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Sie hob herausfordernd den Kopf.

«Ich hätte nicht nach innen deuten können: auf einen engen Raum, der dicht mit Organen vollgepackt ist und kaum Platz zum Atmen läßt… Ich hätte weder nach rechts noch nach links zeigen können: In diesen Richtungen bin ich nirgendwohin gelangt, nur zu einem anderen Hier. Die einzige Möglichkeit, die mir blieb, war, nach oben zu zeigen, von der Erde weg, und daher hatte ich lange Heimweh nach den Sternen…«

«Ich habe es immer noch«, sagte sie.»Wenn die Außerirdischen herunterkämen und auf dem Dach landeten, würden wir sie nicht bitten, uns nach Hause mitzunehmen?«

Als ich mir das vorstellte, mußte ich lachen. Unser Dach würde die Landung eines Raumschiffes nicht aushalten. Würden wir mit den Besuchern aus dem Weltall davonfliegen, nachdem sie unsere Küche plattgedrückt hätten?

«Sie könnten uns nicht nach Hause mitnehmen«, sagte ich.»Denn wir sind nicht von den Sternen gekommen. Wie können Lebewesen, die von einem Punkt jenseits der Raumzeit stammen, uns den Weg nach Hause zeigen?«

«Es muß Karten geben«, erwiderte sie.

Mir fiel keine Antwort ein, und ich dachte darüber nach, bis die Musiker noch einmal ihr anfängliches Thema spielten und dann mit einem Schlußakkord endeten.

Ja, es gibt Karten, dachte ich. Aber wenn wir nicht von den Sternen kommen und auch nicht von der Erde, woher kommen wir dann? Wenn ich tief im Innern wüßte, daß meine Heimat kein Planet ist, müßte ich also beweisen, daß ich nirgendwoher herkomme — das wußte ich erst seit kurzem.

Wir suchten uns einen Tisch und stießen auf Fremde: einen Arzt und seine Frau, eine Krankenhausdirektorin und ihren Mann. Ich fragte mich, was ich nach dem How-do-you-do sagen würde.

Fühlen Sie sich in irgendeiner Weise für die medikamentenabhängige Gesellschaft um uns herum verantwortlich? Freut es Sie zu glauben, wir seien hilflose Passagiere in unserem Körper? Stimmt es, daß die Ärzteschaft sich mehr als jede andere Berufsgruppe vor dem Sterben fürchtet und daß ihre Selbstmordrate höher ist als die jeder anderen?

«Sind denn keine Umbrologen hier?«wollte ich fragen.

Umbrologen?

«Das sind Ärzte, die Erkrankungen des Schattens behandeln«, hätte ich gesagt,»zerbrochene Schatten, deformierte Schatten, fehlende Schatten, Hyperumbria — eine anomale Aktivität des Schattens. Sie verstehen, Umbrologen! Sind keine Umbrologen hier?«

Das wäre doch hirnrissig, hätten sie lachend geäußert. Der Schatten imitierte doch den Körper.

Ebenso verrückt wäre es, hätte ich erwidert, zu vergessen, daß der Körper imitiert, was auch immer man ihn glauben macht. Sind wirklich keine Umbrologen hier? Jeder Arzt in diesem Saal ist doch einer. Und dann wäre ich gegangen. Ich sagte nichts dergleichen und blieb.

«Sie fliegen eine Skymaster!«konstatierte die Direktorin.

Ich sah sie an. Können Ärzte Gedanken lesen?

«Das Abzeichen in Ihrem Knopfloch«, erklärte sie.»Es ist eine Cessna Skymaster, nicht wahr?«

«Oh, natürlich. Es ist eine Skymaster«, antwortete ich.»Kaum jemand bemerkt das.«

«Ich fliege eine Cessna 210«, sagte sie.»Also fast eine Skymaster. Eine einmotorige Skymaster.«

«Cessna, Cessna, Cessna«, mischte sich der Arzt ein.»Bin ich etwa der einzige am Tisch, der eine Piper fliegt? Es geht nicht in meinen Kopf hinein, daß Sie sich keine Twin Comanche anschaffen.«

«Erst Vollgas und dann einen kleinen Sturzflug«, entgegnete ich.»Das ist nicht schwer. «Zu meiner Überraschung lächelte er.

Nach einer Minute blickte ich Leslie an, die mit unschuldiger Miene einwarf, eine Nacht, in der getanzt und über Flugzeuge geredet würde, könnte nicht allzu übel sein.

Und so ging der Abend dahin. Wir tanzten oft. Ich entsann mich, daß viele Ärzte auch Flieger sind, der Saal war voller fliegender Ärzte. Bis Mitternacht hatten wir ein Dutzend von ihnen kennengelernt. Sie waren sympathisch, und ich fühlte mich wohl, wer hätte das gedacht!

Sie haben einfach einen anderen Standpunkt, dachte ich, also kein Grund zur Panik. Sie tun ihr Bestes, und keinem Patienten drängen sie sich gegen seinen Willen auf. Es gibt genügend Platz für uns alle im Himmel.

