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«Beruhige dich, Richard, beruhige dich«, sagten meine Kollegen hinter ihren Schreibmaschinen.»Es ist nur ein Komma, wir schreiben hier nicht das Große Amerikanische Handbuch. Douglas zahlt gutes Geld, und du wirst den Job nie verlieren. Denk an die Vorteile und verkneif dir bitte alle Bemerkungen zur Zeichensetzung unseres Gruppenleiters.«

Es fiel mir schwer, dies zu akzeptieren. Warum hatte ich trockenes Stroh unter den Füßen, wenn jenseits des Zaunes frischer grüner Klee wuchs? Schriebe ich für mich selbst, wäre niemand da, der mir mit Kommas zusetzen würde. Die Kommas, stünden, genau, dort, wo, ich, s,i,e, hin, haben, wollte!

Ein echtes Dilemma machte sich bemerkbar: Ich war eine Mischung aus Holzklotz und Primadonna.

«Ich gehe von Douglas Aircraft weg«, sagte ich, als ich mich in der Mittagspause an den vorderen Kotflügel meines alten Borgward lehnte.»Ich mache für eine Weile auf freiberuflich, ich habe einige Storys auf Lager, die nicht der Technischen Vorschrift 1-C-124G-1 entsprechen, ganz gleich, wo ich meine Kommas hinsetze.«

«Sicher«, entgegnete Bill Coffin und zerkaute knirschend einen Kartoffelchip.»Wir alle verlassen Douglas Aircraft. Zack wird im nächsten Monat von der United Airlines angefordert und in einem Jahr Flugkapitän sein; Willy Pearson erhält demnächst das Patent auf sein Gerät zur automatischen Bohrlochvermessung und wird ein reicher Mann; Martha Dyer hat wieder ihren Roman an verschiedene Verlage geschickt, und diesmal wird er bestimmt ein Bestseller. «Er schüttelte die Plastikschachtel, die sein Mittagessen enthielt.»Ich habe zu viele von diesen Dingern. Möchtest du einen Kartoffelchip haben?«

«Danke.«

«Ich glaube, man kann beim kommerziellen Fischfang Geld verdienen, wie du vielleicht schon bis zum Überdruß gehört hast. Aber niemand von uns hat bisher richtig über den Zaun geschaut, Richard. Die Arbeit bei Douglas mag zwar nicht ganz so reizvoll sein wie, sagen wir, wenn ein 48er Trawler zum Fang in See sticht, aber die Arbeitsplätze bei Douglas sind, wie wir zu sagen pflegen, sicher!«

Ich nickte.

«Weißt du, was ich mit sicher meine? Wir machen nicht gerade den schwersten Job der Welt. Und jetzt will ich dir mal was sagen: Wir bekommen mehr Gehalt für weniger Arbeit als jeder andere, den wir kennen, und solange Amerika Airliner benötigt und die Air Force Transportmaschinen, werden du und ich niemals gefeuert werden.«

«Ja…«Ich knabberte an einem Kartoffelchip. Es geschah mehr aus Höflichkeit. Ich hatte keinen Hunger.

«Du glaubst mir, aber trotzdem möchtest du die Firma verlassen, nicht wahr?«

Ich gab keine Antwort.

«Denkst du wirklich, du kannst mit deiner Schriftstellerei so viel verdienen wie hier? Wie viele Geschichten mußt du verkaufen, ehe du so viel dafür kriegst wie hier?«

«Eine ganze Menge «erwiderte ich.

Er zuckte mit den Schultern.»Du schreibst deine Storys zum Vergnügen, und das Geld verdienst du bei Douglas, und wenn sich die Storys nicht verkaufen, verhungerst du wenigstens nicht. Und wenn sie sich doch verkaufen, kannst du immer noch kündigen.«

Die Sirene ertönte, die Mittagspause war zu Ende, und Bill schüttete den Rest der Chips als Futter für die Seemöwen auf den Boden.

«Du bist wie ein Kind, du hörst ja doch nicht auf mich und kündigst«, sagte er.»Aber eines Tages wirst du dir sehnlichst wünschen, du wärst wieder hier und die Gruppenleiter würden dir sagen, wo du deine Kommas setzen sollst. «Er zeigte mit dem Finger über den Parkplatz hinweg.»Schau dorthin. Ich habe ein Zehncentstück in meiner Hosentasche, und das sagt mir: Der Tag wird kommen, wo du vor dem Tor dort stehen und von draußen hereinsehen und dich erinnern wirst, was Sicherheit bedeutet.«

