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«Es… simplifiziert die Sache!«sagte er und verwendete das Fremdwort mit Behagen. »Ich könnte sie so erklären!«

«Hör schon auf damit, Kapitän. Erstens bist du nicht dumm, zweitens ist meist das Einfache wahr, drittens bin ich, der Kerl, dessen Erfahrungen dich so interessieren, über fünfzig Lebensjahre von dir entfernt. Wird denn die Sache simplifiziert, wenn du das Wort ›gut!‹ vernimmst und, bevor du ihm zustimmst, überlegst, wer das gesagt hat und warum?«

Ich balancierte das Segelflugzeug aus und warf es in die Luft. Es wollte nicht fliegen und stürzte aus vier Fuß Höhe steil ab. Offensichtlich war die Nase des Flugzeuges ein wenig zu schwer.

«Es muß noch mehr hinter dem Guten stecken, als daß es mich nur glücklich macht«, sagte er.

«Sicherlich steckt mehr dahinter. Momentane Genugtuung muß nicht langwährende Glückseligkeit bedeuten. Wir müssen nachdenken, um den Unterschied zu erkennen. In jeder Sie-verkauften-dem-Teufel-ihre-Seele-Story ist der Deal mit dem Satan der gleiche: Die langwährende Glückseligkeit wird gegen ein kurzfristiges Vergnügen eingetauscht, und die Moral der Geschichte ist immer: Es ist kein allzu gutes Geschäft!

Dann gibt es den Konsens von gut und böse, die von vielen Menschen akzeptierten Werte mit den abgerundeten Kanten. Verschiedene Kulturen können unterschiedliche Auffassungen über das haben, was gut und was nicht gut ist, aber jede für sich genommen ist sich im allgemeinen darüber einig, was sie unter gut und böse versteht.«

«Muß das denn so verschwommen sein? Warum kann es nicht klarer sein? Ich habe eindeutige Definitionen.«

«Mord ist…«

«Schlecht«, sagte er, ohne zu zögern.

«Nächstenliebe ist… «

«Gut.«

Ich kratzte etwas Lehm von der Nase des kleinen Segelflugzeuges.»Ein Wehrdienstverweigerer in Kriegszeiten zu sein ist…?«

«Hm.«

«Ist es gut oder schlecht, den Wehrdienst zu verweigern?«wiederholte ich meine Frage.

«Warum gibt es diesen Krieg? Verteidigen wir uns selbst, oder greifen wir irgendein wehrloses kleines Land an?«

«Sieh mal einer an!«sagte ich.»Sobald man eine Situation hat, in der gut oder schlecht von den Umständen abhängt, nimmt das ganze Konzept subjektiven Charakter an, und es wird nie wieder die klare Alternative geben, die sie in unseren Augen einmal war. Wie bei jedem anderen Werturteil müssen wir sagen, dies ist gut für mich, und das ist schlecht für mich.«

Ich stieß das kleine Segelflugzeug erneut vorsichtig ab. Es stieg steil in die Höhe und fiel danach sanft ins Gras.

«Eine Ausnahme verändert noch nicht die Regel!«

«Das stimmt«, antwortete ich und hob das Segelflugzeug wieder auf. Ich ärgerte mich über das Schwerpunktproblem und fügte dem kleinen Klumpen auf der Nase des Modellflugzeuges wieder etwas Lehm hinzu.»Aber eine Ausnahme zeigt, daß es auch eine Million andere geben kann.«

«Beweise mir das.«

«Ist es verwerflich, wenn wir uns selbst verteidigen? Ist es falsch, wenn wir unsere Feinde im Krieg töten? Ist es unmoralisch, wenn ein Arzt den wohlüberlegten Wunsch seiner Patientin erfüllt, die unheilbar krank ist und unerträgliche Schmerzen hat?«

«Nach deiner Maxime ist es doch unmöglich zu töten«, sagte er.»Das Leben existiert, und wir können es weder erschaffen noch vernichten.«

«Das Leben existiert, Dickie. Es kennt keine Regeln. Aber du und ich, wir reden über Spiele, das Heute, die Raumzeit, Vermutungen über Erscheinungen, das institutionalisierte Gute und das zivilisierte Böse, über die Gesellschaft, wo das real ist, was real zu sein scheint, und das große Prinzip nicht beachtet wird.«

«Es gibt kein richtig und kein falsch?«

«Das absolut Richtige und das absolut Falsche gibt es nicht. Nur die Existenz des Lebens ist absolut.«

«Also kann ich tun und lassen, was ich will, und es wird keine Folgen haben? Es steht mir frei, hinzugehen, wohin ich will, zu betrügen, zu stehlen und zu morden, und es zieht keine Folgen nach sich, wenn mir meine eigene Moral sagt, daß das alles in Ordnung ist?«

«Natürlich steht es dir frei, das zu tun«, erwiderte ich.

