Diese Worte erregten meine Aufmerksamkeit. Hier, so stellte ich mit größerer Überraschung fest, als ich zu zeigen gedachte, war jemand, der meine Meinung teilte. In der Dämmerung, die heraufzog, betrachtete ich ihn näher. Er bot keinen umwerfenden Anblick. Sein Rumpf war altertümlich, jedenfalls nach Aldener Standard, ein ungefüges Ding, zweckmäßig und leistungsstark, ohne Feinheiten, und ins Kopfstück hatte man nicht die leiseste Mühe investiert, um ihm ein angenehmes Aussehen zu verleihen. Doch trotz seiner rohen, kraftvollen Erscheinung bediente er sich nicht der Sprache, die man von einem plumpen, veralteten Arbeitsroboter erwartete.
»Ich bin ein wenig überrascht«, sagte ich zu ihm, »und zugleich erfreut, einem Roboter zu begegnen, der Interesse für die Kunst hegt, insbesondere für eine so komplizierte Kunstform.«
»Ich habe versucht, einen ganzen Menschen aus mir zu machen«, sagte Elmer. »Die Tatsache, daß ich keiner bin, so vermute ich, dürfte erklären, warum ich es so mühevoll versucht habe. Nach Erhalt meiner Freisetzungsurkunde und der darin fixierten Einsetzung in den Status eines Menschen fühlte ich mich zu dem Versuch verpflichtet, mich zu einem Menschen zu entwickeln. Natürlich ist es unmöglich. In meinem Innern steckt noch sehr viel von einer Maschine ...«
»Aber das Komponieren und mich«, sagte ich, »wie sind Sie darauf gekommen - woher wissen Sie, daß ich an einem Instrument gearbeitet habe?«
»Ich bin Mechaniker, verstehen Sie«, meinte Elmer. »Naturgemäß war ich mein ganzes Leben lang Mechaniker, Sir. Ich schaue einen Gegenstand an und erkenne sofort, wie er funktioniert oder was daran nicht stimmt. Sagen Sie mir, welche Art von Maschine Sie bauen wollen, und es besteht die Möglichkeit, daß ich sie für Sie herstellen kann. Und wenn man es sich genau überlegt, ist ein Kompositor ein so komplizierter Typ von Mechanismus, wie man ihn sich nur vorzustellen vermag, und mehr als das, er ist ein noch bei weitem nicht ausgereifter Typ von Mechanismus. Er befindet sich noch im Stadium seiner Entwicklung, und es läßt sich nicht abschätzen, zu welchen Resultaten der Entwicklungsprozeß führen wird. Ich sehe, daß Sie meine Greifwerkzeuge anblicken und sich fragen, wie ich die Art von Arbeit, welche zum Bau eines Kompositors vonnöten ist, wohl zu leisten vermöchte. Die Antwort lautet, daß ich weitere, andere Hände besitze, sehr spezialisierte Hände. Ich schraube meine Alltagshände ab und jene an, die gerade erforderlich sind. Gewiß haben Sie bereits von so etwas gehört?«
Ich nickte. »Ja. Und wahrscheinlich verfügen Sie auch über Spezialaugen.«
»O ja, in der Tat«, bestätigte Elmer.
»Sie empfinden einen Kompositor als Herausforderung Ihrer mechanischen Fähigkeiten?«
»Nicht als Herausforderung«, berichtigte Elmer. »Das ist ein ungeschicktes Wort dafür. Die Arbeit mit komplizierten Mechanismen schenkt mir Befriedigung. Sie verleiht mir mehr Leben. Sie vermittelt mir das Gefühl, einen Wert zu besitzen. Und Sie haben gefragt, woher ich von Ihnen weiß. Nun, ich glaube, es war nur eine beiläufige Bemerkung - darüber, daß Sie sich mit dem Bau eines Kompositors beschäftigen und heim zur Erde wollten. Also stellte ich Nachforschungen an. Ich fand heraus, daß Sie an der Universität studiert haben, daher ging ich dorthin und wandte mich an verschiedene Leute. Einen Professor traf ich, der hegte enormes Vertrauen zu Ihnen. Er sagte, Sie besäßen die richtige Seele zur Größe und seien auf dem besten Wege. Sein Name, glaube ich, lautete Adams.«
»Dr. Adams«, sagte ich, »ist ein sehr freundlicher Mensch und jetzt alt und vergeßlich.«
Ich kicherte, als ich mir das vorstellte - wie dieser mächtige Vagabund namens Elmer über das schöne Universitätsgelände stampfte und durch die ehrwürdigen, beinahe heiligen Hallen rumpelte, Professoren aus ihren akademischen Tätigkeiten aufscheuchte, um ihnen todernst und hartnäckig Fragen nach einem längst abgegangenen Studenten zu stellen, an den die meisten sich zweifellos nur mit Mühe zu erinnern vermochten.
»Da war noch ein anderer Professor«, sagte Elmer, »der mich ungemein beeindruckt hat, und wir führten ein ausgedehntes Gespräch. Er hatte sich nicht der Kunst verschrieben, sondern der Archäologie. Er sagte, daß er Sie gut kenne.«
»Das muß Thorndyke sein. Ein alter, zuverlässiger Freund.«
»Das ist der Name«, sagte Elmer.