Nein, dachte ich. Sage mir nicht, meine Sicherheit komme von irgend jemand anderem! Sage mir, ich bin verantwortlich. Sage mir, Sicherheit ist ein Nebenprodukt meines Talents, meines Wissens und meiner Liebe zur Welt. Sage mir, daß Sicherheit aus einer Idee erwächst, Zeit und Interesse vorausgesetzt. Ich verlange dies für meine Wahrheit, ganz gleich, wie viele Gehaltsschecks ich von der Buchhaltung der Douglas Aircraft erhalte. Lieber Gott, dachte ich, gib mir keinen Job, gib mir Ideen!«

Ich lachte, schüttelte die Brösel von meinem Hemd und stieß mich vom Kotflügel ab.»Vielleicht hast du recht, Willy. Die Zeit wird kommen. Ich werde vor dem Tor stehen und von draußen hereinsehen.«

Am nächsten Tag reichte ich meine Kündigung ein, und am Ende des Monats war ich ein freiberuflicher Autor auf dem Weg zum Hungerkünstler.

* * *

Zwanzig Jahre später — nicht auf den Tag genau, aber im gleichen Monat — fuhr ich während meines Besuchs in Los Angeles in südlicher Richtung den San Diego Freeway entlang, sah dort ein Straßenschild, das mir bekannt vorkam, bog spontan nach Norden in den Hawthorne Boulevard ein und hielt mich dann ein wenig ostwärts.

Erstaunlich, wie nachhaltig man sich den Weg zur Arbeit merkt. Hier mußte man nach links abbiegen, nun noch einmal nach links, und nun ging es diese von Eukalyptusbäumen gesäumte Avenue entlang.

Die Sonne schien hell, und es war um die Mittagszeit, als ich den Ort fand. Der gleiche glänzende Drahtzaun umgab den gleichen riesengroßen Parkplatz. Das gleiche stählerne Gebäude ragte in die Höhe — es war größer, als ich es in Erinnerung hatte. Ich hielt am Tor an, stieg aus dem Wagen, das Herz schlug schnell, die Szenerie brannte sich in mein Hirn.

Der Parkplatz war eine verblaßte graue Fläche. Unkraut wuchs aus den Rissen in der Asphaltdecke, weit und breit war kein einziges Auto zu sehen.

Um die Torpfosten waren Ketten geschlungen, die mit massiven Vorhängeschlössern gesichert waren.

Die Zeiten für freischaffende Autoren sind hart, dachte ich, aber große Firmen der Flugzeugbranche sind auch nicht mehr auf Rosen gebettet…

In weiter Ferne schien auf dem Parkplatz gerade ein geisterhafter Bill Coffin mit dem Mann zu wetten, der ich gewesen, und in eben diesem Moment gewann er seine Wette. Ich erinnerte mich daran, was das bedeutete, Sicherheit, und ich stand allein da, ausgesperrt, und starrte durch das Tor ins Nichts.

Ich warf ein Zehncentstück durch den Maschendrahtzaun zu meinem Freund hinüber. Ich stand lange und ruhig da. Schließlich fuhr ich davon und fragte mich, wo er wohl sein mochte.

30

Die Welt wird durch Kriege und Terrorismus untergehen«, sagte der Kommentator in dem Augenblick, als der Bildschirm aufleuchtete.

«Wir bedauern, was wir Ihnen heute abend zu berichten haben. Es gibt weltweit Sterben und Hungersnot, Dürre und Überschwemmungen, Seuchen und Arbeitslosigkeit, das Meer stirbt und damit die Zukunft, das Klima ändert sich, die Wälder brennen, und Menschen laufen Amok, der Gegensatz zwischen Arm und Reich vergrößert sich, Weltverbesserer treten gegen Lebenskünstler an, die Rezession spitzt sich zu, das Ozonloch wächst, der Treibhauseffekt und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe hinterlassen ihre Spuren, Arten sterben aus, Verzeihung, sind ausgestorben, die Drogensüchtigen nehmen überhand, und das ganze Schulsystem ist marode, die Städte verfallen, und überall herrscht Übervölkerung, auf den Straßen dominiert das Verbrechen, und ganze Länder gehen bankrott, es gibt Luftverschmutzung und radioaktiv verseuchten Boden, sauren Regen und Mißernten, Feuersbrünste und Schlammlawinen und Vulkane und Erdbeben und Hurrikane und Flutwellen und Tornados und Überschwemmungen und Tankerunglücke und Super-GAUs, die alle im Buch der Weisen vorausgesagt worden sind. Nebenbei bemerkt, taumelt ein Riesenasteroid auf die Erde zu, der das ganze Leben auf dem Planeten auslöschen wird, selbst wenn er nur am Pol einschlägt.«

«Soll ich umschalten?«fragte ich.

«Der ist doch okay«, antwortete Leslie.