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Cynthia folgte mir, als ich zurück zur Tür schritt und das Haus betrat. Das Innere war unverändert, abgesehen davon, daß die gemütliche, liebevolle Ausstattung fehlte. Keine Bilder hingen an den Wänden, kein Teppich bedeckte den Boden. Der Tisch stand in der Mitte, die Stühle stand noch so dort, wie wir sie verlassen hatten, als wir gingen, vom Tisch zurückgeschoben. Aber auf dem Tisch war nichts. Das Sideboard allerdings war noch vorhanden, und selbst der Krug stand noch darauf.

Ich durchquerte den Raum, nahm den Krug und trat damit unter die Tür, wo es heller war. Soviel ich erkennen konnte, war es derselbe, den unser Gastgeber uns gezeigt hatte.

»Verstehst du etwas von griechischen Keramiken?« fragte ich Cynthia.

»Ich weiß nur, daß es Schwarzfiguren- und Rotfigurenarbeiten gab. Schwarz gab es früher.«

Ich rieb mit dem Daumen über das Töpferzeichen.

Sie schüttelte den Kopf.

»Es stimmt, daß die Töpfer solche Zeichen anbrachten. Ich vermochte sie jedoch nie zu entziffern. Etwas allerdings finde ich merkwürdig. Der Krug sieht so neu aus, als wäre er erst vor kurzem aus dem Brennofen gekommen. Er trägt keine Spuren von Alter oder Abnutzung. Gewöhnlich entdeckt man solche Töpferware bei Ausgrabungen. Sie haben dann schon jahrhundertelang im Erdreich gelegen. Dieser Krug aber sieht aus, als sei das mit ihm nie der Fall gewesen.«

»Ich zweifle daran, daß er es jemals hat - im Erdreich gesteckt, meine ich. Der Anachronier dürfte ihn sich zur Zeit der Herstellung verschafft haben, als Muster der besten damaligen Arbeiten. Durch die Jahrhunderte hat er ihm anscheinend sehr sorgfältige Pflege angedeihen lassen.«

»Du glaubst, er ist es?«

»Wer sonst? Wer würde in einer so unruhigen, finsteren Zeit wie dieser einen solchen Krug so liebevoll hüten?«

»Aber er zeigt sich in so vielen Gestalten«, sagte sie. »Er ist der Volkszähler und jener Mann, mit dem wir gegessen haben. Er ist auch der Mann, dem mein Urahn begegnete.«

»Ich vermute«, erwiderte ich, »er kann jede Gestalt annehmen, die ihm beliebt. Oder zumindest vermag er es vorzuspiegeln. Allerdings hege ich den Verdacht, daß der Volkszähler seine wahre Gestalt ist.«

»Falls du recht hast, liegt unter unseren Füßen der Schatz, tief in diesem Berg. Wir müßten nur den Zugang zum Schacht finden.«

»Ja, und wenn wir den Schatz gefunden haben«, meinte ich, »was machen wir dann? Sollen wir uns hineinsetzen und die Kostbarkeiten angaffen?

Sollen wir ein Stück nehmen und es betasten?«

»Immerhin kennen wir jetzt den Ort, wo er verborgen liegt.«

»Gewiß. Falls wir in unsere Zeit zurückkehren können, falls die Gespenster wissen, was sie tun, falls es wirklich ein Zeittor gibt und falls es eins ist, das uns nicht über unsere Zeit hinaus in die Zukunft befördert, dann ...«

»Meinst du das alles ernst?«

»Ich will mich so ausdrücken. Ich rechnete mit diesen Möglichkeiten.«

»Und wenn kein Zeittor vorhanden ist, Fletch? Wenn wir in dieser Zeit gefangen sind?«

»Wir werden alles versuchen. Irgendeinen Weg werden wir schon finden.«

Wir verließen das Haus und begannen den Abstieg über den Hang. Unter uns lagen der Fluß, das kleine Kornfeld, das Haus mit dem Unkrautgarten und dem Toten.

»Ich zweifle am Zeittor«, bekannte Cynthia. »Die Gespenster sind keine Wissenschaftler. Sie sind Stümper. Einen Sekundenbruchteil, haben sie uns versprochen, aber hierher haben sie uns geschickt.«

Unwillig knurrte ich. Wir hatten jetzt keine Zeit für Gerede. Aber sie blieb hartnäckig. Sie streckte eine Hand aus, um mich zurückzuhalten; ich wandte mich um.

