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Er bat nicht darum, die Kopie sehen zu dürfen.

»Elmer gilt in jeglicher Hinsicht als Mensch«, ergänzte ich.

»Aber der Kapitän muß sich doch erkundigt haben ...«

»Dank der Bestechungssumme, die ich dem Kapitän gezahlt habe«, sagte ich, »war ihm alles gleichgültig. Und für den Fall, daß Ihnen das Gesetz nicht genügt, möchte ich auf die Tatsache hinweisen, daß Elmer zwei Meter groß ist und außerordentlich schwer. Schlimmer noch, er ist leicht reizbar. Er wollte sich nicht abschalten lassen, als ich seine Kiste zugenagelt habe. Ich wage gar nicht daran zudenken, was geschehen könnte, würde jemand anders als ich die Kiste öffnen.«

Bell musterte mich mit beinahe schläfrigen Augen, doch hinter der Schläfrigkeit lauerte Wachsamkeit. »Nanu, Mr. Carson«, fragte er, »denken Sie so schlecht von uns? Wir begrüßen Ihren Besuch, Ihr Interesse an uns. Die Mother Earth wird Ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten jede Hilfe leisten, sobald Sie nur sagen, welche Sie brauchen. Sollte es finanzielle Schwierigkeiten geben ...«

»Selbstverständlich gibt es finanzielle Probleme. Aber wir verzichten auf Unterstützung.«

Er blieb verstockt. »Gelegentlich haben wir schon anderen Künstlern fi-nanzielle Zuwendungen gemacht. Schriftstellern, Malern ...«

»Ich habe so einfach wie ich's kann«, sagte ich, »klarzustellen versucht, daß wir mit der Mother Earth oder dem Friedhof keine Verbindungen einzugehen wünschen. Dennoch verharren Sie absichtlich in Ihrem Mißverständnis. Muß ich mich deutlicher ausdrücken?«

»Nein«, antwortete er. »Ich glaube, das ist nicht erforderlich. Sie arbeiten unter der romantischen, aber falschen Voraussetzung, auf der Erde gäbe es mehr als den Friedhof, doch ich sage Ihnen, Mr. Carson, nichts anderes existiert. Die Erde ist wertlos. Vor zehntausend Jahren wurde sie zerstört und verlassen, und ohne unser Wirken wäre sie schon längst in Vergessenheit geraten. Wollen Sie's sich nicht überlegen? Es wäre für alle Beteiligten von gegenseitigem Vorteil. Ich bin sehr interessiert an dieser neuen Kunstform, die Sie da beschrieben haben.«

»Hören Sie zu«, sagte ich, »damit Sie mich endlich richtig verstehen. Ich beabsichtige nicht den Friedhof zu verherrlichen. Mir ist keinesfalls daran gelegen, mich als Public Relations-Agent an die Mother Earth zu verdingen. Ich schulde Ihnen nichts. Ich habe Ihrem ehrenwerten Kapitän für den Flug fünftausend Kredits bezahlt und ...«

»Das war weniger, als Sie auf einem Pilgerschiff bezahlt hätten«, sagte Bell verärgert. »Und ein Pilgerschiff hätte nicht Ihre gesamte Fracht an Bord genommen.«

»Ich habe das Entgelt«, versicherte ich, »als ausreichend erachtet.«

Ich widmete ihm kein Abschiedswort. Ich drehte mich um und ging. Als ich die Treppe vor dem Eingang des Verwaltungsgebäudes hinabschritt, sah ich vor den Stufen, innerhalb der Verkehrszone, einen Wagen geparkt. Er war das einzige Fahrzeug in Sichtweite. Die Frau, die darin saß, blickte mir entgegen, als habe sie gewußt, daß ich mich im Gebäude befinde, und auf mich gewartet.

Der Wagen war schreiend grell rosafarben, und diese Farbe, das Rosa, lenkte meine Gedanken zurück nach Alden, wo alles begonnen hatte.

