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Eine der Maschinen sprach uns an - oder jedenfalls kam aus ihrer Richtung eine Stimme, doch man konnte nicht feststellen, welche der beiden Maschinen sprach.

»Lauft nicht fort«, sagte sie. »Fürchtet euch nicht vor uns. Wir möchten mit euch reden.«

»Wir laufen nicht fort«, versprach ich. Es hätte auch, davon war ich überzeugt, wenig Sinn gehabt. Sie hätten uns innerhalb einer Minute gestellt. Dessen war ich mir sicher.

»Niemand will uns zuhören«, sagte die Maschine recht kläglich. »Alle fliehen vor uns. Wir möchten Freunde der Menschen sein, weil wir selbst menschlich sind. Wir irren umher ...«

»Wir werden euch zuhören«, versicherte Cynthia. »Worum geht es euch?«

»Dürfen wir uns vorstellen?« fragte die Maschine. »Ich bin Joe, und das dort ist Iwan.«

»Ich bin Cynthia«, sagte Cynthia. »Das ist Fletcher.«

»Warum lauft ihr nicht vor uns davon?«

»Weil wir uns nicht fürchten«, erwiderte Cynthia; dem Klang ihrer Stimme war indes zu entnehmen, daß sie sich sehr wohl fürchtete.

»Weil Fortlaufen wohl zwecklos wäre«, ergänzte ich.

»Wir sind zwei alte Veteranen«, begann Joe, »schon lange aus dem Krieg zurück und begierig darauf, beim Aufbau einer Welt des Friedens nach besten Kräften zu helfen. Wir sind weit herumgekommen, aber die wenigen Menschen, die wir trafen, waren an unserer Hilfe nicht interessiert. In der Tat haben wir den Eindruck, daß die Menschen eine starke Abneigung gegen uns empfinden.«

»Das ist verständlich«, antwortete ich. »Ihr oder euresgleichen, ihr habt ihnen während des Kriegs das Leben zur Hölle gemacht.«

»Wir haben das keineswegs«, sagte Joe. »Wir beide haben nie mutwillig einen Schuß abgefeuert. Keiner von uns. Der Krieg war längst vorüber, als wir zum Einsatz kamen.«

»Und wie lange ist das inzwischen her?«

»Ziemlich genau etwas über eintausendfünfhundert Jahre.« »Seid ihr euch dessen sicher?« fragte ich.

»Völlig«, entgegnete Joe. »Wir können es auf den Tag genau errechnen, wenn euch daran liegt.«

»Nicht nötig«, sagte ich. »Eintausendfünfhundert Jahre ist genau genug.«

Also hatte sich O'Gillicuddys sogenannter Sekundenbruchteil zu einem Zeitraum von mehr als achtzig Jahrhunderten ausgedehnt.

»Ich würde gerne wissen«, sagte Cynthia, »ob sich vielleicht einer von euch an einen Roboter namens Elmer erinnert ...«

»Elmer!«

»Ja, Elmer. Nach seinen Angaben hat er beim Bau der letzten Kriegsmaschinen mitgewirkt.«

»Woher kennt ihr Elmer? Wißt ihr, wo er ist?«

»Wir haben ihn kennengelernt«, sagte ich. »In der Zukunft.«

»Das ist ausgeschlossen«, antwortete Joe. »Man kann keine Leute in der Zukunft kennenlernen.«

»Es handelt sich um eine lange und verwickelte Geschichte«, erklärte ich. »Irgendwann werden wir sie euch erzählen.«

»Ihr müßt sie jetzt erzählen«, verlangte Joe. »Elmer ist ein alter Freund von mir. Er hat mich gewartet. Iwan nicht. Iwan ist von drüben, von der anderen Seite.«

Offensichtlich gab es keine Möglichkeit, um sich ihnen zu entziehen. Iwan hatte noch kein Wort gesprochen, aber Joe war anscheinend sehr redefreudig. Nun, da er endlich Gesprächspartner gefunden hatte, Menschen, die ihm zuzuhören bereit waren, ließ er sich nicht mehr zurückhalten.

»Es ist überflüssig, daß ihr draußen steht«, fügte Joe hinzu. »Warum kommt ihr nicht an Bord?«

An seiner Bugseite glitt eine Panzerplatte nach unten, und eine Hydraulik fuhr eine kurze Treppe aus. Durch die Öffnung erhielten wir Einblick in einen kleinen, beleuchteten Raum.

»Das ist eine Mechanikerschutzkammer«, erläuterte Joe. »Aufenthaltsund Schutzraum für die Mechaniker, wenn Reparaturen anfallen. Ich glaube jedoch, daß es dazu noch nie gekommen ist; daß man eine Kriegsmaschine repariert hat, meine ich. Mich hat man nie repariert, und viele andere auch nicht. Bei irgendwelchen Schäden sah es meistens sehr übel aus. Der Aufwand, den die Durchführung einer Reparatur erforderte, war sehr groß. Zu der Zeit, als wir zum Einsatz gelangten, gab es kaum noch Ersatzteile. Ich nehme an, daß nur wenige von uns jemals heimgekehrt sind. Auf jeden Fall war es üblich, erst gar nicht damit zu rechnen. Selbstverständlich vermögen wir uns in gewissem Umfang selber zu reparieren. Wir können uns gefechtsklar halten, aber schwere Schäden können wir selbständig nicht behe-ben. - Was ist mit euch? Kommt an Bord.«

»Ich glaube, uns kann nicht viel passieren«, meinte Cynthia.

