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»Zwischen den Sternen? Wie kann der alte Elmer ...«

»Hört zu«, sagte ich, »ich will versuchen, es euch zu erklären. Als das Schicksal der Erde feststand, wanderten viele Menschen zu den Sternen aus. Ein Raumschiff besiedelte einen Planeten, ein anderes einen zweiten, und so weiter. In etwa zehntausend Jahren gibt es wieder sehr viele Menschen, die auf sehr vielen Planeten leben. Jene Menschen, die auswandern durften, waren die mit guter Ausbildung, solche mit besonderen Fähigkeiten, jene mit technologischen Berufen, solche Menschen, wie man sie zum Aufbau einer Kolonie benötigen würde. Zurück blieben die Ungebildeten, die Unfähigen, die Geschädigten. Deshalb dürfte man auf der Erde, in den Dörfern, noch heute eure Unterstützung gut gebrauchen können. Und wahrscheinlich wird sie gerade aus diesem Grund abgelehnt. Jene Menschen, die noch auf der Erde leben, sind die Taugenichtse, die Tölpel ...«

»Aber unser guter alter Elmer, er gehörte nicht zu jenen Leuten ...«

»Er galt als vorzüglicher Mechaniker. Eine junge Kolonie hat Kerle wie ihn nötig. Daher hat man ihn mitgenommen.«

»Diese Geschichte - Elmer in der Zukunft, Flüge zu den Sternen - verblüfft mich außerordentlich«, bekannte Joe.

»Aber wieso seid ihr hier? Du hast versprochen, es uns zu erzählen. Warum macht ihr es euch nicht bequem und erzählt es uns jetzt?«

Es war wirklich fast wie daheim. Die Stimmung war heiter und freundlich. Joe war ein netter Bursche, und Iwan ebenso, auch wenn er nicht viel sagte. Zum ersten Mal, seit wir den Boden dieses Planeten betreten hatten, befanden wir uns in angenehmer Gesellschaft.

Also lehnten wir uns zurück und begannen gemeinsam zu erzählen. Ich fing an, Cynthia berichtete weiter; dann wieder ich.

»Dieses Friedhofsgeschäft muß erst in der Zukunft entstehen«, sagte Joe. »Gegenwärtig gibt es noch keine Spur von einem Friedhof.«

»Er wird kommen«, versicherte ich wahrheitsgemäß. »Ich wünschte, ich könnte mich an den Zeitpunkt entsinnen, als man damit angefangen hat. Vielleicht habe ich ihn auch nie gewußt.«

Cynthia schüttelte den Kopf. »Ich weiß es auch nicht.«

»Mich freut, daß wir nun wenigstens über eins Klarheit besitzen«, meinte Joe, »nämlich über unsere Versorgung mit Schmieröl. Darüber haben wir uns schon seit langem Gedanken gemacht. Wir wissen, daß wir es eines Tages benötigen, und wir hatten gehofft, uns mit Menschen einigen zu können, von denen es sich erhalten ließe. Falls sie über Rohöl verfügten und uns damit belieferten, genügte das vollständig, denn wir vermögen es bis zu einem gewissen Grad zu raffinieren, jedenfalls in ausreichendem Maße, um es als Schmiermittel zu verwenden. Es müßte gar nicht viel sein. Aber mit den Menschen hatten wir bislang sehr wenig Glück.«

»Ihr werdet es bekommen, gereinigt und gebrauchsfertig, wie es euren Betriebsvorschriften entspricht«, enthüllte ich. »Ihr werdet es vom Friedhof erhalten. Aber hütet euch, den Preis zu entrichten, den man von euch verlangen wird.«

»Wir zahlen keinen Preis«, sagte Joe. »Das hört sich an, als handle es sich um elende Wucherer.«

»Genau das sind diese Friedhofsleute auch«, bestätigte ich. »Und nun müssen wir uns leider verabschieden.«

»Um in die Zukunft zurückzukehren?«

»Richtig«, antwortete ich. »Und wenn alles so eintrifft, wie wir erhoffen, würden wir uns freuen, euch wiederzusehen. Könnt ihr euch mit uns verabreden? Glaubt ihr, das läßt sich machen?«

»Nenn uns ein Datum«, bat Joe. Ich nannte ihm eins.

»Wir werden dort sein«, versprach er.