Ich amüsierte mich ein wenig, empfand jedoch auch einen gewissen Groll. Aus welchem Anlaß hatte dieser Robotvagabund Erkundigungen über mich eingezogen?
»Und nun sind Sie davon überzeugt«, fragte ich, »daß ich durchaus imstande bin, einen Kompositor zu bauen?«
»Oh, ganz gewiß«, sagte er.
»Falls Sie in der Hoffnung zu mir kommen«, erklärte ich, »bei mir Arbeit zu finden, haben Sie Ihre Zeit verschwendet. Nicht etwa, weil ich keine Hilfe gebrauchen könnte. Nicht, daß ich Sie ungern nehmen würde. Aber mir ist das Geld ausgegangen.«
»So war es nicht ganz, Sir. Natürlich wäre es mir eine Freude, mit Ihnen zu arbeiten. Doch war mein eigentlicher Grund der, daß ich heim zur Erde möchte. Ich bin dort geboren, müssen Sie wissen. Dort hat man mich hergestellt.«
»Sie sind was?!« rief ich entgeistert.
»Ich bin auf der Erde angefertigt worden«, sagte Elmer. »Ich bin ein Erdgeborener. Ich würde den Planeten gerne einmal wiedersehen. Und ich dachte, daß ich, falls Sie ... «
»Noch einmal«, sagte ich, »und langsam. Wollen Sie wirklich behaupten, Sie seien auf der Erde produziert worden? In den Alten Zeiten?«
»Ich habe das Ende der Erde erlebt«, versicherte Elmer. »Ich arbeitete an der letzten Kriegsmaschine. Ich war Projektleiter.«
»Aber Sie müßten doch längst abgenutzt sein«, sagte ich. »Sie müßten inzwischen abgenutzt sein. Roboter sind langlebig, gewiß, aber ...«
»Man hat mir hohen Wert beigemessen«, erläuterte Elmer. »Als die Menschheit zu den Sternen aufbrach, fand sich auch für mich Schiffsraum. Ich galt nicht als gewöhnlicher Roboter. Ich war ein Mechaniker, ein Tech-niker. Die Menschen benötigten solche Roboter wie mich, um Unterstützung beim Bau ihrer neuen Städte auf den fernen Welten zu haben. Sie sind äußerst sorgsam mit mir umgegangen. Abgenutzte Teile hat man ersetzt, mich stets in gutem Zustand gehalten. Und seit ich frei bin, habe ich immer selbst gut auf mich geachtet. Um das Rumpfäußere habe ich mich nie sonderlich gekümmert. Ich habe es nie verändert. Von Rost habe ich den Rumpf freigehalten und ihn später panzermäßig verstärkt, das ist alles. Der Rumpf zählt nicht, nur die internen Teile sind wichtig. Allerdings ist es heutzutage unmöglich, seriengefertigte Ersatzteile zu bekommen. Sie werden nicht länger produziert, so daß ich Ersatzteile speziell anfertigen lassen muß.«
Was er sagte, hörte sich alles plausibel und wahr an. In jener lange zurückliegenden Zeit des Aufbruchs, als die Menschheit im Verlauf ungefähr eines Jahrhunderts die Erde geflohen hatte, einen zerstörten, verwüsteten Planeten, weil es dort länger nichts gab, um sie zu halten, mußte man solche Roboter wie Elmer gebraucht haben. Doch es war nicht bloß das. Elmers Worte klangen glaubwürdig. Dies war keine übertriebene Geschichte, die den Zuhörer beeindrucken sollte, dessen war ich sicher.
Und hier saß er neben mir, nach all jenen Jahren, und bäte ich ihn darum, würde er mir von der Erde erzählen. Denn er mußte noch alles wissen -alles, das er jemals gesehen oder gehört oder erfahren hatte, mußte er noch wissen, weil Roboter, im Gegensatz zu biologischen Geschöpfen, nicht vergessen. Die Erinnerungen an die uralte Erde mußten in seinem Gedächtnisspeicher zum Abruf bereitliegen, so frisch, als wären sie erst gestern eingegeben worden.
Ich bemerkte, daß ich zitterte - nicht äußerlich, körperlich, sondern in meinem Innern. Jahrelang hatte ich die Erde studiert, und es gab so wenig zu studieren. Die Aufzeichnungen und Schriften waren verloren und verstreut, und in jenen Fällen, da noch welche existierten, handelte es sich oftmals lediglich um Fragmente. In jenen fernen Tagen, als die Menschheit die Erde verließ, zu den Sternen floh, hatte man kaum einen Gedanken an die Erhaltung des planetaren Erbes verschwenden können. Tausende von verschiedenen Planeten mochten noch etwas von diesem Erbe besitzen, irgend etwas, das erhalten geblieben war, weil man es vergessen hatte, verborgen in alten Koffern oder Büchsen unter den Dächern. Aber es würde viele Lebensalter beanspruchen, diese Dinge aufzuspüren, und wenn man etwas fand, wäre sehr wahrscheinlich der größte Teil eine Enttäuschung -nur Kram, ohne entscheidende Bedeutung für die Fragen, die einen Forscher beschäftigten.