Davon war ich weit weniger überzeugt als sie.

»Natürlich nicht«, dröhnte Joes Stimme. »Die Kammer ist recht gemütlich. Klein, aber behaglich. Falls ihr hungrig seid, kann ich euch sogar eine Mahlzeit zubereiten. Ich vermute, sie wird nicht besonders gut schmecken, doch dafür ist sie außerordentlich nahrhaft. Ein Schnellimbiß für unsere hypothetischen Mechaniker, falls sie bei der Arbeit einmal hungrig geworden wären. Mehr können wir nicht bieten.«

»Nein, vielen Dank«, sagte Cynthia. »Wir haben gerade ein Mittagessen eingenommen.«

Wir erklommen die Stufen und betraten die Maschine. In einer Ecke des Schutzraums stand ein Tisch; an den Wänden befanden sich übereinander zwei Polster sowie eine Bank. Wir setzten uns auf die Bank. Der Raum war so, wie Joe ihn geschildert hatte: klein, aber behaglich.

»Willkommen an Bord«, sagte Joe über Innenlautsprecher. »Ich freue mich sehr über unser Zusammentreffen.«

»Etwas interessiert mich, das du erwähnt hast«, meinte ich. »Iwan sei von drüben, hast du gesagt?«

»Ja, das ist er tatsächlich. Er ist Russe. Wahrscheinlich hast du bereits erraten, daß der Russe ein Feind war, denn so war es wirklich. Wie wir uns begegneten, das war das Ereignis unseres Lebens. Als ich ausgerüstet war und fertig für den Krieg, beladen mit Munition und versehen mit den modernsten Geräten, brach ich auf, um Kanada und Alaska zu durchqueren. An der Beringstraße mußte ich eine Strecke weit unter Wasser fahren, um Sibirien zu erreichen. Gelegentlich gab ich meine Position heimwärts durch, aber nicht oft, denn dabei bestand die Gefahr meiner Entdeckung. Selbstverständlich waren mir bestimmte Ziele zugeteilt, die ich alle erreichte, jedoch feststellen mußte, daß man sie bereits neutralisiert hatte. Kurz nach Erreichen des ersten Ziels konnte ich keine Verbindung mehr mit der Heimatbasis bekommen. Ich habe nie wieder mit ihr Kontakt erhalten. Ich war abgeschnitten. Zunächst nahm ich an, es läge lediglich eine vorübergehende Störung der Kommunikation vor, doch schließlich sah ich mich gezwungen, mich zu der Einsicht durchzuringen, daß es sich um etwas erheblich Einschneidenderes als bloß einen Zusammenbruch des Kommunikationssystems handelte. Ich war im Zweifel, ob man mein Land inzwischen endgültig in die Knie gezwungen oder ob man nur die wenigen militärischen Befehlszentren noch tiefer unter die Erdoberfläche verlegt hatte, aber was auch immer die Ursache für den Abbruch der Verbindung sein mochte, ich war fest entschlossen, meine Pflicht getreulich zu erfüllen. Ich war ein Patriot, ein Patriot reinsten Wassers. Versteht ihr, was ich damit meine?«

»Ich bin Historikerin«, teilte Cynthia ihm mit. »Ich begreife den Zusammenhang.«

»Daher fuhr ich weiter, getrieben von meinem engstirnigen Patriotismus. Ich fand alle mir zugeteilten Ziele bereits vernichtet vor. Aber das befriedigte mich nicht. Wie ein Jagdhund begann ich danach zu suchen, was man damals Gelegenheitsziele nannte. Ich horchte die Atmosphäre nach Signalen ab, die mir eine getarnte Basis verraten würden. Doch ich empfing keine Funkimpulse, weder feindliche noch unsrige. Ich fand auch keine Gelegenheitsziele. Bisweilen begegnete ich kleinen Gruppen von Menschen, die vor mir flohen oder sich versteckten. Ich kümmerte mich nicht um sie. Als Ziele besaßen sie keinerlei Bedeutung. Man setzte keine Nuklearwaffen ein, um ein paar hundert Menschen zu töten, schon gar nicht, wenn daraus keine ersichtlichen taktischen Vorteile resultieren. Ich fand nur Ruinenstädte, worin vielleicht noch winzige, erbarmungswürdige Häuflein von Menschen vegetierten. Ich fuhr durch verbranntes Land, riesige Krater, die viele Kilometer durchmaßen und aus glasiertem Gestein bestanden, dahin unter giftigen Wolken, durch Kilometer um Kilometer einst fruchtbarer Landstriche, nun nur noch kahle Wüsten, stellenweise ein paar abgestorbene Bäume darin oder solche, die noch dahinsiechten, doch nicht ein einziger Grashalm. Es ist unmöglich, alles so zu schildern, daß ihr es euch vorstellen könnt, wie es wirklich gewesen ist. Endlich machte ich kehrt und fuhr zurück in Richtung Heimat, aber langsam, denn ich hatte keinen Grund zur Eile mehr und viel nachzudenken. Mit meiner Reue und meinen Schuldgefühlen will ich euch nicht behelligen. Ich war kein Patriot mehr. Vom Patriotismus war ich geheilt.«