»Hört zu«, ergänzte er, als wir über die kurze Treppe aus dem Rumpf stiegen, »falls es nicht klappt, ich meine, falls ihr kein Zeittor vorfindet -falls das so sein sollte, braucht ihr euch nicht in dieser Hütte niederzulassen. Es wäre ein scheußlicher Anfang für euch, alles in Ordnung bringen zu müssen, den Toten zu begraben und dergleichen. Kommt einfach zurück zu uns. Besonderes vermögen wir zwar nicht zu bieten, aber wir würden uns sehr freuen. Im Winter könnten wir in den Süden fahren und ...«

»Danke«, sagte Cynthia. »Notfalls werden wir darauf zurückkommen. Das ist wirklich sehr freundlich von euch.«

Wir kletterten hinaus und gingen taleinwärts. Die Felsspalte lag nicht weit entfernt, und bevor wir sie erreichten, wandten wir uns nochmals nach unseren neuen Freunden um. Sie hatten ebenfalls gedreht und zeigten uns ihre Bugseiten. Wir winkten ihnen zu und betraten dann die Felsspalte.

Fast hatten wir das tiefe Innere erreicht, als jenes Brodeln, das ohne Wasser auftrat, uns erfaßte. Als es verschwand, erstarrten wir, von Entsetzen gepackt.

Denn wir befanden uns nicht im Tal, wie wir es kennengelernt hatten, sondern mitten auf Friedhofsgelände.

20

Die Felswand war noch da, auch die knorrigen Zedern, die darauf wuchsen, die Hügel und der Einschnitt des Tals dazwischen waren vorhanden. Aber es war nicht länger eine Wildnis. Den Fluß hatte man mit einer ordentlichen Böschung aus Steinen begradigt, sehr geschmackvoll, und das Grün war kurz wie ein Teppich geschnitten und weithin übersichtlich bis zum Fuß der Felswände; zwischen den gleichmäßigen Reihen der Grabsteine wuchsen Immergrün und Eiben.

Ich spürte, daß Cynthia dicht neben mir stand, aber ich sah sie nicht an. In diesem Moment wollte ich sie nicht anschauen. Krampfhaft bemühte ich mich, meiner Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen. »Die Gespenster haben wieder einen Fehler begangen«, sagte ich.

Insgeheim versuchte ich zu errechnen, wieviel Zeit der Friedhof gebraucht haben mochte, um sich bis in dies Gebiet auszudehnen, und ich gelangte zu dem Ergebnis, daß es viele Jahrhunderte gewesen sein mußten -vielleicht so viele, daß sie der Zeitspanne gleichkamen, um die wir uns zuvor in der Vergangenheit befunden hatten.

»Sie können sich doch unmöglich in solchem Maße irren«, sagte Cynthia. »Es ist einfach ausgeschlossen. Einmal, gewiß, aber doch nicht zweimal hintereinander.«

»Sie haben uns verraten und verkauft«, erwiderte ich.

»Aber indem sie uns in die Vergangenheit schleuderten, wäre der Verrat doch begangen gewesen«, wandte sie ein. »Wozu sollten sie uns zweimal betrügen? Läge ihnen daran, uns loszuwerden, hätten sie uns lediglich in der Vergangenheit zu lassen brauchen. In dem Fall hätte es schlichtweg kein Zeittor gegeben. Es fehlt jeder Sinn, Fletch.«

»Dann muß es eben an ihrer Schwachköpfigkeit liegen«, erklärte ich.

Ich sah mich auf dem Friedhofsgelände um.

»Wir wären besser dran«, meinte ich, »wären wir bei Joe und Iwan geblieben. Gemeinsam mit ihnen hätten wir überleben können und außerdem eine Möglichkeit zum Reisen besessen. Wir hätten sie überallhin begleiten können und uns unter Freunden befunden. Was hier aus uns werden soll, weiß ich nicht.«

»Ich will nicht weinen«, sagte Cynthia. »Ich will verdammt sein, wenn ich weine. Aber ich habe das Gefühl, gleich muß ich weinen.«

Ich dachte daran, sie in meine Arme zu schließen, doch ich unterließ es. Hätte ich sie berührt, sie wäre in Tränen ausgebrochen.

»Wir sollten nachschauen, ob das Haus des Volkszählers noch steht«, schlug ich vor. »Ich zweifle zwar daran, aber wir sollten uns vergewissern. Wenn ich den Friedhof richtig einschätze, haben sie ihn vertrieben.«

Wir wanderten durchs Tal. Diesmal schritt es sich leicht aus, wie auf einem Teppich. Es gab keine Unebenheiten und keine Findlinge, denen wir hätten ausweichen müssen. Ringsum gab es nur Grabsteine. Immergrün und Eiben.

Flüchtig betrachtete ich die Daten einiger Grabsteine. Zwar war es unmöglich, genau festzustellen, wie alt die Grabsteine selbst waren, doch den Daten zufolge, die ich sah, mußten wir wenigstens um dreißig Jahrhunderte über die Zeit hinaus geschleudert worden sein, in welche wir ursprünglich gehörten. Aus unerfindlichem Grund schien Cynthia sich nicht für die Daten zu interessieren, und ich hielt den Mund; ich ging jedoch davon aus, daß sie sie sehr wohl bemerkte, aber genauso schwieg wie ich.