Es wurde nicht auf das Aspirin angestoßen, und ich war nicht gezwungen, durch eine Wolke berstenden Glases auf den Dachfirst zu flüchten. Das war das Hirngespinst eines Neunjährigen, dachte ich, während Dickie hinter den Vorhängen meiner Augen angespannt und jederzeit zum Kampf oder zur Flucht bereit die Szene beobachtete.

Leslies aufreizendes Kleid sah beim Tanzen entzückend aus. Die Herren nahmen davon anerkennend Notiz, ohne dabei aus der Rolle zu fallen, während die Damen sich unbeeindruckt gaben und in ihrer eigenen Eleganz herumwirbelten.

* * *

«Ich habe heute abend sehr viel gelernt!«sagte meine Frau auf der Heimfahrt.

«Sind sie numeriert, deine Erkenntnisse?«

Sie lächelte.»Erstens, wir beim Tanzen! Wir sind nicht mehr die alten. Wir sind besser, und ich finde das gut!«

«Ich auch.«

«Zweitens, du hast dich auch gebessert: Du hast dich gern in Schale geworfen und bist gern zu diesem Ball gegangen, obwohl da Leute waren, die an die Medizin glauben! Zwar hätte ich es nicht zugelassen, aber ich hatte eigentlich ganz fest damit gerechnet, daß du an einem bestimmten Punkt ausflippst. Und zwar dann, wenn der Konflikt sich zugespitzt hätte und du mit deiner Auffassung allein dagestanden wärst: Du hättest dich umzingelt gefühlt und wie ein Löwe deinen Standpunkt verteidigt, daß der Körper durch den Geist bedingt sei und es keinen Grund gebe, diese mit chemischen Mitteln zu behandeln, wenn eine Änderung der Denkweise, undsoweiter undsofort…«

«Ich habe mich zusammengenommen«, erwiderte ich.

«Weil so viele von ihnen fliegen. Wenn sie keine Piloten gewesen wären, hättest du gedacht, sie seien so etwas wie die Königliche Garde oder die Diener des verfluchten Medikamentendämons auf dem direkten Weg in die Hölle. Aber weil sie Flugzeuge fliegen, hast du sie als deinesgleichen angesehen und kein einziges Mal als ›medikamentensüchtige Weißkittel‹ tituliert!«

«Nun, ich bin von Natur aus ein höflicher Mensch.«

«Wenn du dich nicht bedroht fühlst«, warf sie ein.»Und das war nicht der Fall, weil du gemerkt hast, daß sie auch begeisterte Flieger sind.«

«Nun ja.«

«Drittens, mir hat unsere kleine Unterhaltung über unser Zuhause gefallen. Ich habe mich in meinem Leben wirklich meist als Außenseiterin gefühlt. Nicht weil ich dauernd umgezogen wäre, sondern weil ich von Natur aus eine Außenseiterin bin. Ich denke nicht so wie die Leute in der verdammten Gegend, in der ich großgeworden bin, ich habe andere Vorstellungen als meine Mom oder mein Dad oder sonstwer in meiner Familie.«

«Du denkst das gleiche wie deine Familie, Liebling«, erwiderte ich.»Nur ist deine Familie nicht die, die du dafür gehalten hast.«

«Ich schätze, du hast recht«, sagte sie.»Bis ich das entdeckt habe, war ich ziemlich einsam. Dann fand ich dich.«

«Mich?«fragte ich erstaunt.»Du hast einen Mann geheiratet, der in vieler Hinsicht dein Bruder ist?«

«Ich würde es wieder tun«, sagte sie spontan.»Wie viele Menschen gibt es, Richie, die sich für sonderbar und anders, eben irgendwie für Außenseiter, halten? Dabei haben sie einfach ihre wirkliche Familie noch nicht gefunden…«

«Wenn man nicht sonderbar und anders gewesen ist«, erwiderte ich,»wenn man nie diese Entfremdung gespürt hat, empfindet man auch niemals die Freude, wenn man endlich nach Hause kommt.«

«Nun sind wir wieder beim Thema. Was bedeutet denn für dich Zuhause?«

Als ich den Satz begann, wußte ich nicht, wie er enden würde.»Zuhause ist meiner Meinung nach das, was ich kenne und liebe. «Ich spürte ein Klicken in mir, wie es bei jeder richtigen Antwort der Fall ist.»Oder wie siehst du das? Du setzt dich ans Klavier, spielst einfach irgend etwas, nur für dich, du kennst die Musik, und du liebst sie. Ist das nicht wie Heimkehr? Ich sitze vor der Instrumententafel meines kleinen Flugzeugs, dort ist mein Zuhause. Wir sind zusammen, du und ich, und deshalb befindet sich gerade in diesem Moment unser Zuhause in einem fahrenden Auto. Im nächsten Monat könnte es irgendeine andere Stadt sein. Wenn wir zusammen sind, sind wir zu Hause.«