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Ich lachte und wußte, diese Worte würde ich beim nächsten Mal zu hören bekommen, wenn ich wieder in Wut geriet.»Sofortige Klarheit, das ist die Hauptsache. Findest du nicht auch?«

Sie fuhr um die Ecke und die Auffahrt zu unserem Haus hinauf. Die Liebe in einer Ehe hält so lange an, dachte ich, wie Mann und Frau sich dafür interessieren, was der andere denkt.

Sie hielt an und stellte den Motor ab.»Das ist es, was er sich wünscht, nicht wahr?«sagte sie.

«Wer?«

«Dickie. Er möchte sofort Klarheit haben. Was auch immer geschieht, er möchte wissen, daß alles in Ordnung ist.«

22

In seiner Wüste mußte es geregnet haben, denn der ausgetrocknete Boden des Sees war nun mit Gras bewachsen, die alten Spuren waren verwischt.

Da stand ein Baum am nahen Horizont. Wie konnte sich seine Gedankenwelt bloß so rasch verändern?

Er stand eindeutig jenseits des Sees, am Fuße eines sanft ansteigenden Berges, und ich joggte hin, um ihn zu treffen.»Warst du dort, Kapitän?«, fragte ich.

«Auf dem Ball?«fragte er zurück.»Als du Angst hattest? Bestimmt hattest du welche.«

«Ich hatte keine Angst.«

«Du hast doch nichts dagegen, daß ich mir vorstelle, wie du die Flucht ergriffen hättest, wenn sie auf das Aspirin angestoßen hätten…«

«Das wäre doch ein guter Aufhänger gewesen, Dickie. Ich habe mir diesen Toast fast herbeigewünscht.«

«Danke«, sagte er.»Es hätte geklappt.«

«Ja. Es hätte Konsequenzen gehabt.«

«Meine Aufgabe ist es, dir zu helfen, dort rauszukommen. Konsequenzen sind etwas für Erwachsene.«

«Es wären keine Konsequenzen zu befürchten gewesen«, erwiderte ich.»Ich hätte auf die gleiche Weise gehen können wie ich gekommen war. Keine Erklärungen, ich wäre einfach gegangen. Keine Hetzjagd, kein Tumult, keine beschädigten Vorhänge, kein zersplittertes Glas; ich wäre nicht in Straßenschuhen an den Wasserspeiern sechs Stockwerke hinaufgeklettert, ich hätte nicht

zu überlegen brauchen, wie ich vom Dach wieder herunterkomme, um zu Leslie zurückzukehren. Keine Konsequenzen.«

Er zuckte mit den Achseln.»Du bist also doch ein Erwachsener.«

«Du hast recht«, erwiderte ich.»Es hätte geklappt, es hätte eine große Szene gegeben.«

Er begann den Berg hinaufzusteigen, als ob dort oben etwas wäre, was er mir zeigen wollte.

«Glaubst du wirklich nicht an die Medizin?«fragte er.

«Nein, wirklich nicht.«

«Nicht einmal an das Aspirin?«

Ich schüttelte den Kopf.»Nein.«

«Was ist, wenn du krank wirst?«

«Ich werde nicht krank«, erwiderte ich.

«Nie?«

«Fast nie.«

«Was machst du, wenn du doch krank wirst?«fragte er.

«Ich hole mir haufenweise Tabletten aus der Apotheke. Ich beginne mit Acetaminophen und schlucke sie so lange, bis das Übel verschwunden ist.«

«Wenn du deinen Körper so vollkommen im Griff hast«, fragte er,»warum ist dann dein Kopf so kahl wie eine Billardkugel? Warum benutzt du dann zum Lesen der Karten beim Fliegen eine Brille?«

«mein kopf ist nicht so kahl wie eine billardkugel!«stellte ich klar.»Zu meiner Auffassung vom Körper gehört, daß ich mich für eine Frisur entschieden habe, die ein wenig praktischer ist als die alte; und wenn eine feine Druckschrift unscharf aussieht, so betrachte ich sie durch eine Brille und bilde mir ein, daß die Buchstaben schärfer werden. Vielleicht kommt es ja davon, daß ich, als ich du war, jeden Tag bemerkte, daß Vaters Haar dünner war als meines und daß Mutter eine Brille zum Lesen benutzte?«

Er antwortete nicht.

«Eben weil ich weiß, daß mein Körper ein Spiegel meines Denkens ist«, sagte ich,»bin ich nicht bequem und mache mir meine Entscheidungen nicht leicht. In dem Augenblick, wo mein Körpergefühl ernstlich gestört ist, wird es höchste Zeit, es zu ändern, und genau das tue ich dann.«

«Was ist, wenn du wirklich krank bist?«fragte er.»Ohne Quatsch bitte!«

«Das kommt nicht vor. In den vielen Jahren vielleicht ein einziges Mal. Als ich fliegen lernte, war ich davon überzeugt, daß Flugzeugpiloten niemals krank werden. Und es stimmt. Von denen, die oft fliegen, ist keiner krank.«

Er schaute mich mißtrauisch an.»Wieso?«

Nur durch die richtigen Fragen können wir die richtigen Antworten finden, dachte ich. Als ich meinen Mund öffnete, hatte ich noch keinen blassen Schimmer, wieso die Flieger ein so gesundes Völkchen waren.

