und er führt zurück in die Arme der wutentbrannten Grabräuber. Wir haben verzweifelte Anstrengungen unternommen, uns euren beiden Begleitern bemerkbar zu machen, um ihnen den Weg zu euch zu weisen, aber wie wir's auch anstellten, es gelang nicht. Um uns wahrzunehmen, bedarf es feinerer sensorischer Eigenschaften als Roboter sie besitzen.«

»Alles ist so hoffnungslos«, sagte Cynthia. Ihre Stimme verriet ihre Mutlosigkeit deutlich genug. »Elmer und Bronco könnt ihr nicht zu uns führen, und die Grabräuber werden uns höchstwahrscheinlich aufspüren.«

»Und das ist noch nicht alles«, sagte O'Gillicuddy. Ich vermochte mich nicht des Eindrucks zu erwehren, daß es ihn diebisch freute, soviel mehr zu wissen als wir. »Die Räuber sind unterwegs.«

»Die Räuber?« wiederholte ich. »Gibt es denn mehr als einen?« »Es sind zwei.«

»Meinst du diese Kriegsmaschinen?«

»Nennt ihr sie so?«

»Elmer nimmt an, daß es welche sind.«

»Aber das kann doch mit uns nichts zu tun haben«, meinte Cynthia. »Die Kriegsmaschinen haben doch sicherlich nichts mit dem Friedhof gemeinsam.«

»Doch, sie arbeiten mit dem Friedhof zusammen«, erklärte O'Gillicuddy.

»Warum?« fragte ich. »Was besitzt der Friedhof, das sie interessiert?«

»Schmieröl«, antwortete O'Gillicuddy.

Als ich das hörte, stieß ich einen tiefen Seufzer aus. So einfach und so klar. Darauf hätte ich schon früher kommen können. Ich hatte keine Gewißheit, aber nach aller Wahrscheinlichkeit verfügten die Maschinen über einen Nuklearantrieb und reparierten sich selbst. Aber eins benötigten sie, möglicherweise das einzige, das sie nicht mitführten: Schmieröl.

Darauf mußte der Friedhof gesetzt haben. Der Friedhof ließ keine Möglichkeit ungenutzt. Dort unterließ man nichts, das sich dazu eignete, ihnen etwas Untertan zu machen.

»Und der Volkszähler?« fragte ich. »Vermutlich ist er auch irgendwie in diese Angelegenheit verstrickt. Da wir gerade von ihm sprechen, wo ist er überhaupt?«

»Verschwunden«, erwiderte O'Gillicuddy. »Er flattert dahin, er flattert dorthin. Er gehört nicht wirklich zu uns. Er ist nicht immer bei uns. Wo er jetzt ist, wissen wir nicht.«

»Auch nicht, was er ist?«

»Was er ist? Nun, er ist der Volkszähler.«

»So meine ich's nicht. Ist er ein menschliches Wesen? Vielleicht ein Mutant? Es muß zahlreiche Mutanten gegeben haben. Manche positive Mutationen, die meisten jedoch negativ. Der Großteil der Negativmutanten dürfte im Laufe der Zeit umgekommen sein. Die Grabräuber sind auf irgendeine Art telepathisch befähigt und vielleicht noch andersartig. Die Menschen in der Ansiedlung, die wir kennenlernten, haben auch einen seltsamen Eindruck gemacht, obwohl ich nicht sagen könnte, in welcher Beziehung. Und ihr, als Geister ...«

»Gespenster«, korrigierte mich O'Gillicuddy.

»Also gut, Gespenster. Gespenstsein ist kein normaler menschlicher Zustand. Zweifellos gibt es nirgendwo Gespenster außer hier auf der Erde. Niemand weiß, was in der Zeit nach der großen Auswanderung ins All geschehen ist. Heute ist auf der Erde alles anders als früher.«

»Du schweifst ab«, sagte Cynthia. »Du wolltest fragen, ob der Volkszäh-ler ein Machwerk des Friedhofs ist.«