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»Etwas begreife ich nicht«, sagte ich. »Mir ist bekannt, daß eine Kriegsmaschine auch mehrere menschliche Gehirne umfaßt. Vielleicht sogar viele. Und doch sprichst du von dir wie von nur einem Wesen.«

»Einst waren wir fünf«, erläuterte Joe. »Fünf Männer, die sich bereitgefunden hatten, ihre Körper und ihre Menschlichkeit buchstäblich aufzugeben, zu opfern, um eine Kriegsmaschine zu bemannen. Ein Mathematikprofessor war darunter, ein höchst bemerkenswerter Gelehrter; ein Astronom von beachtlichem Ruf; ein Soldat, ein General des Heeres; ferner ein ehemaliger Börsenmakler und - ein sehr atypischer Fall, könnte man sagen - ein Dichter.«

»Und du bist der Dichter?«

»Nein«, widersprach Joe. »Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich glaube, ich bestehe aus allen fünfen. Wir sind nicht länger psychisch getrennt. Auf seltsame Weise, die sich unserem eigenen Verständnis entzieht, sind wir zu einer einzigen Persönlichkeit verschmolzen. Manchmal bin ich verblüfft, mich als den einen oder anderen der fünf zu erkennen, doch handelt es sich bei diesem Gefühl des Wiedererkennens nicht um ein gegenseitig, ein einander erkennen, sondern eher um ein Selbsterkennen. Ich kann nacheinander jeder beliebige von uns sein, als seien wir austauschbar. Doch meistens bin ich nicht einer, sondern alle gemeinsam. Mit Iwan verhält es sich ebenso, allerdings gab es in seinem Fall nur vier Besatzungsmitglieder. Doch jetzt ist er gleichermaßen nur noch eine Persönlichkeit.«

»Wir lassen Iwan gar nicht an der Unterhaltung teilnehmen«, bemerkte Cynthia.

»So ist das nicht«, sagte Joe. »Er ist ein ungemein aufmerksamer Zuhörer. Falls er den Wunsch danach verspürt, kann er sich entweder durch mich oder selbst äußern. Möchtest du das, Iwan?«

»Du erzählst alles so gut, Joe«, vernahmen wir eine andere, dunklere Stimme. »Mach nur weiter.«