«Fliegen ist immer noch ein Traum«, sagte ich,»für viele von uns. Wie viele Träume bleiben unerfüllt und machen uns deshalb krank? Lebe das aus, wovon du immer geträumt hast — dann haben Krankheiten keine Chance.«

Er lächelte, während er weiter den Berg erklomm, als ob er meine Gedanken gelesen hätte.»Du führst mich an der Nase herum, Richard«, sagte er.»Du bist wie Dad. Du nimmst mich auf den Arm, und du tust es mit diesem ach-so-ernsten Gesichtsausdruck.«

«Glaub mir nicht. Mach deine Erfahrungen selbst, Kapitän. Irgendwo existiert eine Studie, sie vergleicht die Gesundheit derer, die machen, was sie wirklich wollen, mit dem Befinden der Unglücklichen, die einfach nur arbeiten. Wer ist deiner Meinung nach besser dran?«

«Soll ich raten?«

«Und wenn es gar keine Studie gibt?«sagte ich.»Hast du dann richtig oder falsch geraten?«

Er lächelte verdutzt.

«Man nennt das ein Gedankenexperiment«, erklärte ich ihm.»Es ist eine Methode, herauszufinden, was man bereits weiß.«

«Gedankenexperiment?«fragte er.»Toll!«

«Du möchtest Antworten hören?«

«Hab dich nicht so, Richard. Natürlich!«

«Nein«, erwiderte ich.

«Wieso nicht?«

«Weil sich die Antworten ändern«, sagte ich.»Du willst weder eine Million Antworten noch lediglich eine Handvoll Fragen. Fragen sind wie Diamanten, die du gegen das Licht hältst. Betrachte einen Edelstein ein Leben lang, und du wirst dasselbe Juwel in verschiedenen Farben sehen. Auf die Fragen, die immer wieder gestellt werden, erhältst du gerade jene Antworten, die du in eben diesem Moment benötigst.«

Er runzelte die Stirn und richtete seine Augen beim Klettern auf die Bergspitze.»Was für Fragen?«

«Fragen wie Wer bin ich?«

Er blieb unbeeindruckt.»Zum Beispiel?«

«Sagen wir zum Beispiel, du hast ein Problem. Jeder in der Schule will sich durch irgendwas beliebt machen. Willst du das auch? Kannst du nur selbstsicher und du selbst sein, wenn du Klamotten trägst, Meinungen vertrittst und Vorurteile hast, die gerade Mode sind?«

«Ich weiß es nicht. Ich möchte Freunde haben…«

«Und das ist dein Problem. Such dir eine ruhige Ecke und frage dich: Wer bin ich?«

Wir waren nun schon so hoch geklettert, daß wir einen weiten Blick über die samtgrüne Wiese hatten. War sie ein Abbild meiner inneren Landschaft? Blühte sie auf, weil ich mein inneres Kind gefunden hatte und dabei war, es zu befreien?

«Wer bin ich?«fragte er.»Und was dann?«

«Dann mußt du in dich hineinhören. Und dabei wirst du dich erinnern. Du bist jemand, der auf der Erde gelandet ist, um etwas Bemerkenswertes zu vollbringen. Ist das damit vereinbar, daß du dir jede blöde Meinung jedes x-beliebigen Einfaltspinsels, der das Sagen hat, zu eigen machst, um Freunde zu haben?«

«Na hör mal…!«

«Wer bin ich? Diese Frage nutzt sich nicht ab, Dickie. Sie hilft dir, von Zeit zu Zeit, dein ganzes Leben lang, die richtigen Entscheidungen zu treffen.«

«Wer sind meine Freunde?«

«Du hast es erfaßt!«sagte ich und war stolz auf ihn.

Er blieb stehen und sah mich an.»Was habe ich erfaßt?«

«Wer sind meine Freunde? Das ist endlich eine Frage ohne Verfallsdatum! Das nächste Mal, wenn du dich mit einem Dutzend verlorener Schafe umgibst, die deine Sportjacke und deinen Haarschnitt und deine supercoole Sonnenbrille bewundern, solltest du dich fragen: Wer sind meine Freunde, meine wirklichen Freunde? Wo sind die anderen, die von den Sternen kamen? Und was für ein Freund bin ich mir selbst, wenn ich mich nur anpasse und mit irgendwelchen Kumpeln bei erstbester Gelegenheit ein Glas Whisky nach dem anderen herunterkippe?«