3

Früher Abend war es gewesen, und ich hatte im Garten gesessen und die purpurnen Wolken beobachtet, die über dem rosafarbenen Horizont hingen (denn Alden ist eine durchwegs rosa Welt), während ich dem abendlichen Gesang der Tempelvögel lauschte, die sich im Hain am unteren Ende des Gartens versammelt hatten. Ich lauschte mit Vergnügen, als plötzlich über den staubigen Pfad, der durch die rosa-staubige Prärie führte, dieses riesige achtfüßige Monstrum getrampelt kam; mit unbeholfenen Schritten taumelte es daher wie ein betrunkener Behemoth. Ich verfolgte seinen Weg und hoffte, es möge vorüberstampfen und mich allein mit dem Abend und den Vögeln lassen, denn mir stand nicht der Sinn danach, mich mit Fremden zu befassen. Ich war deprimiert und wollte nichts so dringlich wie in Ruhe gelassen werden, damit ich hinreichend Gelegenheit erhielt, um mein Gemüt zu stabilisieren. Es war nämlich der Tag gewesen, an welchem ich der grausamen Wirklichkeit ins Antlitz blickte und begriff, daß mein Traum von der Erde aus und vorbei sein mußte, falls ich nicht irgendwie zu mehr Geld gelangte. Ich wußte, wie gering meine Aussichten auf mehr Geld standen. Ich hatte alles zusammengekratzt, was ich besaß, und soviel geborgt, wie man mir zu leihen bereit gewesen war, und ich hätte welches gestohlen, hätte ich irgendwo eine Möglichkeit zum Stehlen gesehen. Ich sah den unerbittlichen Tatsachen ins Angesicht und wußte, daß ich außerstande sein würde, einen solchen Kompositor zu bauen, wie ich ihn brauchte, und daß es um so besser für mich war, je schneller ich die ganze Sache aus meinem Herzen verbannte.

Ich saß im Garten und sah dieses große Monstrum den Pfad entlangkriechen, und ich versuchte mir einzureden, es strebe woandershin und werde nicht bei mir stehenbleiben. Doch das war reines Wunschdenken, denn mein Garten war das einzige Ziel, auf das es zusteuerte. Es sah aus wie ein Arbeitsroboter; vielleicht handelte es sich um einen schweren Montageroboter, doch vermochte ich mir nicht vorzustellen, was ein schwerer Montageroboter auf einem Planeten wie Alden tun sollte. Schwerindustrie zählt zu den vielen Dingen, die man auf Alden nicht betreibt.

Er trampelte heran und verharrte vor dem Gartentor. »Mit Ihrer Erlaubnis, Sir«, sagte er.

»Willkommen«, erwiderte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Er öffnete das Gartentor und marschierte hindurch, dann schloß er gewissenhaft hinter sich, bevor er zu mir herüber stampfte und sich so vorsichtig auf sein Heckteil niederließ, wie er's vermochte. Aus Höflichkeit äußerte er ein kurzes dezentes Zischen. Haben Sie schon einmal einen Roboter von drei Tonnen Gewicht zischen hören? Wahrhaftig, es ist unheimlich.

»Die Vögel singen schön«, sagte dieser Riesenklotz Metall, der neben mir kauerte.

»Sehr schön«, pflichtete ich ihm bei.

»Erlauben Sie mir«, bat der Roboter, »daß ich mich vorstelle.«

»Ich bitte darum«, antwortete ich.

»Mein Name lautet Elmer«, erklärte der Roboter. »Ich bin eine Freie Maschine. Die diesbezüglichen Dokumente habe ich bereits vor Jahrhunderten ausgehändigt bekommen. Seither führe ich meine eigene Existenz.«

»Na, dann herzlichen Glückwunsch«, sagte ich. »Und wie geht's Ihnen?«

»Sehr gut«, meinte Elmer. »Ich reise umher, dahin und dorthin.«

Ich nickte; ich glaubte ihm. Man sah sie bisweilen, diese umherschweifenden Freien Roboter, die nach vielen Dienstjahren technisch den Status von Menschen erhalten hatten.

»Ich habe gehört«, sagte Elmer, »daß Sie heim zur Erde gehen.«

Nicht zur Erde, sondern heim zur Erde - so nannte man es. Nach länger als zehn Jahrtausenden war die Erde noch immer die Heimat Erde. Als habe die Menschheit sie erst gestern aufgegeben.

»Man hat Sie falsch unterrichtet«, sagte ich.

»Aber Sie besitzen einen Kompositor ...«

»Ein Basisinstrument«, klärte ich ihn auf, »dem noch eine Million Teile fehlen, bevor es die Arbeit anpacken kann, die mir vorschwebt. Es wäre eine Schande, mit einem solchen Schrotthaufen die Erde zu betreten.«

»Sehr bedauerlich«, sagte Elmer. »Die Erde ermöglichte Ihnen eine glorreiche Komposition. Da ist nur eins, Sir ...«

Er stotterte und verstummte, verlegen aus einem Grund, den ich nicht entdecken konnte.

Ich wartete, da ich seine Verlegenheit nicht durch irgendeine Äußerung zu vertiefen wünschte.

»Was ich sagen wollte, Sir - obwohl es mir womöglich nicht zusteht, Ihnen Ratschläge zu erteilen -, Sie dürfen sich nicht vom Friedhof beeinflussen lassen. Der Friedhof ist kein Bestandteil der Erde. Er ist etwas, das man der Erde aufgepfropft hat. Aufgepfropft, wenn Sie die Bemerkung gestatten, mit kolossalem Zynismus.«