»Nun, wie ich schon erwähnt habe«, setzte Joe seinen Bericht fort, »trat ich den Heimweg an. Ich erreichte eine Graslandschaft. Sie war öde, einsam und so weit, daß ich den Eindruck gewann, sie nähme nie ein Ende. Steppe, vermute ich. Dort war es, als ich den alten Iwan erspähte. Ich sah ihn in weiter Ferne, nicht mehr als ein Pünktchen, aber als ich die Teleskopoptik benutzte, erkannte ich sofort und wie elektrisiert, was das war - ein Feind. Obwohl es mir, um bei der Wahrheit zu bleiben, um diese Zeit schon recht schwerfiel, in den Kategorien von Freund und Feind zu denken. Ich empfand vielmehr eine Art von innerer Erregung, die aus der Erkenntnis herrührte, daß sich dort in der Ferne, inmitten der Ebene, ein gleichartiges Geschöpf wie ich aufhielt. Vielleicht eine seltsame Gleichartigkeit, aber sie war vorhanden. Später erzählte mir Iwan, daß er ähnlich reagiert hatte, doch in diesem Moment konnte keiner von uns beiden wissen, was der andere dachte. Daher begannen wir zu manövrieren und setzten dabei unsere ganze Geschicklichkeit ein. Zweimal geschah es, daß ich Iwan im Fadenkreuz hatte, und ich hätte feuern können, aber irgend etwas bewegte mich jedesmal dazu, nicht zu schießen. Iwan hat sich, wahrscheinlich aufgrund irgendwelcher verdrehter russischer Logik, nie dazu bringen können, zuzugeben, daß es ihm mit mir ähnlich ergangen ist, aber ich bin mir dessen völlig sicher. Iwan war eine hervorragende Kriegsmaschine. Wie auch immer, es änderte nichts an der Situation. Wir umkreisten uns immer und immer wieder. Nach ungefähr zwei Tagen wurde die Sache dann lächerlich, und deshalb nahm ich mit ihm Verbindung auf. Okay, sagte ich, laß uns aufhören. Wir wissen verdammt gut, daß keiner von uns noch kämpfen will. Wahrscheinlich sind wir die einzigen überlebenden Kriegsmaschinen. Der Krieg ist aus, und wir haben keinen Grund dazu, den Kampf fortzuführen. Also können wir genausogut auf freundschaftlicher Basis verkehren. Das sagte ich. Der alte Iwan erhob keinen Widerspruch, aber er ließ sich eine ganze Weile Zeit, ehe er seine Zustimmung aussprach. Schließlich tat er es, und wir rollten aufeinander zu, langsam und wachsam, bis wir Bug an Bug standen. Und so blieben wir stehen, Bug an Bug, ich weiß nicht, wie lange -für Tage vielleicht, womöglich für Monate oder Jahre. Wir hatten nichts zu tun. Unsere Aufträge, die man uns erteilt hatte, waren bedeutungslos geworden. Auf der ganzen Welt gab es keine Verwendung mehr für Kriegsmaschinen. So blieben wir draußen in dieser gottverlassenen Ebene, die einzigen Lebewesen im Umkreis von vielen Kilometern, und steckten die Nasen zusammen. Wir sprachen uns aus und lernten uns so gut kennen, daß wir anschließend für lange Zeiträume gar kein Bedürfnis verspürten, uns zu unterhalten. Es tat gut, bloß herumzustehen, nichts zu tun, nicht zu denken, nichts zu sagen, Bug an Bug mit Iwan. Es genügte, daß nicht jeder von uns allein war, sondern wir beide zusammen. Vielleicht hört es sich seltsam an, zu sagen, daß zwei plumpe, häßliche Maschinen Freunde wurden, doch bedenkt, daß wir, wiewohl wir wie Maschinen aussehen, menschliche Wesen sind. Damals begannen unsere Gemeinschaften von Individuen zu verschmelzen. Wir waren fünf Individuen einerseits und vier Individuen andererseits, neun Individuen insgesamt, und alle gut ausgebildete, intelligente Männer, und wir pflegten einen regen Gedankenaustausch. Schließlich sahen wir jedoch ein - ich meine, Iwan und ich -, daß es sinnlos war und ohne Nutzen, bloß untätig dort herumzustehen. Wir stellten Überlegungen an, ob es auf der Welt noch Menschen gebe, denen wir helfen konnten. Falls die Menschheit sich von den Folgen des Krieges erholen würde, mußte sie, so glaubten wir, für jede erreichbare Hilfe dankbar sein. Unter uns neun waren Persönlichkeiten mit einer Menge Verstand, genau von der Sorte, welche die Menschheit benötigen würde. Außerdem waren wir beide eine Kraft- und Energiequelle, falls man Mittel und Wege fand, sie zu nutzen. Iwan berichtete, nach Westen zu gehen sei sinnlos. Asien stünde am Ende, sagte er, und Europa habe er weit genug durchstreift, um davon das gleiche behaupten zu können. Dort war keine irgendwie geartete soziale Organisation mehr vorhanden. Es gab nur verstreut Banden von Überlebenden, die bereits auf die Stufe primitiver Wildheit herabgesunken waren, doch beileibe nicht genug Menschen, um so etwas wie eine ökonomische Grundlage zu schaffen. Also stießen wir nach Osten vor, in Richtung Amerika, und fanden schließlich vereinzelt kleine menschliche Siedlungen - nicht allzu viele, aber ein paar -, die eine gewisse Aufwärtsentwicklung erlebten, welche es ihnen erlaubt hätte, von der angebotenen Hilfe Gebrauch zu machen. Doch bisher haben wir uns außerstande gesehen, irgend jemandem Hilfe zu leisten. In den Siedlungen will man uns ganz einfach nicht anhören. Sobald wir uns zeigen, fliehen die Menschen unter lautem Geschrei in die Wälder, und wir geben uns umsonst Mühe, um klarzustellen, daß wir in der Absicht kommen, ihnen zu helfen, sie hören gar nicht hin. Ihr beide seid die ersten Menschen, die den Mut besitzen, auch nur mit uns zu reden.«

»Bedauerlich daran ist allerdings«, sagte ich, »daß es für euch wenig Zweck hat, mit uns zu reden. Wir sind nicht aus dieser Zeit. Wir stammen aus der Zukunft.«

»Ich entsinne mich«, sagte Joe. »Ihr habt erwähnt, ihr hättet Elmer in der Zukunft kennengelernt. Wo ist er gegenwärtig?«

»Jetzt? Gegenwärtig befindet er sich irgendwo zwischen den Sternen.«