«Aber da lauern Folgen, die du vielleicht nicht in Ordnung finden wirst.«

«Zum Beispiel?«

«Deiner Tat wegen belastest du dein Gewissen für den Rest deines Lebens mit Schuldgefühlen. Oder du sitzt sieben bis zwölf Jahre im Zuchthaus. Oder du stirbst überraschenderweise selbst: Du hattest angenommen, dein Opfer wäre wehrlos, und dabei war es bewaffnet. In der Welt der Erscheinungen hat jede Entscheidung, die du triffst, unendlich viele Auswirkungen, und es gibt unendlich viele Dinge, die abzuwägen sind.«

«Gilt das für ausnahmslos jede Entscheidung?«

«Ja.«

Er preßte seine Daumenkuppe mit den Fingern zusammen. «Gilt das für jede winzige Kleinigkeit?«

«Probier es aus«, sagte ich.»Welche Entscheidung bleibt ohne Folgen?«

«Ich stieß das kleine Flugzeug zum dritten Mal ab. Es setzte wieder zu einem Sturzflug an, fing sich über den Spitzen der Grashalme und schwebte dreißig Fuß weit geradeaus, bis es sanft wie ein Nachtfalter landete. Nicht schlecht für drei Flugversuche.

«Hat es Folgen, wenn man ein Schriftsteller ist?«

«Ja«, antwortete ich.»Jeden Tag kann ich bis mittags schlafen.«

«Na, na!«

Ich ging, um das Segelflugzeug aus dem Gras zu fischen.»Dickie, verstehst du nicht? Es gibt immer irgendwelche… Auswirkungen, gute und schlechte…«

«… Es macht uns glücklich oder unglücklich…«, rief er, stellvertretend für uns beide.

«… irgend etwas zu machen, wozu wir uns entschlossen haben, oder irgend jemand zu sein, der wir sein wollen«, beendete ich seinen Satz.

«Hat die Schriftstellerei schlimme Folgen?«fragte er.

Als ich wieder zu ihm zurückging, wußte ich seinen Blick nicht zu deuten und konnte mir nicht erklären, warum er das wissen wollte.

«Ich habe vor Jahren ein Buch über die Ernährung verfaßt und darin geschrieben, daß es für manche von uns gut wäre, zehn Pfund Gewicht zu verlieren.«

«Und das sind die schlimmen Folgen der Schriftstellerei?«

«Nein. Was mich in diesem Zusammenhang unglücklich gemacht hat, war, daß einer meiner Leser meine Auffassung teilte, sich auf mich als Kapazität berief und sich, um sein Gewicht zu vermindern, den Kopf abtrennte.«

Er bekam Augen so groß wie Suppenteller.»was sagst du da?«

«Er hatte nicht verstanden, was ich meinte, Dickie, aber er verlor zehn Pfund Gewicht.«

«Du nimmst mich auf den Arm!«

«Ein wenig«, entgegnete ich.»Ich habe vor Jahren ein Buch über jemanden geschrieben, der keine Angst vor dem Sterben hatte. Ein junger Mann las das Buch, kam zu dem Schluß, daß er sich auch nicht vor dem Sterben fürchtete, und beging Selbstmord.«

«Du nimmst mich immer noch auf den Arm.«

«Nein. Die Geschichte ist wahr. «Ich saß im Gras und hielt das Flugzeug in der Hand.

«Warum hat er das gemacht?«

«Er war verliebt, die Eltern seiner Freundin lehnten ihn ab und sagten, sie würden ihre Tochter fortschicken, damit sich die beiden niemals wiedersehen. Das Paar beschloß, zusammen Selbstmord zu begehen, und fuhr mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Mauer. Das Mädchen überlebte den Aufprall, er nicht.«

«Weshalb sind die beiden nicht einfach zusammen durchgebrannt?«

«Eine gute Frage.«

«Wenn ich über etwas nicht hinwegkäme, Richard, würde ich mich sicherlich nicht umbringen. Aber ich würde einige ziemlich drastische Sachen machen.«

«Zum Beispiel?«Was hatte ich schon als drastisch angesehen, als ich neun Jahre alt war?

«Ich würde mein Pfadfindermesser und Streichhölzer einpacken, etwas zu essen mitnehmen und mit dem Mädchen in die Berge radeln.«