»Fletch«, sagte sie, »wenn kein Zeittor existiert ... Du mußt mir antworten.«

»In dem Fall«, antwortete ich, »lassen wir uns dort unten im Haus nieder. Wir werden es säubern. Es ist bewohnbar, es gibt dort Werkzeug zum Arbeiten. Mit dem Korn als Saatgut können wir neue Felder anlegen. Wir werden fischen und jagen. Wir werden leben.«

»Und wirst du mich lieben, Fletch?«

»Ja«, sagte ich. »Ich werde dich lieben. Ich glaube, ich liebe dich schon jetzt.«

19

Während wir das Kornfeld passierten, überlegte ich, ob Cynthia recht haben konnte - nicht in der Beziehung, daß O'Gillicuddy und die anderen Gespenster lediglich unfähig wären, sondern weil sie für den Friedhof arbeiteten. Auf meine Frage hatte O'Gillicuddy ausdrücklich geantwortet, der Friedhof könne ihnen nichts anhaben, weshalb sie ihn nicht zu fürchten brauchten, und sie hätten nichts mit ihm zu schaffen. Vordergründig klang das überzeugend, aber konnten wir sicher sein, daß es sich um die Wahrheit handelt? Gab es überhaupt ein besseres Mittel, um uns loszuwerden als das, welches O'Gillicuddy und seine Kumpane angewendet hatten? Es war ein klarer Fall, saßen wir in einer anderen Zeit fest, aus der es kein Zurück gab, würde der Friedhof nie wieder Ärger mit uns haben.

Ich dachte an mein rosafarbenes Alden, Cynthias Heimat. Ich erinnerte mich an Thorney, wie er aufgeregt durch sein Arbeitszimmer schritt, von den verschollenen Anachroniern sprach und über wilde Schatzsucher schimpfte, die archäologische Fundstätten ausplünderten und damit die Archäologen der Möglichkeit beraubten, alte Kulturen zu studieren.

Und mit einem Gefühl der Bitterkeit gedachte ich meines schönen Plans, eine Komposition der Erde zu erstellen. Hauptsächlich aber, so glaube ich, dachte ich an Cynthia und ihren blödsinnigen Auftrag. Sie konnte sich von allen am wenigsten von diesem verrückten Abenteuer versprechen. Sie hatte ihre Karriere als Laufbursche für den guten alten Thorney begonnen - und nun sah man, was es ihr eingebracht hatte.

Falls kein Zeittor existierte, was konnten wir dann anderes tun als ich ihr vorgeschlagen hatte? Mir fiel nichts anderes ein; günstigstenfalls würde es ein ödes Leben werden, ein Leben, das weder für Cynthia eine Erfüllung bedeutete, noch für mich. Nichts vermochte den nächsten Winter aufzuhalten. Er würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, und falls es kein Zeittor gab, stand uns nur eine kurze Frist zur Verfügung, um uns darauf vorzubereiten. Irgendwie würden wir bis zum Frühling durchhalten müssen, und bis dahin fänden wir vielleicht eine bessere Lösung.

Ich versuchte meine Gedanken von dieser Problematik abzuwenden, weil unsere Befürchtung sich bisher nicht bestätigt hatte, wir möglicherweise gar keinen Anlaß zu solchen Sorgen besaßen, doch wie sehr ich mich auch bemühte, meine Überlegungen kehrten immer wieder zu ihr zurück. Der schiere Schrecken dieser Aussicht schien mich in seinen Bann geschlagen zu haben.

Wir erreichten das Tal und folgten dem Fluß, bis wir wieder ins kleinere Tal gelangten, das zu der Felsspalte führte, worin wir uns auf der Flucht vor den Grabräubern verkrochen hatten. Wir schwiegen beide. Keiner von uns, so vermute ich, wagte zu sprechen.

Wir durchquerten das enge Tal, und als wir den letzten Hang umrundeten, sahen wir bereits die Felswände aufragen. Es war nicht mehr weit. Bald würden wir Gewißheit haben.

Als wir das Tal vollständig zu überblicken vermochten, blieben wir wie erstarrt stehen. Vor der Felswand standen zwei Kriegsmaschinen. Sie waren unübersehbar. Ich glaube, ich hätte ohnehin bald begriffen, was ich da sah, doch weil Elmer so oft von ihnen erzählt hatte, erkannte ich sie sofort.

Sie waren riesig. Schon ihre Panzerung bedingte ihre Riesenhaftigkeit. Mindestens dreißig Meter lang waren sie und ungefähr halb so breit. Ihre Höhe betrug wenigstens zehn Meter. Sie standen in ihrer ganzen Scheußlichkeit Seite an Seite, häßlich und kampfstark. Sie waren monströse Gebilde. Ihr bloßer Anblick ließ einen Menschen erschaudern.

Wir standen wie angewurzelt da und starrten sie an, und sie musterten uns. Man konnte ihre Blicke spüren.